Spektrum der Wissenschaft - 05.2019

(Sean Pound) #1

die dichtesten Ansammlungen von Galaxien befinden, die
uns in drei bis fünf Milliarden Lichtjahren Entfernung be-
kannt sind. Zusätzlich beobachteten sie sechs relativ leere
Regionen in der Nachbarschaft der anderen Felder.
Frontier Fields wandelte die vermeintliche Schwäche der
störenden Vordergrundobjekte in eine Stärke um: Die
Galaxienhaufen im Bild verstärkten die Fähigkeiten der
beiden Teleskope Hubble und Spitzer mit Hilfe des Gravita-
tionslinseneffekts, so dass die Teleskope viele weit entfern-
te Galaxien aufspüren konnten – darunter die kleinsten und
leuchtschwächsten Galaxien, die wir bisher kennen.


Relikte der Vergangenheit
Nachdem CLASH und Frontier Fields bereits liefen, war
zunächst unklar, ob die Gemeinschaft der Astronomen ein
weiteres großes Hubble-Projekt zur Beobachtung von
Galaxienhaufen befürworten würde. Doch viele masserei-
che Galaxienhaufen waren bis dahin weder mit Hubble
noch im Infrarotlicht beobachtet worden. Und just in die-
sem Bereich des elektromagnetischen Spektrums sollte
man besonders ferne Galaxien aufspüren können. Schließ-
lich wird die Wellenlänge von Strahlung durch die Expansi-
on des Weltalls ständig gestreckt, was bei sichtbarem Licht
einer Verschiebung hin zum Infraroten gleichkommt.
Die Galaxienhaufen stellten also gewissermaßen eine
Reihe natürlicher Teleskope dar – und wir hatten uns bei
unserer Suche nach fernen Galaxien bislang nicht die Mühe
gemacht, durch sie hindurchzuschauen. Auf die Galaxien-
haufen war ich 2015 durch Daten des europäischen Planck-


Satelliten gestoßen, der
einen Katalog der großen
Ansammlungen von Galaxien
erstellt hatte. Planck ist zwar eher für seine detailreiche
Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung be-
rühmt. Doch Galaxienhaufen verzerren diese Hintergrund-
strahlung, daher konnten die Wissenschaftler anhand der
Planck-Messungen rund 1000 von ihnen aufspüren.
Die meisten dieser Ansammlungen waren zwar bereits
bekannt, bei einigen handelte es sich jedoch um neue
Entdeckungen. Der massereichste Galaxienhaufen in dem
Katalog, Abell 2163, war nur mit Hubble im sicht baren
Bereich beobachtet worden, nicht aber im Infraroten. Und
auch der Galaxienhaufen mit der zweitgrößten Masse,
PLCK G287.0+32.9, aus dem Planck-Katalog sah sehr viel
versprechend aus: Er hatte sich schon bei Beobachtungen
mit Teleskopen auf der Erde als exzellente Gravitationslinse
entpuppt. Aber das Weltraumteleskop Hubble hatte dort
noch nicht hingeschaut.
Ich erstellte also eine Liste von 41 massereichen Gala-
xienhaufen, von denen es noch keine Hubble-Aufnahmen
im nahen Infrarotbereich gab, und schrieb zusammen mit
einem Team von Astronomen einen Hubble-Projektantrag.
Wir baten um Beobachtungszeit für 190 von Hubbles
Umläufen um die Erde. Das entspricht etwa fünf Prozent
der verfügbaren Beobachtungszeit für das Antragsjahr –
ins gesamt mehr als 100 Beobachtungsstunden.
Nachdem alle Projektvorschläge für das Jahr eingereicht
waren, versammelten sich Astronomen aus der ganzen

Gravitationslinsen


Bei ihrer Suche nach extrem weit entfernten Galaxi-
en im jungen Kosmos machen sich die Astronomen
das Phänomen der Gravitationslinsen zu Nutze.
Dabei handelt es sich um massereiche Objekte wie
etwa Galaxienhaufen, welche die Raumzeit in
ihrer Umgebung verbiegen. Strahlung, die
diese Regionen durchquert, muss daher
einem gebogenen Pfad folgen. Dadurch
kann eine hinter einer Gravitationslinse
liegende, weiter entfernte Galaxie
von der Erde aus gesehen ver-
größert, an einer anderen
Stelle oder sogar mehrfach
erscheinen.

Weltraumteleskop
Hubble

Gesichtsfeld

Galaxienhaufen

Lichtstrahlen

weit entfernte Galaxie (wahre Position)

scheinbare Position der Galaxie

mehrfache Bilder der Galaxie

Das durch die Gravitationslinse abgelenkte
Licht folgt unterschiedlichen Pfaden zur Erde
und erzeugt so mehrere Bilder der Galaxie.

NIGEL HAWTIN / SCIENTIFIC AMERICAN NOVEMBER 2018; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT
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