Absorptionskante im Spektrum von SPT0615-JD zeigte uns
daher, wie stark sich das Universum zwischen der Aussen-
dung der Strahlung und ihrem Empfang auf der Erde ausge-
dehnt hat, und damit auch, wie lange die Strahlung zu uns
unterwegs war.
So kommen wir auf die rekordverdächtige Rotverschie-
bung von 10. Damit ist SPT0615-JD eine der am weitesten
entfernten Galaxien, die wir kennen. Es gibt zwar zwei
Galaxien, die eine Rotverschiebung von 11 besitzen, die also
etwas weiter entfernt sind und wohl bereits 400 Millionen
Jahre nach dem Urknall existierten. Hubble zeigt sie aller-
dings lediglich als infrarote Punkte, die zu klein sind, um
Einzelheiten ihrer Struktur zu erkennen.
Bei SPT0615-JD ist das anders: Ihr Licht wurde durch
eine Gravitationslinse verzerrt, was das Bild der Galaxie
vergrößert hat (siehe Bild S. 49). Dadurch können wir einen
detaillierteren Blick auf diese ferne Verwandte unserer
Milchstraße werfen. Unsere Beobachtungen mögen hier
nicht allzu viel an Details hergeben, aber wir wollen nun
mit dem Hubble-Teleskop noch aussagekräftigere Bilder
machen.
Unter anderem hoffen wir, auch die durch die Gravita-
tionslinse erzeugten Abbilder der Galaxie aufzuspüren,
wie sie Rachel Paterno-Mahler von der University of Cali-
fornia in Irvine vorhergesagt hat. Darüber hinaus konnten
wir uns bereits Beobachtungszeit am Atacama Large
Millimeter Array (ALMA) im chilenischen Hochland sichern.
Damit wollen wir unsere Entfernungsmessung bestätigen
und zudem Sauerstoff in der Galaxie nachweisen – das
wäre der bislang früheste Nachweis dieses Elements im
Kosmos.
Und schließlich werden wir Beobachtungen mit dem
James Webb Space Telescope (JWST) vorschlagen, dem
nächsten großen Weltraumteleskop der NASA, dessen
3
20
10
heute Urknall
0 1 2320
heute
2 Mrd.
Jahre
4 Mrd.
Jahre
6 Mrd.
Jahre
8 Mrd.
Jahre
10 Mrd.
Jahre
12 Mrd.
Jahre
0
1
2
?
Kosmische Zeitleiste
Das Projekt RELICS nutzte die Weltraumteleskope Hubble und Spitzer,
um nach Galaxien in der Zeit zwischen 400 und 600 Millionen Jahren
nach dem Urknall zu suchen. Astronomen bezeichnen diese Ära als
Epoche der Reionisierung, weil die ersten Sterne mit ihrer Strahlung die
neutralen Wasserstoffatome im Weltall wieder ionisierten. Da sich
elektromagnetische Strahlung mit Lichtgeschwindigkeit
ausbreitet, ist der Blick in große Entfernungen
zugleich ein Blick in die ferne Vergangenheit.
Die Rotverschiebung
Während das Weltall expandiert, dehnt sich auch die Strahlung aus,
die sich durch den Kosmos bewegt. Dadurch verschieben sich die Wellen-
längen vom blauen zum roten Bereich des elektromagnetischen Spektrums.
Je weiter ein Objekt von der Erde entfernt ist, desto länger nimmt seine
Strahlung an der Expansion teil und desto größer ist daher seine Rotverschiebung.
Eine herausragende
Entdeckung von
RELICS war die
Galaxie SPT0615-
JD, deren Licht 13,3
Milliarden Jahre zur
Erde benötigte – wir
sehen sie also so,
wie sie damals
aussah.
beschleunigte
Expansion
Spitzer
Hubble
infrarote
Strahlung
3
20
10
heute Urknall
0 1 2320
heute
2 Mrd.
Jahre
4 Mrd.
Jahre
6 Mrd.
Jahre
8 Mrd.
Jahre
10 Mrd.
Jahre
12 Mrd.
Jahre
0
1
2
?
ultraviolette
Strahlung
Epoche der
Reionisierung
Urknall
kosmische
Inflation
kosmische
Hintergrund-
strahlung
dunkles
Zeitalter
vor 13,3 Milliarden Jahren:
Galaxie SPT0615-JD,
Rotverschiebung 10
NIGEL HAWTIN / SCIENTIFIC AMERICAN NOVEMBER 2018; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT