Spektrum der Wissenschaft - 06.2019

(Amelia) #1

SPEKTROGRAMM


10 Spektrum der Wissenschaft 6.


Knallkrebse haben eine vergrößerte Schere,
mit der sie starke Stoßwellen erzeugen.

PHILIPPE BOURJON (COMMONS.WIKIMEDIA.ORG/WIKI/FILE:ALPHEIDAE_%C3%A0_IDENTIFIER.JPG) /
CC BY-SA 4.0 (CREATIVECOMMONS.ORG/LICENSES/BY-SA/4.0/LEGALCODE)

TECHNIK
KREBSSCHEREN-
NACHBAU SCHIESST MIT
HEISSEM PLASMA


Zwei Ingenieurwissenschaftler
haben eine bemerkenswerte Erfin­
dung der Tierwelt nachgebaut: den
»Pistolenschuss­Apparat« der Knall­
krebse (Alpheidae). Diese Tiere besit­
zen eine vergrößerte Schere, die beim
Zuschnappen mittels eines scharfen
Wasserstrahls ein mehr als 4000 Grad
heißes Plasma samt starker Stoßwelle
entstehen lässt. Xin Tang und David
Staack von der Texas A&M University
haben eine Schere vermessen, die ein
Krebs der Spezies Alpheus formosus
abgeworfen hatte, um den Mechanis­
mus präzise im 3­D­Drucker nachzu­
bilden.
Hinter der erstaunlichen Fähigkeit
der Tiere steckt ein Phänomen namens
Kavitation. Wenn die Tiere ihre Schere
mit hoher Geschwindigkeit zuschnap­
pen lassen, bildet sich ein Wasser­
strahl, der vor der Scherenspitze eine
Gasblase produziert, die sofort wieder
in sich zusammenfällt. Bei diesem
Kollaps heizt sich das Gas in der Blase
stark auf und wird zu einem Plasma,
das eine energiereiche Stoßwelle ins
Wasser schickt. Die von ihr verursach­
ten Erschütterungen, mit denen das
Tier unter anderem Fressfeinde ab­
wehrt, sind mit bis zu 210 Dezibel weit
lauter als ein Pistolenschuss und

können unter Umständen sogar das
Sonar von Schiffen stören.
Fachleute versuchen seit Jahren,
das Prinzip technisch nachzuahmen,
doch bisherige Versuche gelangen nur
eingeschränkt. Tang und Staak haben
nun ein Modell geschaffen, mit dem
sich der Vorgang präzise untersuchen
lässt. Um den Blitz ihres Nachbaus mit
der Kamera aufzuzeichnen, dotierten
sie das Plasma mit dem Edelgas
Argon, was stärkere Emissionen zur
Folge hat. Wie sich dabei herausstell­
te, entsteht das Plasma etwa eine
tausendstel Sekunde nach dem Zu­
schnappen der nachgebauten Schere.
Die beiden Forscher sehen ihre
Konstruktion als Möglichkeit, den
Mechanismus hinter der Plasmabil­
dung genauer zu verstehen, der an­
scheinend stark von der Geometrie der
Schere und des Schusskanals ab­
hängt. Die Krebsschere erzeuge Plas­
ma in Flüssigkeiten deutlich effektiver
als Verfahren mit Lasern, Elektrizität
oder verschiedenen mechanischen Ge­
räten, so die Forscher. Für eine ent­
sprechende »Plasmawaffe« gäbe es
diverse Einsatzbereiche; sie könnte
beispielsweise Löcher in Gestein
schießen oder sogar verschmutztes
Wasser reinigen. Um sie technisch
anzuwenden, müsste allerdings erst
einmal eine größere Version des
Mechanismus konstruiert werden.

Science Advances 10.1126/sciadv.
aau7765, 2019

PALÄONTOLOGIE
MASSENGRAB AN
DER KREIDE-PALÄOGEN-
GRENZE


Eine mehr als ein Meter dicke
Sedimentschicht im US­Bundes­
staat North Dakota, die aus der Über­
gangszeit zwischen Kreide und Paläo­
gen stammt, deuten Forscher als
Zeuge des katastrophalen Meteoriten­
einschlags, der letztlich wohl das
Aussterben der Dinosaurier verursach­
te. Die Paläontologen um Robert
DePalma von der University of Kansas
stießen in der Fundstätte Tanis der
Hell­Creek­Formation auf eine chaoti­
sche Ansammlung von Süßwasser­
fisch­, Ammoniten­, Insekten­ und
Pflanzenfossilien. Zusätzlich fanden
sich dort erhöhte Konzentrationen des
chemischen Elements Iridium sowie
zahlreiche Tektiten (zu Glas geschmol­
zene Gesteinskügelchen).
Wo heute die Hell­Creek­Formation
ist, befanden sich am Ende der Kreide­
zeit offensichtlich Flusstäler, die in
ein Epikontinentalmeer mündeten. Die­
ses erstreckte sich bis zum Golf von
Mexiko. Der Meteoriteneinschlag vor
66 Millionen Jahren, der den Chicxu­
lubkrater im heutigen Mexiko hinter­
ließ, dürfte Erdbeben einer Stärke von
10 oder 11 ausgelöst haben. Dadurch,
so die Forscher, schaukelten sich bis
zu zehn Meter hohe Wellen auf, die
durch die Flusstäler rasten und Land­
und Wasserbewohner zusammenspül­
ten. Als sich das Wasser wieder zu­
rückzog, wurde dieser Friedhof von
Tektiten bombardiert, die der Meteori­
teneinschlag ausgeworfen hatte und
die sich heute unter anderem in den
Kiemen einiger fossiler Fische finden.
10 bis 20 Minuten nach der ersten Flut
folgte eine zweite Riesenwelle, die
schließlich die gestrandeten und
zusammengeworfenen Tiere und
Pflanzen mit Kies, Sand und Schlamm
überdeckte – und so ihre Versteine­
rung ermöglichte.
Die Forscher deuten ihren Fund als
ersten Nachweis eines Massengrabs
größerer Organismen, das mit der
Kreide­Paläogen­Grenze in Verbindung
gebracht werden kann. Diese Grenze
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