Spektrum der Wissenschaft - 07.2019

(Jeff_L) #1

FORSCHUNG AKTUELL


MATHEMATIK


PRIMPOLYNOME


Ähnlich wie Zahlen lassen sich
Polynome nicht immer in
einfachere Elemente zerlegen.
Im Gegensatz zu Primzahlen
treten solche »Primpolynome«
mit zunehmender Größe im-
mer häufiger auf.




Primzahlen sind die Stars der
Mathematik. Jeder hat von ihnen
gehört, unabhängig davon, ob
man sich in diesem Bereich auskennt
oder nicht. Sie spielen die Hauptrolle in
den berühmtesten offenen Problemen.
Neben Primzahlen gibt es aber auch
noch »Primpolynome«, die im Ruhm
ihrer populären Geschwister beinahe
untergehen. Dabei liegen auch sie
etlichen wichtigen Fragestellungen zu
Grunde.
Ein Polynom besteht aus einer Sum-
me von Variablen x hoch einer Potenz,
die mit entsprechenden Koeffizienten
ai multipliziert werden, wie zum Bei-
spiel a 1 x + a 2 x2 + ... + an x n. Genau
wie Zahlen lassen sich Funktionen
addieren, subtrahieren, multiplizieren
und teilen. Falls ein Polynom mit
ganzzahligen Koeffizienten nicht als
Produkt zweier einfacherer ganzzahli-
ger Polynome zerlegt werden kann,
hat man es mit einem Primpolynom zu
tun. Mathematiker nennen solche
Gebilde irreduzibel. Tatsächlich lassen
sich viele Probleme verschiedenster
Bereiche auf Fragen über Polynome
herunterbrechen. Dabei ist es essenzi-
ell zu wissen, wie häufig Primpolyno-
me auftreten.
Angesichts der Vielfalt an mögli-
chen Termen, die aus beliebig vielen
Variablen und Koeffizienten bestehen
können, gestaltet sich diese Aufgabe
allerdings schwierig. Deshalb haben
Mathematiker das Problem in früheren
Arbeiten eingegrenzt. Im Oktober 2017
zeigten beispielsweise die zwei israe-
lischen Experten Lior Bary-Soroker
und Gady Kozma, dass fast alle Poly-
nome mit einem bestimmten einge-
schränkten Koeffizientenbereich irre-
duzibel sind.

Random Walk


Mit so genannten »Random Walks« untersuchen Mathematiker, ob sich
Polynome in einfachere Bestandteile zerlegen lassen.

10 1

(^92)
7 4
56
(^83)
10 1 0
(^92)
7 4
56
(^83)
0
x
1 ∙ x = x
x + 1
x^2 + x + 1
x^2 + x
(x + 1) ∙ x = x^2 + x
x ∙ x = x^2
x^2 + 1
x^2
1
1
1
0
0
1
0
10 1
(^92)
7 4
56
(^83)
0
Random Walk auf einem Zifferblatt
Eine Person steht auf einem Zifferblatt mit bloß
elf Einträgen und startet auf der Eins.
Die Person wählt
eine Zahl – bei-
spielsweise drei –
und multipliziert
sie mit der Ziffer,
auf der sie gerade
steht: 1 ∙ 3 = 3.
Die Person geht
zu dieser Zahl.
Nun wirft sie
eine Münze.
Bei Kopf geht
sie einen
weiteren
Schritt nach
vorne (4). Bei
Zahl bleibt sie
stehen.
Der Vorgang wiederholt sich:
Die Person multipliziert ihre
Position (4) mit drei (= 12
= 11 + 1). Falls die Zahl grö-
ßer als 11 ausfällt, teilt sie die
Zahl durch 11 und nimmt den
Rest (hier: 1). Dann geht sie
zu dieser Position und wirft
wieder eine Münze.
Mathematiker interessiert, wie lange es dauert, bis die Person auf
allen Ziffern der Uhr mindestens einmal stehen geblieben ist. Und
wann sie alle Stellen ungefähr gleich häufig besucht hat.
Wie Polynome aus einem Random Walk entstehen
Spielen Sie den oben
beschriebenen Random
Walk für eine allgemeine
Zahl x durch. Die neue
Position der Person ist nach
den ersten zwei Schritten
entweder x oder x + 1.
Wiederholen Sie den Prozess, indem
Sie die Position der Person wieder mit
x multiplizieren und entweder eine Null
oder eine Eins addieren. Nach dieser
Runde entspricht die neue Position der
Person einem der vier Polynome mit
Koeffizienten 0 und 1.
Primpolynome finden: Die oben genannten
Schritte kann man für verschiedene Zifferblätter
wiederholen. Primpolynome besitzen durch-
schnittlich nur einen Wert x, der die Person für
alle möglichen Uhren, deren Zifferblatt von null
bis zu einer Primzahl geht, zum Punkt null führt.
10 1
(^92)
7 4
56
(^83)
0
LUCY READING-IKKANDA / QUANTA MAGAZINE; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT

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