Spektrum der Wissenschaft - 07.2019

(Jeff_L) #1
Das sei wie bei Legosteinen, bei denen
Löcher und Noppen genau passen
müssen, erklärt Benner.
Durch den Umbau molekularer
Noppen und Löcher hatten die Wis-
senschaftler bereits 2015 mehrere
neue DNA-Basen erzeugt – darunter
korrespondierende Paare namens S
und B sowie P und Z (siehe Grafik
oben). Jetzt probierten sie, wie diese
synthetischen Basen mit den natürli-
chen Varianten kombiniert werden
können. Dabei entstand eine moleku-
lare Kunstsprache, welche die For-
scher nach den japanischen Bezeich-
nungen für »acht« und »Buchstabe«
auf den Namen Hachimoji tauften. Die
zusätzlichen Bausteine ähneln struktu-
rell jeweils einer natürlichen DNA-Base
mit leichten Abweichungen bei der
Wasserstoffbrückenbindung.
Um ihre Fähigkeit als Lebensmole-
kül zu beweisen, musste die künstliche
DNA einige Tests bestehen: Tatsäch-
lich paarten sich bei hunderten synthe-
tischen DNA-Molekülen die künstli-
chen Basen mit ihrem jeweiligen
Partner ähnlich zuverlässig wie die
natürlichen – die synthetischen Mole-
küle eignen sich also als Informations-
speicher.
Im nächsten Schritt zeigten die
Forscher, dass die Struktur dieser
Doppelhelices stabil bleibt – und zwar

unabhängig von der Reihenfolge der
synthetischen Basen. Das ist wichtig,
da nur hochvariable Basensequen-
zen, die nicht das gesamte DNA-Kons-
trukt auseinanderfallen lassen, eine
Evolu tion erlauben. Mit Hilfe von
Röntgenbeugung an Molekülkristallen
bestätigte das Team, dass syntheti-
sche DNA-Stränge mit drei verschie-
denen Sequenzen ihre Struktur beibe-
halten.

Gelungene Übersetzung in RNA
Andere Methoden zur Erweiterung des
genetischen Alphabets hatten hier
nach Angaben des nicht an Benners
Arbeit beteiligten englischen Moleku-
larbiologen Philipp Holliger versagt:
Hierbei waren lipophile, also nicht
wasserlösliche Moleküle eingesetzt
worden, die sich nicht per Wasser-
stoffbrücken verpaarten. Man konnte
sie zwar in gewissen Abständen zu-
einander zwischen natürlichen Basen
in die DNA-Kette platzieren – nicht
aber direkt nebeneinander, weil dies
die Helixstruktur zerstörte.
Schließlich demonstrierten die
Forscher, dass sich die synthetische
DNA buchstabengetreu in RNA um-
schreiben lässt. Das ist die Voraus-
setzung dafür, um Proteine zu erzeu-
gen, die Arbeitspferde des Lebens. Um
jenen Schritt sichtbar zu machen,

schuf Benners Team synthetische
DNA-Abschnitte, die für ein so genann-
tes Aptamer codieren – eine RNA-Se-
quenz, die sich an bestimmte Moleküle
bindet und eine Fluoreszenz auslöst.
Hierbei bestätigte sich, dass das Um-
schreiben (die so genannte Transkrip-
tion) funktioniert.
Philipp Holliger sieht in der Arbeit
zwar einen viel versprechenden Aus-
gangspunkt, es bleibe jedoch noch ein
weiter Weg bis zu einem echten syn-
thetischen Gencode mit acht Buchsta-
ben. So sei noch unklar, ob Polymera-
sen, also DNA synthetisierende Enzy-
me, die künstliche DNA replizieren
können. Benner betont, sein Team habe
immerhin gezeigt, dass Leben auch mit
anders gestalteten DNA-Basen möglich
ist. Und das könne bei der Suche nach
biologischen Signaturen im Universum
eine Rolle spielen.
Eine eher bodenständige Vision für
die neu hinzugefügten DNA-Buchsta-
ben wäre, die vielfältigeren DNA- oder
RNA-Sequenzen andere Funktionen als
das Datenspeichern erledigen zu las-
sen. Beispiele hierfür hat Benners
Gruppe schon geliefert: DNA-Stränge
mit Z und P binden sich besser an
manche Krebszellen als Sequenzen mit
den vier Standardbasen. Das Forscher-
team hat zudem weitere Paare syntheti-
scher Basen entwickelt. Sie eröffnen
die Möglichkeit, DNA-Strukturen mit
zehn oder sogar zwölf Buchstaben zu
konstruieren.
Matthew Warren ist promovierter
Neurowissenschaftler und Wissen-
schaftsjournalist.

QUELLEN
Georgiadis, M. M. et al.: Structural
basis for a six nucleotide genetic alpha-
bet. Journal of the American Chemical
Society 137, 2015
Hoshika, S. et al.: Hachimoji DNA and
RNA: A genetic system with eight
building blocks. Science 363, 2019
Zhang, L. et al.: Evolution of functional
six-nucleotide DNA. Journal of the
American Chemical Society 137, 2015

In natürlicher DNA ist die Information in der Abfolge der Basen Cytosin (C),
Guanin (G), Thymin (T) und Adenin (A) verschlüsselt, wobei sich C mit
G sowie T mit A über Wasserstoffbrücken paart (links). Forscher fügten
diesem Vierercode strukturell ähnlich gebaute Basen hinzu. Hierbei koppelt
Z an P und S an B (rechts). R steht für den Zucker- (Desoxyribose-)
und den Phosphatanteil des jeweiligen Nukleotids.

© Springer Nature Limited
http://www.nature.com
Nature 566, S. 436, 2019

HOSHIKA, S. ET AL.: HACHIMOJI DNA AND RNA: A GENETIC SYSTEM WITH EIGHT BUILDING BLOCKS. SCIENCE 363, 10.1126/SCIENCE.AAT0971, 2019, FIG. 1; ABDRUCK GENEHMIGT VON AAAS / CCC; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT


C Z

G P

T

A
S

B
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