mehr als 50 000 Jahre alt war. Auch die Ergebnisse der
DNA-Analyse ließen nicht lange auf sich warten: Die mito-
chondriale DNA – jener Teil des Erbguts, der nur über
die mütterliche Linie weitergegeben wird – ließ darauf
schließen, dass die Mutter des Individuums, von dem der
Knochen stammte, eine Neandertalerin war. Damit war
es uns gelungen, einen Urmenschenknochen aufzuspüren,
der sich zwischen unzähligen Überresten anderer Spezies
versteckt hatte. Nach den ersten Erbgutanalysen wollte
Pääbos Team nun versuchen, die viel informativere Kern-
DNA aus dem Knochen zu extrahieren, der jetzt die
Bezeichnung »Denisova 11« erhielt. In der Zwischenzeit
entschieden wir, unsere Methode an weiterem Material
zu testen.
Die Vindija-Höhle in Kroatien gilt als einer der wichtigs-
ten Fundorte, um das Leben der späten Neandertaler und
ihr Miteinander mit anatomisch modernen Menschen in
Europa zu verstehen. Hier wollten wir ZooMS einsetzen, um
einen besseren Überblick über die bislang nicht identifizier-
ten Knochen des Fundplatzes zu erhalten.
Bisherige taxonomische Untersuchungen zeigten, dass
etwa 95 Prozent der besser erhaltenen Knochen aus der
Höhle von Höhlenbären stammen. Als unsere Studentin
Cara Kubiak mit ihren Analysen begann, erwarteten wir
daher kaum, eine ebenso vielfältige Fauna vorzufinden, wie
wir sie in der Denisova-Höhle entdeckt hatten. Umso er-
staunlicher war es, als sich schon in der 28. Probe von
insgesamt 350 die Peptidsequenz eines Hominiden nach-
weisen ließ. Der etwa sieben Zentimeter lange Knochen
zeigte zudem auffällige Schnittspuren und weitere Anzei-
chen menschlicher Bearbeitung, wie man sie bereits von
anderen Neandertalerknochen kennt. Vermutlich stammen
sie vom absichtlichen Zerteilen der Leiche; sie könnten
sogar Spuren von Kannibalismus sein. Bald darauf bestätig-
te Pääbos Team, dass es sich tatsächlich um einen Nean-
dertaler gehandelt hatte.
Das Exemplar mit der Analysennummer Vi-*28 sollte
sich als wichtiger Fund bei der chronologischen Neubewer-
tung der Höhle und der Geschichte der Neandertaler her-
ausstellen. Bis dahin legten Radiokarbondaten nahe, dass
die Frühmenschen bis vor zirka 30 000 Jahren dort lebten
und sich somit eine unerwartet lange Zeit ihren Lebens-
raum mit anatomisch modernen Menschen teilten. Diese
wanderten spätestens vor 42 000 bis 45 000 Jahren in die
Region ein. Vindija galt daher als Refugium einer der letzten
Neandertaler-Gruppen, die in der Höhle Zuflucht fanden
und dort noch erstaunlich lange überleben konnten, wäh-
rend ihre Artgenossen fast überall im restlichen Europa
längst Geschichte waren.
Diese Datierungen der menschlichen Überreste aus
Vindija sind allerdings umstritten. Archäologen und Präpa-
ratoren hatten die Knochen in der Vergangenheit mit
Konservierungsmitteln behandelt, die unter anderem Koh-
lenstoff enthielten, der in die Knochen eindrang und so
die Isotopenverhältnisse für eine Radiokarbondatierung
verfälschte. Glücklicherweise hatte man Vi-*28 irrtümlich
Um fossile Knochen mit ZooMS analysieren
zu können, schleifen die Forscher eine etwa
20 Milligramm schwere Probe ab.
Auch für die Radiokarbondatierung muss ein Teil des
Knochens zerstört werden. Von den häufig kleinen Splittern
bleibt nach ihrer Untersuchung oft nur wenig übrig.
CHRISTOFFER RUDQUIST CHRISTOFFER RUDQUIST