Spektrum der Wissenschaft - 07.2019

(Jeff_L) #1

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des Objekts zwingt sämtliche Materie im Umfeld in eine
brodelnde, rasant rotierende Scheibe. An den Polen des
Schwarzen Lochs setzt außerdem das ein, was Astrophysi-
ker einen Jet nennen – ein Strahl aus sengendem Plasma,
der Teilchen tausende Lichtjahre weit ins All schleudert.
Wie schwierig es war, dieses Inferno abzubilden, erzähl-
ten die beteiligten Wissenschaftler auf der Brüsseler Presse-
konferenz. Am Nachthimmel hat der leuchtende Kranz um
das Schwarze Loch von M87 gerade mal eine Ausdehnung
von 42 millionstel Bogensekunden. Das Vorhaben glich
damit dem Versuch, eine Orange auf dem Mond abzubilden.
Um die nötige Auflösung zu erreichen, war der Zusam-
menschluss der acht rund um den Globus verteilten Obser-
vatorien nötig. Gemeinsam bildeten die Radioteleskope ein
»virtuelles« Teleskop von der Größe der Erde. »Im Team
haben wir ein viel besseres Ergebnis erzielt, als wir es allein
je hinbekommen hätten«, sagte EHT-Forscher Anton Zen-
sus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
In einer Hinsicht blieben die präsentierten Ergebnisse
allerdings hinter den Erwartungen zurück: Eigentlich wollten
die Wissenschaftler ja nicht nur das supermassereiche
Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87 abbilden,
sondern auch das Exemplar im Herzen der Milchstraße.
Noch ist unklar, ob die Daten von 2017 dafür ausreichen.
Das ruft in Erinnerung, wie nah Erfolg und Scheitern
beim Event Horizon Telescope stets beisammenlagen. Von
Anfang an war es Wissenschaft an der Grenze des tech-
nisch Machbaren, und für die Radioastronomen war es so
etwas wie die Erstbesteigung des Mount Everest. Mehrfach
wäre das Projekt fast gescheitert. Am Ende wurde es nur
deshalb ein Erfolg, weil sich die Forscher weder von persön-
lichen Differenzen noch von politischen Turbulenzen abbrin-
gen ließen – und gemeinsam auf das Ziel hinarbeiteten.
Am Anfang dieser Geschichte steht eine Entdeckung aus
dem Jahr 1932: Techniker der berühmten Bell Telephone

in deren Herzen sich ein noch viel gewaltigeres Schwarzes
Loch versteckt halten soll.
Fünf Tage dauert die Beobachtung durch den Teleskop-
verbund, den die Wissenschaftler Event Horizon Telescope
(EHT) getauft haben. 3300 Terabyte an Daten zeichnen die
acht Observatorien in dieser Zeit auf – viel zu viel, um sie
per Internet zu übertragen. Also packen die Forscher rund
1000 Festplatten in gepolsterte Boxen und lassen sie nach
Boston und Bonn fliegen, zur Auswertung.
Zwei Jahre später, am 10. April 2019, gibt es endlich ein
Ergebnis: Auf nicht weniger als sechs Pressekonferenzen
hat das internationale Team aus gut 200 Wissenschaftlern
eine Aufnahme des EHT präsentiert. Es zeigt nur einen
verwaschenen roten Ring vor dunklem Hintergrund (siehe
Aufnahme S. 42/43). Aber die Forscher sind sich sicher:
Hier ist das Schwarze Loch im Zentrum der fernen Galaxie
M87 zu sehen – oder besser gesagt seine Umrisse.


So ikonisch wie der »Pale Blue Dot«
Für manchen Forscher ist es eine Aufnahme, die man in
eine Reihe mit dem ikonischen »Pale Blue Dot« aus dem
Jahr 1990 stellen sollte. Das Bild zeigte die Erde als winzi-
gen blauen Punkt in den Weiten des Alls, aufgenommen
von der Raumsonde Voyager 1. Schaut, wie zerbrechlich
unsere Heimat ist, schien das Foto zu sagen. Die Aufnahme
des Event Horizon Telescope hat eine ähnlich gewichtige
Botschaft. Doch statt einer Oase des Lebens zeigt sie einen
Ort größtmöglicher Vernichtung. Es ist gewissermaßen das
Gegenteil der stabilen Biosphäre, die wir auf der Erde für
selbstverständlich nehmen.
Dafür spricht jedenfalls alles, was Wissenschaftler über
Schwarze Löcher wissen. Das Exemplar im Zentrum von
M87 bringt unvorstellbare 13 000 Billionen Billionen Billio-
nen Kilogramm auf die Waage (eine Zahl mit 41 Stellen), so
viel wie 6,5 Milliarden Sonnen. Die gewaltige Schwerkraft


Auf Bildern des Hubble-Welt-
raumteleskops erscheint die 55
Millionen Lichtjahre entfernte
Galaxie M87 als diffuser Lichthof.
Wenn man genau hinsieht, kann
man den »Jet« aus heißer Mate-
rie erkennen, den das Schwarze
Loch im Zentrum tausende
Lichtjahre weit ins All feuert.


NASA, ESA, AND THE HUBBLE HERITAGE TEAM (STSCI/AURA) (HUBBLESITE.ORG/IMAGE/2391/NEWS_RELEASE/2008-30)
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