Spektrum der Wissenschaft - 07.2019

(Jeff_L) #1

vieler Astrophysiker ist damit die Generalprobe geglückt:
»Von da an war uns klar, dass die Sache machbar ist«,
erinnert sich Doeleman.
Heino Falcke, der mittlerweile an der niederländischen
Universität Nimwegen arbeitet, ist in dieser Phase nur
vereinzelt an den mühseligen Beobachtungen beteiligt. Als
theoretischer Physiker schreibt er zwar immer wieder
Veröffentlichungen zu Sagittarius A* und den Radiowellen,
die vom Umfeld Schwarzer Löcher ausgehen könnten; ein
guter Teil seiner Zeit gilt aber anderen Projekten.
Nach seinem wegweisenden Fachaufsatz aus dem Jahr
2000 hat sich Falcke mit Doeleman und anderen Forschern
über den Weg zum Event Horizon Telescope ausgetauscht.
Dabei sind Falcke und Doeleman jedoch aneinandergera-
ten – ein Konflikt, der die Geschichte des EHT prägen wird.
Falcke will eine professionell organisierte Kollaboration
nach Vorbild des Genfer Kernforschungszentrums CERN
aufziehen, mit einem klar definierten Projektplan und
festgelegten Zuständigkeiten. Doeleman hingegen möchte
die Sache eher so angehen, wie es bei Astronomen üblich
ist: in kleinen, von einem Gruppenleiter gesteuerten Teams,
die spontan auf auftretende Probleme reagieren können.
Doeleman hat früh beschlossen, seine Karriere dem
Event Horizon Telescope zu widmen, schreibt der amerika-
nische Wissenschaftsjournalist Seth Fletcher in seinem
2018 erschienenen Buch »Einstein’s Shadow«. Dass Falcke
viel Zeit für andere Projekte aufbringt und sich aus dem
Kampf mit der Technik eher heraushält, empfindet der
Amerikaner als opportunistisch. »Ich und mein Team haben
damals etwas riskiert – das ist nötig, wenn man so ein
ambitioniertes Projekt zum Erfolg führen will«, sagt Doele-
man rückblickend.
Falcke hingegen sieht in dieser Phase laut eigener Aus-
sage keine Möglichkeit, von der experimentellen Seite mehr


beizusteuern. »Ich hatte als Postdoc nicht das Geld, irgend-
wo ein Teleskop zu bauen«, sagt er. Auch habe er sich mit
anderen Projekten etablieren und Erfahrung sammeln wol-
len, beispielsweise mit dem europäischen Radiointerfero-
meter LOFAR. »Ich bin aber immer nah drangeblieben am
EHT – und ich dachte eigentlich, dass wir das am Ende
gemeinsam machen.«
Im Jahr 2009 wird der Deutsche in dieser Hinsicht ent-
täuscht: In den USA werben Doeleman und Kollegen für eine
Erwähnung in der »Astronomy and Astrophysics Decadal
Review«, einem wichtigen Strategiepapier der tonangeben-
den US-Forschungsverbände. In dem Dokument wird Falcke
jedoch nicht erwähnt, trotz gemeinsamer Vorarbeiten.
Für den Deutschen wirkt es so, als werde die Idee, die er
gemeinsam mit Doeleman entwickelt hat, ohne ihn umge-
setzt.
Wenn man den Amerikaner heute fragt, ob er Falcke
damals nicht dabeihaben wollte, schweigt er zunächst einige
Sekunden in den Telefonhörer. Dann sagt er diplomatisch:
»Es war zu dieser Zeit einfach nicht klar, was Heinos Rolle in
dem Projekt sein sollte.« Doeleman und seinen Kollegen
kommt es damals so vor, als hätten sie plötzlich viele neue
Freunde: Seit ihrer gelungenen VLBI-Beobachtung von
Sagittarius A* im Jahr 2007 wollen immer mehr Forscher an
den jährlich wiederkehrenden Messkampagnen teilnehmen.
Doeleman treibt dabei die Sorge um, die Kontrolle über
das Projekt zu verlieren – und am Ende nicht genug Anerken-
nung zu erhalten. Für Falcke ist der Widerstand gegen eine
Zusammenarbeit hingegen nur schwer nachvollziehbar. 2011
habe er einen großen niederländischen Forschungspreis
erhalten und angeboten, von dem Geld Equipment zu kau-
fen, erinnert er sich. Doch sein amerikanischer Kollege habe
davon nichts wissen wollen.
Letztlich wird es auch Geldnot sein, welche die Wissen-
schaftler zusammenbringt. Erst aber gelangt Falcke in eine
bessere Verhandlungsposition: Gemeinsam mit seinem
einstigen Mitdoktoranden Michael Kramer, mittlerweile
Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie, und
dem Gravitationstheoretiker Luciano Rezzolla von der
Goethe-Universität Frankfurt bewirbt er sich für eine beson-
dere Form der Förderung durch die Europäische Union.

Plötzlich wetteifern zwei Initiativen um das erste Bild
eines Schwarzes Lochs
Für diesen »ERC Synergy Grant« gehen im Jahr 2013 statt-
liche 449 Bewerbungen ein. Am Ende erhalten nur 13 den
Zuschlag, darunter das Projekt von Falcke, Kramer und
Rezzolla. Ihre »Black Hole Cam« wird von der EU mit 14 Mil-
lionen Euro gefördert. Das Ziel liegt dabei sehr nah an dem
des Event Horizon Telescope: Man will ebenfalls das galakti-
sche Zentrum studieren, das Schwarze Loch dort fotogra-
fieren und unter anderem nach Neutronensternen suchen,
die in der turbulenten Region umherdriften müssten.
Nun gibt es plötzlich zwei Initiativen, die ein Schwarzes
Loch ablichten wollen. Zunächst hegen die europäischen
Forscher den Gedanken, eigenständig auf dieses Ziel hinzu-
arbeiten. Schnell erkennen sie jedoch, dass sie die besten
Erfolgsaussichten haben, wenn sie mit ihren Kollegen auf
der anderen Seite des Atlantiks zusammenarbeiten. Dennoch

Von oben betrachtet hat die
Akkretionsscheibe (orange-gelb)
eines Schwarzen Lochs (grau) die
Form einer Schallplatte (oben). Von der
Seite ergibt sich ein anderes Bild: Selbst der
Teil der Scheibe, der hinter dem Schwarzen
Loch liegt, ist in diesem Fall zu sehen (unten).
Das Ergebnis ähnelt der Darstellung, die
aus dem Kinofilm »Interstellar« bekannt ist.


T. MÜLLER, M. PÖSSEL, MPI FÜR ASTRONOMIE & L.R. WEIH, L. REZZOLLA, ITP GOETHE UNIVERSITÄT FRANKFURT; MIT FRDL. GEN. VON L. REZZOLLA
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