Spektrum der Wissenschaft - 07.2019

(Jeff_L) #1
Rossby-Wellen in der Atmosphäre erstrecken sich über
Hunderte von Kilometern und bewegen sich auf der
Nordhalbkugel von West nach Ost. Im Sommer, wenn der
Temperaturunterschied zwischen den Luftmassen ab-
nimmt, beschreiben sie stärkere Kurven und rücken langsa-
mer vor. Damit bewegen sich auch die Windungen des
Jetstreams langsamer vom Fleck.
Diese Biegungen erzeugen lokale Wettersysteme,
die sich mit dem Strom nach Osten bewegen. Auf Wetter-
karten erscheinen sie als große Hoch- und Tiefdruck-
gebiete. Ein Hochdruckgebiet, das sich unterhalb einer
nördlichen Ausbuchtung (eines so genannten Höhen-
rückens) befindet, dreht sich im Uhrzeigersinn und bringt
im Sommer trockenes, heißes Wetter mit. Für nasses,
kühles Wetter sorgen die Tiefdruckgebiete, die sich ober-
halb der südlichen Ausbuchtungen (der so genannten
Höhentröge) befinden und sich gegen den Uhrzeigersinn
drehen. Ist der Jetstream zu schwach, um sich weiterzube-
wegen, kommt die s-förmige Rossby-Welle zum Stillstand
und rückt nicht weiter nach Osten vor – eine stehende
Welle bildet sich aus. In der Folge drehen sich die Hoch-
und Tiefdrucksysteme im Kreis und heizen die unter ihnen
liegende Erde immer mehr auf oder traktieren sie mit
heftigen Regenschauern und Überschwemmungen. Das
geschah beispielsweise, als Hurrikan Harvey und Hurrikan
Florence über die USA fegten.

Die Atmosphäre kann die Ausschläge des Jetstreams
wie ein Wellenleiter verstärken
Wirklich extremes Wetter entsteht, wenn die Kurven der
Rossby-Wellen und damit der Jetstream in hohem Maße
verstärkt werden. Je höher die Rücken und je tiefer die
Tröge, desto ausgeprägter sind die Hoch- und Tiefdruck-
systeme. In diesem stehenden Wellenmuster kommt das
Hochdrucksystem zum Stillstand (manchmal auch blockie-
rende Wetterlage genannt). Genau solch ein Effekt verur-
sachte im Juli 2018 eine Hitzewelle im Südwesten der USA
und gleichzeitig Überschwemmungen im Nordosten, vor
allem in Pennsylvania und Maryland. Ein weiteres klassi-
sches Beispiel für so ein stehendes Wellenmuster war das
Hoch über Russland im Juli 2010, das Rekordhitze, Trocken-
heit und Waldbrände mit sich brachte, während verheeren-
de Überschwemmungen Teile Pakistans heimsuchten.
Gewöhnliche Rossby-Wellen können sich nur so weit
nach Norden und Süden ausdehnen, wie es ihre Energie
erlaubt. Unter bestimmten Bedingungen kann die Atmo-
sphäre sie jedoch wie ein Wellenleiter verstärken. Diesen
kann man sich wie zwei Linien vorstellen, die den Jetstream
im Norden und Süden begrenzen. Eine Rossby-Welle
schlängelt sich nun innerhalb der dadurch gegebenen
Grenzen vorwärts und verliert dabei nur wenig Energie.
Diese Schranken halten auch den mäandernden Jetstream
mit seinen starken Hoch- und Tiefdrucksystemen gefangen.
Im Alltag begegnet man Wellenleitern etwa in Form des
Koaxialkabels am Fernseher. Die elektromagnetischen
Wellen, die das Fernsehsignal übertragen, sind weitestge-
hend innerhalb des Kabels gefangen. So geht lediglich ein
kleiner Teil der Energie des Signals verloren, und wir sehen
gestochen scharfe Bilder.

Stürme und Ernteausfälle bedrohen dann zunehmend die
menschliche Gesundheit und Sicherheit.
Diese Schlüsse ziehen wir mit Hilfe von Wellenmathema-
tik und Quantenmechanik. Sie beschreiben das Verhalten
winziger Teilchen wie Elektronen und helfen seltsamerwei-
se auch, Phänomene unserer Atmosphäre zu erklären, die
auf einer ganz anderen Größenskala ablaufen. Alles deutet
darauf hin, dass ein merkwürdiges Zusammenspiel von
Treibhausgasemissionen und Schwefeldioxidbelastung der
Luft bestimmt, wie sich der Trend zu extremen Unwettern
künftig entwickeln wird. Und dieses Zusammenspiel wirft
die Frage auf, ob wir durch die Senkung der CO 2 -Emissio-
nen vielleicht verhindern könnten, dass der Jetstream
Chaos und Verwüstung anrichtet.
Der Jetstream entsteht dort, wo sich warme Luft aus
den Subtropen nach Norden bewegt und auf kalte Luft aus
der Polarregion trifft. Er bläst in der Tropopause, der Schicht
zwischen der Troposphäre (der untersten Schicht der
Atmosphäre, in der sich das Wetter abspielt) und der Stra-
tosphäre (der nächsthöheren Schicht, in der Flugzeuge
fliegen).
Je größer der Temperaturunterschied beim Zusammen-
treffen von subtropischer und polarer Luft ist, desto stärker
wird der Jetstream. Weil die Differenz im Sommer geringer
ist als im Winter, weht der Strom dann schwächer und
neigt eher dazu, ausgedehnte Nord-Süd-Kurven zu be-
schreiben.
Der Jetstream selbst wird von einer Reihe riesiger Wel-
len beeinflusst, die durch die Atmosphäre wabern. Diese
so genannten Rossby-Wellen sind nach dem schwedisch-
amerikanischen Meteorologen Carl-Gustaf Rossby benannt,
der erstmals in den 1930er Jahren die Physik großräumiger
atmosphärischer Bewegungen erklärte. Sie entstehen
natürlicherweise, wenn sich ein Körper wie die Erde in
einem Fluid (einem flüssigen oder gasförmigen Medium)
dreht – in diesem Fall Luft. Auch in Ozeanen treten solche
Wellen auf.

AUF EINEN BLICK
JETSTREAM IN RESONANZ

1


Wenn das weltumspannende Starkwindband ausge-
prägte Kurven nach Norden und Süden beschreibt,
verursacht das Hitzewellen oder heftige Regenfälle.
Manchmal können sie tagelang andauern.

2


Quantenmechanische Modelle erklären, wie ein Reso-
nanzmechanismus in der Atmosphäre die Ausschläge
des Jetstreams verstärken kann. Außergewöhnliche
Wetterereignisse werden dann noch folgenreicher.

3


Bis etwa 2050 dürfte sich der Trend laut Prognosen
abflachen. Doch von da an werden die Wetterextreme
um ein Vielfaches häufiger und gravierender, sollte der
weltweite CO 2 -Ausstoß nicht rasch gesenkt werden.
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