Produkt, das sinnvoll gehandelt werden kann, und ist nicht
nur ein Kostenfaktor.
Bringt uns das Portfolio potenzieller Techniken zusam-
men mit Steueranreizen und Marktmechanismen zum Ziel
von einer Billion Tonnen bis 2100? Der extrem trockene
Sommer 2018 könnte aufgerüttelt haben. Auf vier Kontinen-
ten erlebten die Menschen Hitze und Dürre. Der US-ameri-
kanische Westen stand in Flammen. In Japan kamen inner-
halb einer Woche Tausende von Hitzschlagopfern ins
Krankenhaus. In Deutschland kürte die Gesellschaft für
deutsche Sprache »Heißzeit« zum Wort des Jahres. Klima-
wissenschaftler warnten vor einem unkontrollierbaren
»Treibhaus Erde«, so etwa Hans Joachim Schellnhuber,
emeritierter Direktor des deutschen Potsdam-Instituts für
Klimafolgenforschung. Er umriss vor Reportern das Szena-
rio einer Welt, die nur noch Lebensraum für eine Milliarde
statt heute 7,5 Milliarden Menschen bieten könnte.
Politische Entscheidungsträger scheinen dem Klimawan-
del trotz überwältigender Beweise immer noch unent-
schlossen gegenüberzustehen. Das Beunruhigende an
CO 2 -Speichertechnologien ist, dass hier selbst für die
Wissenschaftler vieles ungewiss ist. Zum Kohlenstoff in
Böden meint die Ökologin Stephanie Roe von der University
of Virginia etwa: »Wir diskutieren verschiedene Substrate
und dass es darauf ankommt, in welchem Teil der Welt man
sich befindet, wie die Niederschläge dort aussehen und
welche Temperaturen herrschen.« Forscher streiten sogar
darüber, ob sich irgendeine der Methoden zur Entfernung
von Kohlenstoff, geschweige denn alle, überhaupt bis zu
Milliarden Tonnen jährlich hochskalieren lässt. »Vielleicht
dreht sich in der Debatte zu viel um die mögliche Dimensi-
on«, kommentiert Brendan Jordan vom Great Plains Insti-
tute in Minneapolis. »Ich fürchte, das lähmt uns, und das
können wir uns nicht leisten.« Wir müssen auf negative
Emissionen setzen, trotz aller Unsicherheiten. Denn diese
sind winzig im Vergleich zur Ohnmacht in einer Welt, auf
der das Klima mit uns »Reise nach Jerusalem« spielt und
auf der es, sobald die Musik zu spielen aufhört, für Milliar-
den Menschen keinen Platz mehr gibt, sich hinzusetzen.
QUELLEN
Fuss, S. et al.: Negative emissions – Part 2: Costs, potentials
and side effects. Environmental Research Letters 13, 2018
Griscom, B. W. et al.: Natural climate solutions. PNAS 114, 2017
Mulligan, J. et al.: Technological carbon removal in the United
States. World Resources Institute, 2018
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Spektrum.de
Lesen Sie über erschöpfte Erdgas-
felder als CO 2 -Endlager unter
spektrum.de/artikel/1644768
MUTLU KURTBAS / GETTY IMAGES / ISTOCK
von kurzer Dauer, sondern hätte unabsehbare Auswirkun-
gen auf die Ökosysteme. Es sei daher »keine praktikable
Strategie für negative Emissionen«, schreibt das Team
um Fuss.
Was bleibt unter dem Strich? Die Spanne der aufsum-
mierten Effekte liegt zwischen 150 Milliarden und etwas
mehr als eine Billion Tonnen bis 2100. Der letzte Wert mag
Hoffnungen wecken, aber wir dürfen die Zahlen wegen der
konkurrierenden Ressourcen nicht einfach addieren. Fuss
zufolge können wir bestenfalls das Portfolio optimieren und
vorteilhafte Überschneidungen nutzen. So wäre beispiels-
weise die beschleunigte chemische Verwitterung auf den
gleichen Flächen möglich, auf denen Biomasse für BECCS
angebaut wird.
Jedenfalls erfordern alle Ansätze massive Investitionen
in Forschung und Entwicklung. »Das wird ein langer, harter
Kampf«, meint Roger Aines. Die Regierungen zögern bei
konkreten Finanzierungsentscheidungen, auch weil sie
unsicher sind, auf wen sie setzen sollen, und weil einige
frühere Investitionen bereits zu berüchtigten Misserfolgen
geführt haben. Das US-Energieministerium hat etwa riesige
Summen für Projekte ausgegeben, die auf »saubere Kohle«
durch Abscheidung der Verbrennungsprodukte bei der
Stromerzeugung abzielten. Doch das Energieunternehmen
Southern Company beendete seine 7,5 Milliarden Dollar
teuren Versuche 2017 und stellte das entsprechende Kohle-
kraftwerk in Kemper County in Mississippi auf Erdgas um.
Eine CO 2 -Steuer böte einen Ausweg aus der Verlegen-
heit, vorzeitig gewissermaßen die Gewinner des Technik-
wettrennens zu küren. Sie würde jede Emission von Kohlen-
dioxid direkt mit Kosten belegen. Der Gedanke dahinter ist,
einen Markt dafür zu schaffen, sowohl jetzt den Ausstoß zu
reduzieren als auch einmal in die Atmosphäre gebrachtes
CO 2 später zurückzugewinnen. Mehrere Staaten haben so
ein System bereits eingeführt, meist im Bereich von 20 Euro
pro Tonne. In den Volkswirtschaften, die stark von fossilen
Brennstoffen abhängen, schrecken die Regierungen vor
einer drastischen Besteuerung jedoch oft zurück.
Bis auf wenige Ausnahmen zögern die Unternehmen
außerdem, in Speichertechnologien zu investieren, da sie
bis vor Kurzem keinen Markt dafür sahen. Schließlich ist die
Klimarettung ein öffentlicher Nutzen, mit dem man keinen
Gewinn erzielen kann. Aber das könnte sich ändern. So hat
das US-Repräsentantenhaus Anfang 2018 ein überraschend
überparteiliches Paket von Steueranreizen verabschiedet.
Unternehmen sollen Vergünstigungen für die Abscheidung
von Kohlendioxid, die Lagerung unter Tage – bis zu 50
US-Dollar pro Tonne – und für verschiedene Formen der
Nutzung von CO 2 erhalten. Darunter ist das umstrittenste
Einsatzgebiet die »tertiäre Ölgewinnung«. Hier kauft eine
Ölgesellschaft Kohlendioxid, transportiert es per Pipeline
und presst es in eigentlich erschöpfte Quellen. Das setzt
wiederum Ölreste frei, die sich mit herkömmlichen Mitteln
nicht mehr fördern ließen. Die Gewinnung fossiler Brenn-
stoffe als Folge des Kampfs gegen den Klimawandel klingt
widersinnig und hat das Steuerprogramm bei Kritikern als
eine versteckte Subvention fossiler Brennstoffe in Verruf
gebracht. Doch einige Umweltschützer begrüßen den
Perspektivenwechsel: Kohlendioxid wird so zu einem