Spektrum der Wissenschaft - 08.2019

(Ron) #1
GRAVITATION: PIETROPAZZI / GETTY IMAGES / ISTOCK; QUANTENPHYSIK: KAMURAN AĞBABA / GETTY IMAGES / ISTOCK; SCHWARZES LOCH : SCYTHER5 / GETTY IMAGES / ISTOCK; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT

lichkeiten auf, die man nicht loswird. Begriffe wie Zeit oder
Kausalität sind dadurch kaum zu verstehen oder lassen sich
im schlimmsten Fall überhaupt nicht mehr definieren.
Doch die Wissenschaftler gaben nicht auf. In den folgen-
den Jahren entwickelten sie exotischere Ansätze wie die
»Schleifenquantengravitation« oder die »Stringtheorie«.
Allerdings konnte man bisher für keine dieser spekulativen
Theorien zeigen, dass sie die uns bekannten physikalischen
Gesetzmäßigkeiten vorhersagen, was eine unerlässliche
Bedingung an sie ist.
Die Stringtheorie ist mit ihrem etwa 40-jährigen Beste-
hen die am intensivsten untersuchte Möglichkeit, die
Schwerkraft mit der Quantenphysik zu verbinden. String-
theoretiker gehen davon aus, dass Schwingungen winziger
Fäden (»Strings«) die uns bekannten Elementarteilchen und
fundamentalen Kräfte erzeugen. Insgesamt hat diese
Theorie kaum noch etwas mit der kanonischen Quantisie-
rung gemeinsam, wodurch sie das Problem der vielen
Unendlichkeiten umgeht. Der Preis dafür ist jedoch hoch:
Die Stringtheorie ist derart komplex, dass ihre mathemati-
sche Definition bisher vollständig fehlt. Das heißt, die

Dennoch haben die größten offenen Fragen der Physik
genau mit diesen seltenen Fällen zu tun. Was passierte zum
Beispiel zu Zeiten des Urknalls, als die Elementarteilchen
auf kleinstem Raum miteinander wechselwirkten? Oder
was geschieht im Inneren Schwarzer Löcher, welche die
Raumzeit so stark verzerren, dass ihnen selbst Licht nicht
entkommen kann? Tatsächlich wissen wir es nicht – und
zwar nicht, weil die Berechnungen zu kompliziert sind,
sondern weil uns der gesamte theoretische Rahmen fehlt.


Häppchenweise Schwerkraft
Der allgemeinen Relativitätstheorie zufolge entstehen
sowohl beim Urknall als auch im Inneren Schwarzer Löcher
unendliche physikalische Größen. Das ist ein klares Signal
dafür, dass die Theorie allein nicht ausreicht, um solche
Situationen zu beschreiben. Offenbar muss man hier quan-
tenphysikalische Effekte miteinbeziehen, die diese Unend-
lichkeiten zähmen (siehe Spektrum Februar 2019, S. 12).
Daher versuchten die US-Amerikaner John Wheeler und
Bryce DeWitt bereits 1967 die allgemeine Relativitätstheorie
mit der Quantenphysik zu vereinen. Dabei gingen sie ge-
nauso vor wie Paul Dirac, der 1927 die Quantenelektrodyna-
mik aus dem klassischen Elektromagnetismus herleitete:
Sie nutzten die Methode der »kanonischen Quantisierung«
(siehe »Kurz erklärt«, rechts). Während der Ansatz auch für
die starke und die schwache Kernkraft funktioniert und
schließlich zum Standardmodell der Teilchenphysik geführt
hat, entstehen bei der Schwerkraft unüberwindbar wirken-
de Schwierigkeiten. Insbesondere tauchen weitere Unend-


In der Kosmologie (links) nutzen
Physiker meist die Relativitätstheorie,
während sie bei kleinen Skalen (oben
rechts) auf die Quanten physik zurück-
greifen. Manche Probleme erfordern
aber eine Kombination beider Theorien
(unten).


Quantenphysik
Standardmodell
der Teilchenphysik

Gravitation
Allgemeine
Relativitätstheorie

Schwarzes Loch
Kombinierte Theorie

Elektron
Proton

Neutron
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