Spektrum der Wissenschaft - 08.2019

(Ron) #1

und Kari Cooper von der University of California in Davis
eine überraschende Entdeckung, die viele Fachleute um-
denken ließ. Demnach könnten manche Vulkane von ver-
gleichsweise kühler Natur sein.
Kent und Cooper untersuchten winzige Kristalle aus
Ablagerungen des Vulkans Mount Hood in Oregon. Bevor
diese Strukturen an die Erdoberfläche gelangten, waren sie
in der darunterliegenden Magmakammer herangewachsen.
Dabei hatte sich eine Schicht nach der anderen gebildet,
ähnlich wie bei Baumringen. Die einzelnen Lagen dokumen-
tieren die Entwicklung des Magmas, etwa Veränderungen
der chemischen Zusammensetzung, des Drucks und der
Temperatur. Aus den Kristallen von Mount Hood war abzu-
lesen, dass die Temperatur des Magmas fast die gesamte
Zeit über zu niedrig für eine Eruption gewesen war. Es
handelte sich dabei nicht wirklich um eine Flüssigkeit,
sondern eher um einen Brei: ein schwammartiges Netz aus
Kristallen mit Gesteinsschmelze in den dazwischenliegen-
den Poren.
Es sieht ganz so aus, als ob das auch bei anderen Vulka-
nen der Fall sein könnte: 2017 führten Cooper und ihre
Kollegen die gleiche Analyse an Kristallen aus der Vulkan-
zone von Taupo im Zentrum der neuseeländischen Nord-
insel durch, wo mehrere Supervulkanausbrüche stattgefun-


den haben. Dort hatten die Kristalle ebenfalls den größten
Teil der Zeit in eher kaltem, festem Magma gelegen, wie
die Wissenschaftler herausfanden. Ende 2017 schließlich
ana lysierte Singer mit seinem Team die vulkanischen Abla-
gerungen der Supereruption im Long Valley in Kalifornien
und kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Und auch die Mag-
makammer von Yellowstone enthält einen relativ kühlen
Kristallbrei.
Obwohl Kent und Cooper Hinweise auf etwas höhere
Temperaturen des Magmas in ein paar älteren Vulkangebie-
ten in Nord- und Südamerika fanden, scheinen Supervulka-
ne bis kurz vor ihrer Eruption im Allgemeinen eher niedrige-
re Temperaturen zu besitzen. Wie Coopers Arbeiten in
Taupo ergaben, verflüssigten sich die dortigen Systeme erst
40 Jahre vor dem Ausbruch. Im Long Valley fand die Mobili-
sierung binnen Jahrzehnten bis einigen Jahrhunderten statt,
beim Yellowstone-Vulkan dauerte sie ebenfalls nur Jahr-
zehnte. Cooper meint, das seien eher konservative Schät-
zungen, und so könnten sich die Systeme sogar innerhalb
nur weniger Jahre verflüssigt haben.
Zurück zur Laguna del Maule: Bei der dortigen gewalti-
gen Magmaansammlung dürfte es sich ebenso um einen
Kristallbrei handeln. Singer und seine Kollegen meinen, das
System bestünde zu 95 Prozent aus Kristallen und nur zu
5 Prozent aus flüssiger Schmelze. Der Brei ist mit rund 800
Grad Celsius auch nicht besonders heiß. Zum Vergleich: Die
Lavamassen, die im Sommer 2018 die Hänge des Kilauea
auf Hawaii hinabflossen, hatten eine Temperatur von etwa
1200 Grad Celsius. Offenbar können die kaltherzigen Feuer-
riesen also im Nu erwachen. Der Geologe Nathan Andersen
von der University of Oregon stellte bei der Analyse der
kleinen Kristalle aus den jüngsten Lavaströmen der Laguna
del Maule fest, dass sie sich nur 10 bis 100 Jahre lang in
flüssigem Magma befunden hatten.

Flüssiges Magma oder heiße Bläschen könnten die
Gesteinsmassen rasch schmelzen
Hier stellt sich allerdings die Frage, wie diese erstarrten
Systeme so rasch schmelzen und in Bewegung geraten
können. Im Yellowstone-Gebiet fand die letzte große Super-
eruption statt, als flüssiges Magma durch das Erdinnere
aufstieg und auf ein höher gelegenes, verfestigtes Reservoir
traf, erklärt die Geologin Christy Till von der Arizona State
University. Sie kann die damaligen Vorgänge nur in groben
Zügen umreißen, schließlich war noch niemand mit Mess-
geräten vor Ort. Doch die vulkanischen Ablagerungen
lassen erkennen, dass sich die emporquellende Flüssigkeit
mit den schmelzenden Kristallen vermischte. Das heizte die
gesamte Magmakammer auf, und der Druck erhöhte sich
durch die hinzukommende Flüssigkeit so lange, bis diese
explosionsartig in die Luft geschleudert wurde.
In Chile wiederum kann sich auch etwas völlig anderes
abspielen. »Es gibt kein allgemein gültiges, für alle Super-
vulkane zutreffendes Modell«, bemerkt Till. Yellowstone
etwa sitzt, anders als die Laguna del Maule und das Long
Valley, auf einem heißen Diapir. An solchen Stellen taucht
eine Erdkrustenplatte unter eine angrenzende, wobei Ge-
stein schmilzt und sich in Magma verwandelt. Der Auslöser
einer Eruption ist dann ein anderer, sagt Andersen. Es wird

Kurz erklärt


Das vulkanische Gestein Rhyolith besteht zu
einem Großteil aus Silikaten und entspricht che-
misch und mineralogisch dem Granit. Bei seiner
Entstehung bilden sich zunächst durch langsames
Erkalten von Magma im Erdinnern große Kristalle.
Steigt die Masse anschließend schnell auf, kühlt
sie rasch ab, und es entsteht eine Struktur aus
kleinen Kristallen, in der die großen eingeschlos-
sen sind. Rhyolith ist meist grau, hellgrün oder
hellrot und wird unter anderem für Pflastersteine
oder als Füllmaterial verwendet. In Deutschland
findet man es in vielen Mittelgebirgen, zum Bei-
spiel im Harz, Odenwald oder Thüringer Wald.

Als Diapir oder auch Manteldiapir bezeichnet man
einen Strom heißen Materials, das aus dem Erd-
mantel aufsteigt. Stößt der Strom auf die feste
Gesteinsschicht der Lithosphäre, wird er gebremst
und breitet sich pilzförmig nach den Seiten aus.
Die heiße Masse schmilzt das darüberliegende
Gestein, und es bildet sich flüssiges Magma, das
durch einen Vulkanausbruch an die Oberfläche
gelangen kann. Mit der Zeit entsteht wie am
Fließband eine Kette von Vulkanen, da sich die
tektonische Platte langsam über den ortsfesten
Diapir hinwegschiebt. Ein prominentes Beispiel für
diesen Hotspot-Vulkanismus ist die Vulkankette
von Hawaii.
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