Chloroplasten zu erzeugen. Sie zermahlen Spinat in einem
Mixgerät und fügen die dabei gewonnene Fotosynthese-
Maschinerie ihrem Enzymsystem hinzu. Es entsteht ein
molekularer Apparat, der ATP synthetisiert und CO 2 in
Malat umwandelt, sobald er mit UV-Licht bestrahlt wird.
In Reaktionsgefäßen, wie die Forscher sie bislang nut-
zen, mag das alles eine Zeit lang gut gehen, sagt Erb, doch
das Ziel sei letztlich, dass die einzelnen Reaktionsschritte in
einer von Lipidmembranen kompartimentierten Umgebung
ablaufen – etwa wie im Chloroplasten einer Pflanze. Um
dieses Ziel zu erreichen, arbeitet er mit Kollegen wie Kate
Adamala zusammen, die sich mit komplexen Reaktionsräu-
men befassen. Adamala und ihre Mitarbeiter an der Univer-
sity of Minnesota in Minneapolis versuchen, programmier-
bare Bioreaktoren zu konstruieren. Hierfür schleusen sie
genetisches Material in Liposomen ein und verschmelzen
diese dann, um kompliziertere Gebilde hervorzubringen, die
bestimmte Proteine herstellen. Dabei nutzen sie einmal
mehr die neuen Mikrofluidik-Techniken, erzeugen aber
kleinere Liposomen. Denen fügen sie ringförmige DNA-
Moleküle (»Plasmide«) mit den jeweils gewünschten Genen
hinzu sowie den zellulären Apparat, der daraus Proteine
macht. Mit diesem Ansatz haben sie beispielsweise mikros-
kopische Bioreaktoren entwickelt, die antibiotische Subs-
tanzen in ihrer Umgebung registrieren und darauf mit
einem Biolumineszenz-Signal reagieren.
Indem sie einfache Bioreaktoren miteinander fusionieren,
stellen die Forscher um Adamala auch komplexere Systeme
her. Allerdings beginnen diese zu versagen, sobald sie aus
etwa zehn oder mehr Komponenten hervorgegangen sind,
was die Wissenschaftler vor große Probleme stellt. In einer
natürlichen Zelle werden Proteine, die sich in ihren Aktivitä-
ten gegenseitig beeinflussen können, mittels verschiedener
Mechanismen voneinander getrennt gehalten. Bei den viel
einfacher aufgebauten synthetischen Strukturen müssen
die Biologen andere Lösungen dafür finden. Beispielsweise
könnte der Experimentator vorgeben, welche Liposomen
miteinander fusionieren und wann. Eine andere Möglichkeit
sind chemische Markierungen (»Tags«), die das Verschmel-
zen der Liposomen steuern.
In jedem Fall benötigt eine eigenständige synthetische
Zelle eine »Betriebssoftware«: Damit sie die vorgesehenen
Funktionen erfüllen und sich selbst vervielfältigen kann,
muss sie Informationen speichern und wieder abrufen
können. In natürlichen Organismen geschieht dies mit Hilfe
von Genen auf Nukleinsäuren, wobei deren Anzahl von
einigen Hundert bei Mikroorganismen bis hin zu Zehntau-
senden etwa beim Menschen reicht. Wie viele Gene eine
synthetische Zelle braucht, um selbstständig existieren zu
können, ist sehr umstritten. Schwille und andere gehen von
einigen Dutzend aus, während Adamala zu jenen gehört,
die eher 200 bis 300 für wahrscheinlich halten.
Protozellen vom Fließband
Winzige Injektionssysteme erlauben
es den Wissenschaftlern, Liposo-
men mit Eiweißen zu bestücken.
Zunächst werden die Lipidbläschen
mit einer Polymerschicht stabilisiert
und dann durch den Kanal eines
Mikrofluidik-Chips gepresst. Sobald
sie die Injektionsstelle passieren,
erhalten sie einen elektrischen
Impuls und nehmen infolgedessen
Proteine auf, die seitlich zuströmen.
Je nach Versuchsbedingungen
gelangen die Eiweiße dabei entwe-
der ins Innere der Liposomen oder
setzen sich in deren Lipidmembran.
NATURE, NACH WEISS, M. ET AL.: SEQUENTIAL BOTTOM-UP ASSEMBLY OF MECHANICALLY STABILIZED SYNTHETIC CELLS BY MICROFLUIDICS. NATURE MATERIALS 17, 2018, FIG. 2; POWELL, K.: HOW BIOLOGISTS ARE CREATING LIFE-LIKE CELLS FROM SCRATCH. NATURE 563, 2018
Masseelektrode Elektrode
Liposom
in Lipidmembran
eingebaute
Proteine
Polymerschicht Lipidmembran Lipid-Protein-Gemisch
Injektionsstelle
50 Mikrometer
Kanal des Mikrofluidik-Chips