Focus - 24.08.2019

(Brent) #1
LEBEN

Fotos: ddpimages (1), dpa (1), REUTERS (1)

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E


r surrt und surrt und surrt, der
ID. Buggy, das wohl spektaku-
lärste Konzept-Auto der rein
elektrischen ID.-Familie aus
dem Hause Volkswagen. Der
puristische Zweisitzer ist für
die einen die moderne Inter-
pretation der Dune-Buggy-Ikone aus den
1960er-Jahren. Für die anderen, etwa für
den verantwortlichen Volkswagen-Chef-
Designer Klaus Bischoff, ist er das Fun-
Mobil der Zukunft, „ein
retrofreies Zero-Emis-
sion-Hightech-Vehicle
für den Sommer, den
Strand und auch für
die Stadt“.
Dennoch stimmt der
Elektro-Buggy unwei-
gerlich nostalgisch.
Sein Vorläufer, der
Strand-Buggy aus den
Sechzigern, entstamm-
te der Automobilfami-
lie VW Käfer, deren
Nachkomme, der VW
Beetle, im Juli zum
letzten Mal vom Band
lief.
Nun also tourt der
entfernte Verwandte,
das knallgrün und
mattgraue Elektroauto, um die Welt. Die
Premiere fand auf dem Genfer Automo-
bilsalon statt, dann sollten sich die Ame-
rikaner auf der New York Auto Show
für den Strom-Buggy begeistern, beim
vornehmen Concours d’Élégance, dem
bedeutenden automobilen Schönheits-
wettbewerb von Paris-Chantilly, gewann
der ID. Buggy den prestigeträchtigen
Publikumspreis. Und beim legendären
Concept Car Green im kalifornischen

Pebble Beach gab es angeblich reihen-
weise spontane Kaufangebote. Vergeb-
lich, die vermögenden Auto-Aficionados
und auch alle anderen Strand-Buggy-
Fans müssen noch bis 2022 warten. Dann
soll das Spaßmobil mit Straßenzulassung
auf den Markt kommen.
Gebaut wird es wohl auch im VW-Werk
in Zwickau, wo bereits die Produktion für
den ID.3, das erste Batterie-Elektroauto
auf MEB-Basis (Modularer E-Antriebs-

Baukasten), anläuft. In Deutschland
kann man den vorerst „Frosch“ genann-
ten Buggy am 12. September bei der
Eröffnung der Internationalen Auto-
mobilausstellung in Frankfurt am Main
begutachten.
Schon der Ur-Buggy, bunt glitzernd
wie Autoscooter auf dem Rummel, war
hip. Auch der legendäre Playboy Gun-
ter Sachs fuhr mit seiner ausgelassenen
Party-Clique im grünen Modell über

den Sylter Strand. Dabei gehörten die
schicken Flitzer zur wenig glamourösen
Gattung der Käfer. Sie hatten seinen
Heckmotor, einen luftgekühlten 4-Zylin-
der-Boxer mit mindestens 22, manchmal
aber auch mehr als 100 PS. Den ersten
Strand-Buggy auf Käfer-Basis mendel-
te der Ingenieur, Künstler und Surfer
Bruce Meyers aus Fountain Valley in
Kalifornien zurecht. Der „Meyers Manx“
genannte Klon gewann die seinerzeit
wildeste Rallye, die
Mexican 1000.
Der Urahn, der le-
gendäre Käfer, war
ebenfalls bei Rallyes
erfolgreich. Beispiels-
weise bei der Mille
Miglia, die alljährlich
über mehr als 1600 Ki-
lometer vom italieni-
schen Brescia nach Rom
und wieder zurück
führt. Ein resedagrü-
ner Käfer, Baujahr
1951, holte hier 1954
den Klassensieg. Im
Cockpit saßen zwei
schnelle Schwaben,
Paul Ernst Strähle und
Viktor Spingler, die
ihren sportiven Käfer
liebevoll „Dapferle“ nannten. Ganz Ita-
lien war begeistert von der Leistung der
Bella Macchina aus Deutschland.
In diesem Jahr durfte ich die Mille
Miglia mit dem Strähle-Käfer fahren,
gegen rund 430 Konkurrenten. Selbst
Größen wie den früheren Formel-1-Pilo-
ten Jochen Mass in einem 105 PS starken
Mercedes 190 SL haben wir gleich nach
ein paar Kurven überholt. Ein zunächst
härterer Gegner war ein Lady-Team mit

Der Käfer wird längst nicht mehr gebaut,


und auch die Produktion seines Nachfolgers,


des Beetle, hat VW gerade aufgegeben.


Immerhin taucht ein entfernter Verwandter auf:


Der ID. Buggy orientiert sich am legendären


Strandvehikel auf Käfer-Basis


Die Entstehung der Arten


Das große Krabbeln: eine kurze


Kulturgeschichte des Käfers


1953 Die Firma Rometsch in Berlin-
Halensee baute diesen 4-Türer-Käfer. In
den 1950er-Jahren fuhr der um 27 Zenti-
meter verlängerte VW als Taxi durch Berlin

1955 Goldstück im Wirtschaftswunder-
Land. Am 5. August läuft in
Wolfsburg der einmillionste
Käfer vom Band

1969 Der schmiedeeiserne Hochzeits-
Käfer wurde insgesamt sechsmal in
Mexiko von Hand gefertigt und war ein
beliebtes Mietobjekt
1949 Das bei Karmann in Osnabrück
entwickelte Käfer-Cabriolet leistete
zunächst 25 PS

1938 Käfer-Parade vor dem
Brandenburger Tor in Berlin mit den
ersten Vorserienmodellen VW38,
auch schon mit Stoff-Faltdach
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