Focus - 24.08.2019

(Brent) #1
AUTO

FOCUS 35/2019 107


190 PS im Jaguar XK 140 von 1954. Das
relativ große Holzlenkrad steuerte Renn-
fahrerin Claudia Hürtgen, als Co-Pilotin
kam Gaby von Oppenheim zum Einsatz.
Warum unser Käfer mit den stärkeren
Boliden mithalten konnte, ja ihnen sogar
überlegen war? Ich würde gerne sagen,
es lag an den Fahrern, aber tatsächlich
haben wir unseren Erfolg wohl eher dem
verwandten Porsche 356 zu verdanken.
Die beiden hatten das gleiche VW-Motor-
gehäuse, und so durf-
te man nach dem Mil-
le-Miglia-Reglement
auch das Innenleben
tauschen. Der Strähle-
Käfer bringt es in der
Porsche-Version statt
der serienmäßigen 25
auf rund 60 PS. Und
weil er so leicht ist, wird
er zu einem echten
Spaßmobil und damit
zum würdigen Vorfahr
des neuen Froschs.
Neben Buggy- und
Rennsport-Ingenieuren
inspirierte das luftge-
kühlte Heckmotor-Kon-
zept des Käfers auch
zahlreiche Karosserie-
bauer zu teils kuriosen
Eigenkreationen. Die meisten wurden in
aufwendiger Handarbeit hergestellt.
Friedrich Rometsch aus Berlin-Halen-
see etwa war so ein Käfer-Verwandler.
In den frühen 1950er-Jahren klonte er
mit seinem Konstrukteur, dem Desig-
ner Johannes Beeskow, meist zweitürige
Modelle mit selbst gedengelten Karosse-
rien. Auch ein viertüriges Käfer-Taxi für
den Einsatz auf dem Kurfürstendamm
hatten die beiden im Portfolio. Auf Bran-


chentreffs wie dem Genfer Automobil-
salon erhielten sie zahlreiche Aus-
zeichnungen. Selbst amerikanische
Autosammler schätzten die deutschen
Spezialmodelle wie die Rometsch-Ba-
nane, die offiziell VW Rometsch Cabrio-
let Modell Beeskow hieß. Deshalb
wurde über Nacht neben Depen-
dancen in Berlin, Stockholm
und Zürich auch in Los Ange-
les ein Showroom namens

Hollywood-Motors eröffnet. Filmstars
wie Gregory Peck und Audrey Hepburn
waren die ersten betuchten Kunden.
Schließlich spielte so ein Rometsch-Au-
to damals in der Preisliga eines Porsche


  1. Inzwischen werden fast schwin-
    delerregende Summen für die seltenen
    Exemplare gezahlt.
    In diesem Jahr, zum endgültigen Ende
    der Käfer-/Beetle-Produktion, ehrte der
    Concours d’Élégance von Amelia Island


im US-Bundesstaat Florida das Berliner
Karosseriebau-Unternehmen mit einer
viel beachteten Sonderpräsentation.
Gewinner der Volkswagen-of-America-
Trophy für das eleganteste Käfer-De-
rivat ist das Rometsch-Beeskow-Coupé
von 1951 aus der Traugott-Grund-
mann-Sammlung in Hessisch
Oldendorf.
Mit rund 21,5 Millio-
nen verkauften Ex-
emplaren in den Jah-
ren 1938 bis 2003
war der Käfer neben
dem Golf (mehr als
35 Millionen) der
ganz große Bestseller
der Wolfsburger. Die
ebenfalls kugelrunden
Käfer-Nachfolger New
Beetle und Beetle wur-
den seit 1997 im mexi-
kanischen VW-Werk
Puebla als Coupé und
Cabrio gebaut. Aber
das Frontmotor-Mo-
dell konnte nie wirk-
lich an den Käfer-Er-
folg anknüpfen. Am
ehesten war es noch
in der Cabrio-Varian-
te gefragt. Der Beetle
wurde im Juli nach immerhin 1,7 Millio-
nen Exemplaren mit einer Final Edition
eingestellt. Weiterleben wird der Käfer
also vor allem als Nischenmodell, als
kuriose Eigenkreation, knuddeliger Old-
timer oder rasantes Renn-„Dapferle“.
Und von 2022 an als elektrisches Fun-
Mobil mit leichten Anklängen an die
gute alte Hippie- und Jetset-Zeit.n

WOLFGANG WIELAND





VOLKSWAGEN
ID. BUGGY

Motor: elektr., 1 Gang, 204 PS
Höchstgeschw.: 160 km/h
0–100 km/h: 7,2 Sekunden
Reichweite: bis zu 250 km*
Preis: unter 30 000 Euro*

Gestatten, Frosch Der ID. Buggy von Volkswagen soll ab 2022 gebaut werden

1968 Als „Dudu“ und „Herbie“ ist der Käfer


drei Jahrzehnte lang ein Leinwandheld –


„Herbie“ stets mit der Startnummer 53


auf Fronthaube und Türen


1981 Im mexikanischen VW-Werk
in Puebla läuft die Nummer 20 000 000
vom Band, der Käfer wurde zum
damals meistgebauten Auto

1954 und 2019
Der „Brezel“-Käfer von
Paul Ernst Strähle (l.) beweist
auf der Mille Miglia, einer
der härtesten Rallyes der Welt,
mehrfach seine Standfestigkeit.
2019 (r.) am Steuer: unser Autor
Wolfgang Wieland

2019 : Bye-bye Beetle!
Der letzte Beetle
lief am 10. Juli
in Mexiko vom
Band. Das stone-
washed-blaue Coupé
kommt ins Museum

*mit 62-kWh-Batterie
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