Focus - 24.08.2019

(Brent) #1
AUSLAND

Fotos: Thilo Mischke, Barzan Mohammed, AP


FOCUS 35/2019 43

E


r steht dort einfach am Zaun.
Beobachtet den syrischen
Staub, beobachtet die ande-
ren Kinder. Nur weil nichts
anderes mehr zu tun ist. Ein
kleiner Junge, das Haar ver-
filzt, sein Blick unsicher, die
Augen unruhig. Sieben Jahre alt soll er
sein, er sieht aus wie vier. Er legt den Arm
in die Maschen und fragt in zartem, hellem
Deutsch, geflüstert, leise, sodass es nie-
mand hören kann, fragt, ob man denn der
Großvater sei. Da ist keine Verzweiflung
in seiner Stimme, da ist nur noch Angst.

Die Mutter, die Schwester, erschos-
sen oder zerrissen von Minen, vielleicht,
der Vater verschwunden. Er hat den Tod
beobachtet. Aber nicht verstanden. Und
nun ist er hier, allein in al-Haul und war-
tet auf seinen Großvater.
Der Siebenjährige gehört zu einer
Gruppe von deutschen Kindern, die
das Auswärtige Amt vorigen Montag,
gemeinsam mit einer NGO, in einer
geheimen Rückholaktion aus dem
syrischen Camp in die nordiraki-
sche Stadt Erbil überstellte: drei
Waisen und ein schwer krankes

Baby, die in dem von kurdischen Mili-
zen verwalteten Lager lebten. Die Eltern
einer in Syrien gestorbenen IS-Kämpfe-
rin hatten gegen das Auswärtige Amt
geklagt, das Berliner Verwaltungsge-
richt verpflichtete Außenminister Heiko
Maas (SPD) zur Rückholung minder-
jähriger Kinder aus al-Haul. Die
deutsche Regierung entschloss
sich daher zu der geheimen
Aktion. Die Kinder treffe kei-
ne Schuld, heißt es, ihnen
müsse geholfen werden.
Aber was bedeutet diese

Der Kriegswaise
Der siebenjährige
Yahya hat Mutter und
Schwester verloren.
Eine niederländische
IS-Sympathisantin
pflegte den in Kassel
geborenen Jungen

Heiko Maas, 52 Entschied die Rückholung der drei Waisen
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