Focus - 24.08.2019

(Brent) #1
FAMILIENUNTERNEHMEN

FOCUS 35/2019 59


Maria Seyrling: Zum Beispiel, welche
Speisen er bevorzugt, den Familienstand,
seine Hobbys, wie viele Kinder er hat,
ob er Hunde oder Katzen mag, wann er
Geburtstag hat oder Hochzeitstag und so
weiter. Für eine Unterhaltung war dieses
Wissen perfekt.
Cristina Seyrling: Wir mussten sogar die
Farbe vom Herzlkissen, das es bis heute
zum Abschied gibt, auf der Karte festhal-
ten, damit es beim nächsten Mal nicht
dieselbe Farbe gab.
Heute leben wir in Zeiten der Digitali-
sierung, der künstlichen Intelligenz.
Maria Seyrling: Und in Japan machen
Roboter die Zimmer sauber. Das finde
ich unmöglich.
Alois Seyrling: Mit mir wird es das nicht
geben. Vielleicht bei meinen Kindern.
Aber natürlich nutzen wir die moderne
Technik im Büro, bei der Werbung oder
in Bezug auf die Bequemlichkeit der Gäs-
te. Mein Ziel und meine Lebensphilo-
sophie sind es, die Tradition mit einem
modernen Lifestyle zu kombinieren, also
auch zukunftsträchtige Themen wie neue
Ernährungskonzepte oder innovative
Aktivprogramme in das Haus zu integ-
rieren, damit wir nicht verstauben.
Cristina Seyrling: Trotzdem wird uns die
Tradition immer am wichtigsten sein.
Maria Seyrling: Als ich meinen Mann
1947 kennenlernte, war das „Klosterbräu“
noch vom Staat Österreich beschlagnahmt
und wurde als Krankenhaus genutzt. Erst
1953 gab man uns das große Gebäude
zurück. Drinnen sah es furchtbar aus.
Es war nichts da. Gar nichts. Alles war
kaputt, verrostet, zerschlagen. Es war
so schlimm, dass mein Mann verkaufen
wollte. Da habe ich geweint und gesagt:
„Affele, das kannst du nicht machen.“
Geholfen hat es, wie man sieht. Seit 1991
ist das „Klosterbräu“ ein 5-Sterne-Haus.
Cristina Seyrling: Um alles zu finanzieren,
hat mein Schwiegervater viel von seinem
Grundbesitz verkauft.
Maria Seyrling: Schweren Herzens, aber
zu einem guten Preis.
Alois Seyrling: Das waren damals sicher
zehn Hektar Wald.
Ist das Unternehmen heute
schuldenfrei?
Alois Seyrling: Solange das Verhältnis
zwischen Umsatz und Schulden gesund
bleibt, ist es wirtschaftlich nicht unver-
nünftig, Verbindlichkeiten zu haben.
Wir investieren jedes Jahr in das Unter-
nehmen, und zwar über den Gewinn
hinaus. In Bezug auf die großen
Baustellen, die wir jedes zwei-
te Jahr angehen, machen wir
das mit unserer Hausbank,


die für mich der allerwichtigste unserer
Partner ist.
Wie hoch ist der Gewinn?
Alois Seyrling: Zwischen 22 und 24 Pro-
zent Cashflow vor Zinsen und Tilgung.
Das heißt, das Haus kann aus eigener
Kraft immer wieder gut investieren. Wir
sind in Wellenbewegungen auf einem sehr
gesunden Weg in die richtige Richtung.
Das ist beruhigend, da wir nach dem Tod
meines Vaters durch ein tiefes finanzielles
Tal gehen mussten.
Cristina Seyrling: Ich hatte viele schlaflose
Nächte und habe oft einfach nur funktio-
niert. Aufgeben kam für mich nie infrage.
Weil ich einen starken Willen habe, eine
Kämpferin bin und weil mir nichts anderes
übrig blieb, um das Erbe für meine Kinder
zu erhalten.
Welche Zukunft hat ein Traditions-
unternehmen wie das „Klosterbräu“ im
Vergleich zu den großen Hotelketten, die
über deutlich mehr Kapital verfügen?

Alois Seyrling: Mit Geld allein kann man
kein Urlaubsgefühl kreieren, das ist reine
Hardware. Die Software, also das Leben,
das Herz, der Puls, die Seele eines Hotels,
kann nur über die Mitarbeiter und die
Eigentümer kommen. Unsere Werte wie
Stabilität, Sicherheit, Tradition und dass
unsere ganze Familie im Unternehmen
ist – das ist ehrlich. Das ist authentisch.
Das ist gewachsen. Das hat Zukunft.
Das Wohlfühlen also.
Alois Seyrling: Genau. Die Gäste suchen
Verlässlichkeit und schauen viel stärker
darauf, wofür sie ihr Geld ausgeben. Heu-
te achten sie viel mehr auf hohe Quali-
tät. Also auf die kulinarische Vielfalt, den
Wohnkomfort, die Nachhaltigkeit oder wie
das Unternehmen mit der Umwelt umgeht.
Maria Seyrling: Und sie freuen sich darü-
ber, dass alle Seyrlings im Unternehmen
sind. Ein Gast sagte einmal zu mir: „Midi,
man ist sich keine Minute sicher, ob nicht
aus einer Ecke plötzlich ein Seyrling he-
rauskommt.“ Und natürlich braucht man
als Hotelier eine gute Menschenkenntnis.
Alois Seyrling: Ich glaube, die beste hat
die Mama.
Cristina Seyrling: Ich weiß nicht ...
Alois Seyrling: Doch. Ich bin oft zu gut-
gläubig, weil ich einfach auf das Gute im
Menschen vertraue.
Cristina Seyrling: Vielleicht fehlt dir dazu
einfach noch etwas Lebenserfahrung.
Alois Seyrling: Möglich. Von der Oma
habe ich gelernt ...
Maria Seyrling: ... von mir hast du über-
haupt nichts gelernt.
Alois Seyrling: Das stimmt ja nicht. Du
hast mir das Zuhören beigebracht, das
man emphatisch ist und unbeugsam,
wenn man sich sicher ist, dass es der rich-
tige Weg ist. Die Oma ist eine starke Frau,
die ihre Prinzipien hat, ihre Grundlinien.
Da gibt es kein Links und Rechts.
Maria Seyrling: Wenn du meinst. Ich brau-
che nichts mehr lernen. Ich möchte mei-
nen Ruhestand genießen und mische mich
überhaupt nicht mehr ein. Sich nicht mehr
einzumischen, das hat schon etwas sehr
Gutes. Trotzdem beobachte ich immer
gern, was du für gute Eigenschaften hast.
Mir gefallen besonders dein Umgang mit
den Gästen und dein Charme.
Alois Seyrling: Was gefällt dir nicht?
Maria Seyrling: Du könntest mich öfter be-
suchen. Aber dazu bist du zu beschäftigt.
Was darf sich ein Hotelier niemals erlauben?
Maria Seyrling: Mit dem Partner vor den
Gästen eine Auseinandersetzung haben.
Mein Mann und ich haben uns sehr gut
verstanden. Trotzdem sind hinter den
Kulissen schon mal die Teller geflogen.
Und zwar ordentlich.n

Als Kaiser Maximilian I. 1516 das Kloster zu Sevelt
in Seefeld, Tirol, stiftete und Augustinermönche
dort Pilger und Adelige bewirteten, ahnte er nicht,
dass daraus mal ein 5-Sterne-Hotel werden
sollte. 1809 versteigerte die bayerische Regierung
das säkularisierte Kloster. Familie Seyrling erwarb
es für 23 000 Gulden. Damit begann eine Erfolgs-
geschichte, nur durch den Zweiten Weltkrieg
unterbrochen, als das Haus von 1942 bis 1952
vom österreichischen Staat enteignet und als
Krankenhaus genutzt wurde. Danach übernahm
der Urenkel des Hotelgründers, Alois Seyrling,
das Haus und machte es mit seiner
Frau Maria zum Luxushotel. Heute führt sein
Enkel Alois Seyrling in sechster Genera-
tion die Geschäfte. Mit seiner Frau
Agnes hat er zwei Kinder: Luis, 4,
und Margarita, 2.

DER KOSMOS „KLOSTERBRÄU“

Die dritte Generation Sigmund II und Maria Seyrling,
die Schwiegereltern von Maria „Midi“ Seyrling

Barfuß Cristina Seyrling am Indoor-Pool.
Der Spa wurde 1969 eröffnet
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