KULTUR
84 FOCUS 35/2019
Als
der Engel
Trauer
trug
A
m Ende ihres wunder-
baren neuen Albums
muss Lana Del Rey
feststellen, dass ihr
angesichts der Lage
wohl nur die Hoffnung
bleibt. Also singt sie zu sparsamer
Klavierbegleitung den angemessen
kompliziert betitelten Song „hope is a
dangerous thing for a woman like me
to have – but i have it“. Jedes Wort ist
dabei kleingeschrieben, denn so groß
die Hoffnung auch sein mag, die Chan-
cen auf Besserung sind es nicht.
Hoffnung setzt bekanntlich das Be-
wusstsein voraus, in einer schwierigen
Lage zu stecken, und diese Lage ist in
Del Reys Fall Kalifornien, eine Art pop-
musikalisches Museum, vollgestellt mit
Artefakten einer nicht allzu fernen Ver-
gangenheit. Unter sengender Sonne wer-
fen Crosby, Stills & Nash, Joni Mitchell,
Neil Young, The Mamas and the Papas
und die Eagles ihre Schatten, alles wurde
bereits ungezählte Male gedacht, besun-
gen, gefühlt und gelebt.
Die Männer Kaliforniens erweisen
sich ausnahmslos als Mängelexemplare,
eine Ansammlung von Aufschneidern,
Schwätzern und Wichtigtuern, die sich
benehmen wie Kinder. „Deine Gedichte
sind schlecht und du gibst den Nach-
richten die Schuld / Doch daran kann
ich nichts ändern / (...) / Denn du bist
nur ein Mann / Das ist das, was du tust“,heißt es in dem wunderbaren Titelsong
„Norman Fucking Rockwell“. In Liebes-
dingen zeigt sich Del Rey wie gewohnt
als unverbesserliche Pragmatikerin.Und im Hintergrund brennt Kalifornien
Den Albumtitel versteht sie als einen
Kommentar zur Lage der Nation. Nor-
man Rockwell war ein New Yorker Maler
und Illustrator und gilt als einer der
beliebtesten amerikanischen Künstler
des 20. Jahrhunderts. Fünf Jahrzehnte
lang hat er unter anderem die Titelbilder
der Wochenzeitung „Saturday Evening
Post“ gestaltet und mit einer erheblichen
Neigung zum Kitsch die Ideale und den
Alltag des Landes dokumentiert: Pfad-
finder, Truthähne, Sportler, Präsidenten,
Hausfrauen, Soldaten. „Wir fliegen bald
zum Mars, und Trump ist Präsident“,Seit Nancy Sinatra beherrschte
niemand mehr die Kunst der seditativen
Verführung besser als Lana Del Rey.
Denn auch für das neue Album der
Sängerin gilt: Gerade in unsteten Zeiten
entfaltet Musik ihre eigentliche Kraft