Focus - 24.08.2019

(Brent) #1
MUSIK

Foto: Neil Krug/Universal Music

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sagte Del Rey im Februar der „Vanity
Fair“. „Das ist also unser amerikanischer
Traum: Norman fucking Rockwell!“
Die Lage ist derart absurd, dass Lana
Del Rey sich sogar gezwungen sah, das
Transportmittel zu wechseln. Auf dem
Albumcover ihres offiziellen Debüts
„Born To Die“ posierte sie 2012 vor
einem Auto, für „Ultraviolence“ hatte
sie zwei Jahre später bereits die Auto-
tür geöffnet, um bei „Honeymoon“ 2015
endlich im Auto zu sitzen – obwohl:
Wenn man es genau nimmt, war es wohl
ein Bus. 2017 stand sie dann für „Lust
For Life“ wieder zufrieden lächelnd vor
dem Wagen, der bereits bei „Born To
Die“ die Kulisse bildete.
Jetzt ist sie auf eine Segeljacht umge-
stiegen und zeigt sich mit dem Schau-
spieler Duke Nicholson auf dem Cover.
Im Hintergrund sieht man Kalifornien
brennen, was wohl als Verweis auf den
Klimawandel und die katastrophalen
Waldbrände des vergangenen Jahres
zu verstehen ist. Die Schriftzüge sind
gestaltet wie in einem Comic, weshalb
die Gesamtanmutung so gar nicht an
Norman Rockwell erinnern will, sondern
vielmehr an Roy Lichtenstein bezie-
hungsweise Roy „fucking“ Lichtenstein,
wie Lana Del Rey wohl sagen würde.

Sie schuf sich ihr eigenes Musikgenre
Doch trotz der maritimen Symbolik, eig-
nen sich auch Del Reys neue Lieder wie-
der hervorragend für Überlandfahrten
entlang geplatzter Träume, gescheiter-
ter Beziehungen und neuer Lieben. Die
Geschwindigkeit ist gedrosselt, und die
Strecken können mitunter recht lang
sein, weshalb der Song „Venice Bitch“
sogar auf knapp zehn Minuten ausufert,
mit Orgelsolo, Feedback-Schleifen und
freier Improvisation.
Jack Antonoff, der als Produzent von
Taylor Swifts Album „1989“ zu Ruhm
kam, zeigt sich dieses Mal für das Klang-
design verantwortlich und hat Del Reys
kalifornischem Traum viel Klavier und
Akustikgitarren verordnet. Das stellt
zwar eine Veränderung zum eher elek-
tronischen Vorgänger dar, fügt sich
aber geschmeidig ins Gesamtwerk. Alles,
was man an Del Rey so liebt, ist da, die
Sehnsucht, der Schmerz, die großen
Melodien. Während andere Popstars ihrer
Größe versuchen, sich passend zum Zeit-
geschmack mit jedem Album neu aufzu-
stellen, bespielt sie souverän das Genre,
das sie sich selbst geschaffen hat. n

HARALD PETERS

Dekorativ verhangen
Da möchte man ja
ganz melancholisch
werden: US-Sängerin
Lana Del Rey, 34,
besingt auf „Norman
Fucking Rockwell“ die
Lage der Nation

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