Die Welt am Sonntag Kompakt - 01.09.2019

(Brent) #1
ge zu sagen oder bestimmte
Dinge zu tun. Die chinesische
Regierung betreibt ihre Massen-
überwachung mit diesem Ziel.
Aus Angst, nicht zu wissen, wo
die Grenze ist und welche Strafe
oder welche Konsequenzen fol-
gen, hält man sich lieber von
allen Risiken fern.
Obwohl China ein Antispiona-
geabkommen mit Deutschland
unterzeichnet hat, ist China
bekannt als ein Land, das sich
nie an die Regeln hält. So hat es
kürzlich die Chinesisch-britische
gemeinsame Erklärung einseitig
für ungültig erklärt, weil sie
Demokratie und Freiheit für
Hongkong verspricht und China
nicht bevorzugt. China ist nicht
vertrauenswürdig, man sollte
nicht erwarten, dass es sein
Wort hält. Solche Erklärungen
sind nur ein Papier mit leeren
Versprechungen, genauso wie
einst der Nichtangriffspakt zwi-
schen Nazideutschland und der
Sowjetunion kurz vor dem Zwei-
ten Weltkrieg.
In Hongkong, wo eigentlich
„Ein Land, zwei Systeme“ gel-
ten soll, sehen wir bereits Ver-
suche, eine Massenüberwa-
chung der Bürger durchzufüh-
ren. 50 multifunktionale in-
telligente Lampenmasten, aus-
gestattet mit Kameras und an-
deren Technologien, wurden
installiert. Bei den jüngsten
Protesten wurden einige von
ihnen niedergerissen. Dabei
zeigte sich, dass die Chips darin
von einem chinesischen Unter-
nehmen stammen, das aktiv am
Überwachungsprogramm in
China beteiligt ist.
Es gibt keine Regeln für die
Datenübertragung von Hong-
kong nach China. Da die in-
stallierten Kameras zur Ge-
sichtserkennung fähig sind, be-
steht der Verdacht, dass hier
personenbezogene Daten von
Bürgern Hongkongs gesammelt
und ohne unser Wissen oder
unsere Zustimmung nach China
geschickt werden. Die bloße
Angst davor wird dazu führen,
dass die Hongkonger ihr Ver-
halten ändern, dass sie etwa
Masken tragen oder in anderer
Weise ihre Identität verstecken,
um Probleme zu vermeiden.
Obwohl es keine konkreten Be-
weise für Verletzungen der Pri-
vatsphäre gibt, sollte man ange-
sichts des totalitären Regimes in
China, das für seine notorischen
Verstöße gegen Menschenrechte
bekannt ist, Verständnis für
unsere Sorgen und Ängste ha-
ben. Die Angst vor einer Über-
wachung entfaltet bereits eine
abschreckende Wirkung auf die
Hongkonger, und sie behindert
unsere Versammlungs- und Mei-

nungsfreiheit. Das könnte auch
in Deutschland passieren.
Die Angst vor einer Massen-
überwachung stellt schon jetzt
eine Verletzung der Privatsphäre
deutscher Bürger dar. Das Amts-
gericht im sächsischen Riesa hat
jüngst in einem Urteil entschie-
den, dass selbst ohne eine tat-
sächliche Überwachung schon
das Gefühl der Beobachtung eine
Verletzung der grundlegenden
Persönlichkeitsrechte darstellt.
Schon eine Verhaltensänderung
zur Vermeidung von Ausspähun-
gen würde eine Verletzung der
Privatsphäre darstellen. Der
Schutz der Privatsphäre ist einer
der Kernwerte, die der deutsche
Bürger zu schätzen weiß, sie
sollte mit allen Mitteln ver-
teidigt werden.
Huawei hält viele Patente
und bietet den niedrigsten Preis
beim Aufbau von 5G-Netzen.
WWWer den Konzern ausschließt,er den Konzern ausschließt,
wird den Aufbau des 5G-Netzes
verzögern. Aber Grundrechte
sollten immer über wirtschaftli-
chen Erwägungen stehen. Die
Angstfreiheit der deutschen
und europäischen Bürger und
ihr Grundrecht auf Privatsphä-
re sollten immer höher be-
wertet werden als der Aufwand
an Geld und Zeit. Es gibt keine
Wiedergutmachung bei Verlet-
zungen der Grundrechte und
bei Massenüberwachung. Der
verursachte Schaden kann nicht
rückgängig gemacht werden,
und durch die Angst vor Über-
wachung erodieren die Grund-
fffreiheiten.reiheiten.
Die Hongkonger kämpfen
jetzt für Freiheit und Men-
schenrechte, und es ist ein har-
ter Kampf. Aber auch die freie
Welt ist gefährdet, denn China
ist erpicht, seinen Einfluss auf
die Volkswirtschaften anderer
Staaten auszuweiten, um mehr
Einfluss auf der Weltbühne zu
gewinnen. Aber so groß der
wirtschaftliche Nutzen sein
mag, den die Volksrepublik
bietet: Deutschland und Europa
sollten niemals die Privatsphäre
und die Grundrechte ihrer Bür-
ger für das Streben nach Ge-
winn opfern. Eine Zusammen-
arbeit mit Huawei gefährdet die
Freiheiten und Rechte, die deut-
sche Bürger schätzen. Sie würde
China die Möglichkeit eröffnen,
noch mehr Einfluss in Deutsch-
land zu gewinnen.

TDie Autoren zählen zu den
führenden Köpfen der Protest-
bewegung in Hongkong. Joshua
Wong ist Generalsekretär der
Partei Demosisto, Glacier Kwong
wird demnächst ihre Promotion
an der Universität Hamburg
beginnen.

ie Mauer, die Men-
schen. Die Anoraks,
die Sektflaschen, das
Brandenburger Tor. Es sind
diese Bilder, die auftauchen,
wenn es um die Tage im No-
vember vor 30 Jahren geht,
um das Ende der „DDR“.
Und darum geht es oft in
letzter Zeit, auch wegen des
Wahlkampfes in Sachsen und
Brandenburg und der mut-
maßlichen Rätselhaftigkeit
des Ostens. Es wird über das
gesprochen, was eigentlich
vor diesen Bildern geschah
und von einigen „Wende“ ge-
nannt wird: eine friedliche
Revolution.

VON JENNIFER WILTON

Die letzten Diktaturen Ost-
europas wankten damals, und
das passierte auch, weil die
Massen auf die Straßen dräng-
ten, weil Menschen auf improvi-
sierte Bühnen stiegen und
ihre Stimme erhoben. Weil
einige viel riskierten. In
Leipzig und in Berlin, aber
aaauch in kleinen Orten, demuch in kleinen Orten, dem
thüringischen Arnstadt etwa
oder Plauen in Sachsen. Bis
der Rausch der Freiheit be-
gann. Es war eine Revoluti-
on. In Deutschland. Für die
Freiheit. Man muss das ein-
fffach ein paarmal sagen.ach ein paarmal sagen.
Als 14 Jahre zuvor mit
dem Tod Francos in Spa-
nien die letzte Diktatur
Westeuropas zu Ende ge-
gangen war, hatte ein Autor
die tiefe Enttäuschung der
Opposition so zusammen-
gefasst: Sie hätten den Dik-
tator eines natürlichen To-
des ermordet. Es war nicht
gelungen, das Regime zu
stürzen. Menschen in der
„DDR“ aber gelang es. Der
Mauerfall: ihr kollektiver
und persönlicher Helden-
moment. Vielleicht tat-
sächlich der letzte, den der
Westen dem Osten zuge-
standen hat. Er hätte iden-
titätsstiftend für das ganze
Land werden können. Aber
es kam komplizierter. Dass
jetzt um die Deutungshoheit
gestritten wird, ist gut.
Es streiten Historiker und
Beteiligte darüber, wer jene
Revolution getragen hat. Ei-
gentlich gibt es einen Konsens
in der Geschichtsschreibung –
es waren verschiedene Fakto-
ren: Perestroika und Solidar-
nosc, eine marode Wirtschaft,
ein schwächelndes Politbüro
und der Protest der Menschen.
Aber welche Rolle spielten
die, die sich dem Regime aktiv
entgegengestellt hatten, un-

ter erheblicher Gefahr für sich
selbst, die Oppositionellen,
die Bürgerrechtler? Welchen
Anteil hatten sie daran, die
„anderen“ auf die Straße zu
bekommen? Welche Rolle
spielten die Ausreisewilligen?
Und was war mit den Leuten,
die damals nicht auf der Stra-
ße waren, die „hinter der Gar-
dine“ standen und zusahen?
Man kann das abtun als die
Debatte eines kleinen Kreises,
aber es gibt eine Schlüsselfra-
ge: Wem gehört die Friedliche
Revolution von 1989? Was be-
deutet sie? Genug jedenfalls,
dass sich Populisten ihrer be-
mächtigen. Da erklärte ein be-
kannter Vertreter der AfD
schon zum Auftakt des Wahl-
kampfs in Brandenburg,
durchaus ergriffen von sich
selbst, es fühle sich schon wie-
der an wie in der „DDR“.
Dafür haben „wir nicht die
Friedliche Revolution ge-

macht“, sagte Björn Höcke,
heute AfD Thüringen, 1989
Gymnasiast in Rheinland-
Pfalz. Es gehört natürlich
längst zum Standard-
repertoire seiner Partei, mit
ahistorischen „DDR“-Verglei-
chen die gegenwärtige Politik
und gesellschaftliche Realität
zu verunglimpfen. Jetzt aber
gibt die AfD der Sache einen
neuen Dreh. Nun geht es auf
den Wahlplakaten um 1989:
„Damals wie heute: Wir sind
das Volk“, „Vollende die Wen-

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de“, „Wende 2.0“. Das Entset-
zen vieler ehemaliger Bürger-
rechtler, die einst unter per-
sönlicher Gefahr in einem Un-
rechtsstaat für Freiheit kämpf-
ten, ist entsprechend groß.
Interessant, vielleicht auch
schlicht folgerichtig ist dabei,
dass es der Begriff der Wende
ist, der es der AfD besonders
angetan hat. Ein Begriff, der
nie von denen kam, die die
Friedliche Revolution ange-
führt hatten. Eingebracht hat-
te ihn Egon Krenz, letzter
Staatsratsvorsitzenden der
„DDR“ vor dem Mauerfall.
Die Intention dahinter war
offensichtlich: einen vom Re-
gime selbst angeführten, zu-
mindest begleiteten Wandel
herbeizufabulieren – um an
Macht zu retten, was noch zu
retten war. Eine Idee, die bis
heute unter SED-PDS-Linke-
Vertretern Fans hat. Dass die
Partei lange vor der AfD auf
Ost-West-Polarität und
enttäuschten „Wende“-Er-
fahrungen herumritt, lässt
sich auch an alten Wahl-
plakaten ablesen („Der
Osten wählt rot“). In einer
verschrobenen Dialektik
gelingt es so, Ostalgie und
Revolution zu vereinba-
ren. Funktioniert das?
Ostdeutsche fühlen sich
eher ostdeutsch als
deutsch, das hat eine Um-
frage gerade ergeben.
Westdeutsche sind überra-
schend ratlos, warum das
so ist, und drehen sich im
Kreis wiederkehrender Er-
klärungsmuster, oft genug
begleitet von einem pater-
nalistischen Grundton.
Dabei gibt es noch so
viele grundsätzliche Fra-
gen, die übrig geblieben
sind. Was macht es mit ei-
ner Gesellschaft und mit
dem Einzelnen, zwei Dik-
taturen hintereinander zu
durchleben? Welche Be-
griffe von Demokratie und
Freiheit haben die Mitglie-
der dieser Gesellschaft, ih-
re Kinder, ihre Enkel? Wel-
che von Verantwortung
und Mitbestimmung? Wie ge-
hen sie mit der Diskrepanz
zwischen Ideal und Wirklich-
keit um?
Und was ist Heimat? Um
welches Land geht es, das man
sich – wie nicht nur die AfD im
Ost-Wahlkampf skandiert –
zurückholen will? Die „DDR“?
Ein altes Deutschland? Oder
ein imaginäres Land, das 1989
entstehen sollte, aus vagen
Sehnsüchten gebaut? 1989 war
der Heldenmoment, als alles
allen möglich schien.

WELT AM SONNTAG NR.35 1.SEPTEMBER2019 FORUM^25


MAUERFALL 1989

Der Kampf um die


friedliche Revolution


D


Der Mauerfall: ihr


kollektiver und


persönlicher


Heldenmoment.


Vielleicht tatsächlich


der letzte, den der


Westen dem Osten


zugestanden hat.


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