FOTO: RUBEN WYTTENBACH/13 PHOTOHerr Dobelli, ich bin Journalist. Wollen
Sie mich und meine Kolleginnen und
Kollegen abschaffen?
Nein, das will ich nicht. Ich schätze intel-
ligenten Journalismus, insbesondere lan-
ge, ausgeruhte Artikel. Die gibt es auch in
Ihrem Magazin. Aber ich warne vor dem
ausufernden News-Journalismus, beson-
ders im Netz, im Fernsehen und in vielen
Tageszeitungen. Der tut uns nicht gut, und
den würde ich am liebsten abschaffen.
Warum?
Weil News süchtig machen, Zeit ver-
schwenden und nichts bringen, außer uns
abzulenken. Ich nenne sie Massenvernich-
tungswaffen gegen den gesunden Men-
schenverstand.
Das sind harte Geschütze, die Sie hier auf-
fahren. Definieren Sie bitte den Begriff
„News“, wie Sie ihn verstehen.
Das sind all diese Kurzmeldungen aus
aller Welt, die überall auf uns einstürmen.
Diese schnellen Info-Häppchen: Zwei Prä-
sidenten haben sich getroffen. Irgendwo
startet eine Rakete. Ein Vulkan ist ausge-
brochen. Ein Promi-Paar hat sich getrennt.
Trump twittert was. Ich meine all diese
Meldungen, die aufsehenerregend oder
schockierend wirken, die aber eigentlich
belanglos sind. Vor allem für das persön-
liche Leben der meisten Menschen und ihr
Weltverständnis.
Aber was ist denn nun so gefährlich an
diesen News? Es wird niemand gezwun-
gen, all das zu lesen oder anzuschauen.
Aber niemand kann dem entkommen,
wenn man nicht aktiv verzichtet. News
poppen im Handy auf, wir sehen sie zuneh-
mend auf Bahnhöfen, Flugplätzen und in
öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie erzeu-
gen die Illusion, wir würden die Welt bes-
ser verstehen und seien irgendwie mit ihr
verbunden. Das Gegenteil ist der Fall. News
sind reine Zeitverschwendung. Wir konsu-
mieren sie im Schnitt 60 bis 90 Minuten
pro Tag. Das summiert sich zu einem
Arbeitstag pro Woche. Diese Zeit kann man
sinnvoller nutzen.
Verzichten Sie selbst konsequent auf
News?
Ja, seit 2010 habe ich keine Tageszeitung
mehr abonniert, keine „Tagesschau“H
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Der Schweizer
Rolf Dobelli, 53,
ist Schriftsteller,
Unternehmer
und studierter
Philosoph