„Wir sind nicht nett, wir sind eine Familie. Das
ist jenseits von nett“. Diese Einsicht steht erst
am Ende einer Geschichte, in der zunächst
niemand Wert darauf legt, Familie zu sein.
Ein alter Herr namens Xaver (Branko Sama-
rovski), mittellos und gebrechlich, landet auf
dem Sozial amt. Er lebte lange in Argentinien,
obwohl er in Deutschland drei Kinder hat. Sie
hielten ihn für tot und sind nicht begeistert,
dass sie nun für ihn aufkommen sollen. Unter
dem Motto „Nimm Du ihn“ beginnt die Odys-
see des Seniors, zwischen der
Karrieristin Mareike (Andrea
Sawatzki), dem gestressten
Autohändler Dietrich (Simon
Schwarz) und der engagierten
Lehrerin Felicitas (Jule Böwe).
Der Film gönnt uns am Anfang
ein paar herb-witzige Wort-
gefechte („Er ist suizidgefährdet“ – „Sind wir
das nicht alle? Soll er sich doch umbringen.
So sind die Gesetze, Selbstmord ist nicht ver-
boten“), ansonsten aber wenig Vergnügliches.
Doch Durchhalten lohnt sich, alle Figuren wer-
den uns noch ans Herz wachsen.
Barsch und bar jeder Sentimentalität
Regisseur und Autor Michael Hofmann wurde
von einem Zeitungsartikel inspiriert und schil-
dert das Grundthema so: „Jeder von uns hat El-
tern, die Kindheit prägt uns lebenslang. Als Er-
wachsener um die 50 hat man schon viel erlebt
und durchgemacht. Nicht selten wird einem
gerade dann die Weichenstellung der Kindheit
bewusst, denn man wird erneut mit seinen El-
tern konfrontiert, die jetzt besonderer Pflege
oder finanzieller Zuwendung bedürfen. Die
Rollen sind also vertauscht – das fand ich span-
nend.“ Seine Figuren lässt er mit „barschem
Umgangston und bar jeder Sentimentalität“
aufeinander los, bis das bittere Hauen und Ste-
chen doch noch zu einem Happy End führt.
Burgtheater-Star Branko Samarovski über-
zeugt als Vater, er hält den wahren Charakter
dieser Figur gekonnt offen.
Ist Xaver nun ein grummeli-
ger Egomane mit Neigung zu
Wutausbrüchen oder doch
ein warmherziger, etwas
vierschrötiger Brummbär?
In Samarovskis Worten: „Er
ist kein Mensch vieler Worte,
kommuniziert viele Dinge ohne Sprache. Das
so glaubhaft wie möglich zu vermitteln, war
mir besonders wichtig.“ Viele Worte machen
dagegen Xavers erwachsene Kinder, und die
drei Schauspieler hatten an verbalen Rundum-
schlägen sichtlich Spaß. Andrea Sawatzki: „Es
ist immer ein Glücksfall, wenn man am Set auf
Menschen trifft, die den gleichen schwarzen
Humor haben wie man selbst“. Ein „Glücksfall“
ist der ganze Film vielleicht nicht, aber doch
ein guter Kompromiss zwischen Familien-
komödie und galliger Satire.
Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr
„Mit 50 werden
einem die Weichen-
stellungen der
Kindheit bewusst.“
Drei Geschwister und ein Vater, den keiner will. „Nimm Du ihn“,
lautet das Motto in dieser bestens besetzten Komödie, die
ziemlich garstig beginnt und dafür mit viel Herz endet
Nicht nett
Oben: Xaver (Branko Samarovski) mit Sohn (S.
Schwarz) und Enkelin (A. Tillmann). Unten: Marei-
ke (A. Sawatzki, l.) und Simons Gattin (K. Lodyga).
Ganz u.: Felicitas (Jule Böwe, l.) und Geschwister
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Titelfoto & Fotos: BR/die film gmbh/ORF/M
arc Reimann | Text: Oliver Kinser
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