Der Stern - 29.08.2019

(Tina Meador) #1
Das ist ein Extrem. Es geht aber auch um
Sprüche im Alltag. Über Sie war zu lesen,
dass Sie im Landtag hübsche Abgeordne-
te über Mikro gefragt haben, ob sie mit
Ihnen Kaffee trinken wollen!
Totaler Blödsinn. Es wird im Übrigen viel
Unsinn geschrieben. Das wissen Sie doch!
Woran liegt es, dass die FDP so wenige
und die Grünen 40 Prozent weibliche
Mitglieder haben?
Man müsste sich mal länger hinsetzen und
ernsthaft fragen: Warum haben die Grü-
nen Erfolg bei Frauen und wir nicht? Ist es
die Kommunikation, die Zeit ...
... oder Robert Habeck?
Wir mögen uns, Sie hören kein schlechtes
Wort von mir.
Was haben Sie, was Habeck nicht hat?
Mehr Erfahrung und mehr Biss. Ich habe
zu ihm gesagt: Robert, die Grünen sind mit
dir nach oben gefahren. Wie erklärst du
aber deinen Kollegen, wenn es nach unten
geht? Da sagt er: Hör bloß auf! Das macht
ihm Angst. Robert hat in seinem Leben
noch keine größeren Niederlagen einste-
cken müssen.
Derzeit sind aber auch keine in Sicht.
Sie werden kommen. Das weiß er auch.
Sie gönnen ihm harte Zeiten, oder?
Nein, gar nicht. Er ist ein guter Typ.
... und jünger als Sie. Mit ’ner schickeren
Frisur. Kein alter weißer Mann.
Eines ist sicher: Das wird er werden! (lacht)
Habeck ist der modernere Männer-Typ.
Das wirkt nur so.
Wie schafft er, dass wir das glauben?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, warum Sie
das glauben. Das müssen Sie mit sich selbst
ausmachen. Aber meine Erfahrung ist: Ro-
bert ist sehr anpassungsfähig. Ich weiche

keinem Konflikt aus. Er würde für die
Lösung auch einen Schritt zurückgehen.
Seine Kampfart ist Aikido, meine ist Karate.
Passt Aikido nicht besser ins Heute?
Das glauben Sie! Bis man unter 20 Prozent
landet und erklären muss, warum es jetzt
abwärtsgeht. Dann wird man sehen, wie er
mit Leuten umgeht, die ihm nichts Gutes
wollen. Einen Schritt zurückgehen könn-
te man dann als Schwäche auslegen.
Sie gelten als arrogant. Sind Sie es?
Nein. Ich bin selbstbewusst, sicher. Das re-
sultiert aus der Tatsache, dass ich immer der
Kleinste war. Als mich mal ein Mitschüler,
doppelt so groß wie ich, physisch bedräng-
te, habe ich ihm meinen Kopf in den Bauch
gerammt, und er ist zu Boden gegangen.
Wurden Sie als Nesthäkchen verwöhnt?
Meine Frau würde das sofort bejahen.
Woran macht sie das fest?
Sie steht vor mir auf und macht Frühstück.
Und Sie machen das Abendessen?
Nein.
Packen Sie irgendwo im Haushalt an?
Meine Frau würde sagen, ich wisse nicht
mal, wo der Geschirrspüler steht.
Sie finden das lustig?
Ja, denn da fällt mir eine Geschichte ein:
Vor einem Jahr war ich allein zu Hause,
meine Frau ist ja Anwältin und sitzt in Vor-
ständen und ist auch sehr viel unterwegs.
Ich wollte Wäsche waschen, aber ich wuss-
te nicht, wo ich das Waschmittel einfüllen
muss. Ich habe sie angerufen, und sie
hat gesagt: „Oben links ist ein Fach.“ Ich:
„Engel, hier ist kein Fach.“ Sie: „Natürlich!“
Nein. Doch ... Irgendwann fragt sie: Kann
es sein, dass du vorm Trockner stehst?
Machen Sie wenigstens was am Auto?
Nein.
Rasen mähen? Holz hacken?
Nö.
Sie sind ein Macho.
Ja.
Was ist ein Macho für Sie?
Nicht einer, der auf die Tonne haut.
Sondern einer, dem die Urteile anderer
relativ egal sind. Selbstbestimmt in allen
Lebenslagen.
Macho bezieht sich doch vor allem auf
das Verhältnis zu Frauen.
Ja. Auch. Ich flirte gern, das titulieren
viele als Machogehabe. Und ich bin lieber
mit Frauen zusammen als mit Männern.
Warum?
Mit Männern geht es immer um: Mein
Auto, mein Haus, ich laufe 80 km/h Ski und
so weiter. Das geht mir gegen den Strich.
Es gibt auch andere Männer.
Sind nicht mein Fall.
Was ist für Sie unmännlich?
Ich drehe es mal um: Männlich ist für
mich, was ein bisschen robuster ist. 4

Rechtfertigt das Brüderles Verhalten?


Wie auch immer – Sie sagten damals, Sie


würden mit keiner Frau mehr Fahrstuhl


fahren ...


Nicht allein. Mache ich nicht.


Ist das Leben als Mann gefährlicher?


Das Denunziationspotenzial ist gestiegen.


Die Unschuldsvermutung nutzt in diesem


Zusammenhang nichts. Jörg Kachelmann


oder Andreas Türck wurden vorverurteilt


und konnten bis zum Freispruch vor


Gericht lange nichts dagegen tun. Denn im-


mer schwingt mit: Da muss was dran sein.


Weil Frauen eher geglaubt wird?


Weil es in die Debattenbewegung passt.


Damit stempeln Sie Frauen als poten-


zielle Lügnerinnen ab. Das ist so blöde


wie: Männer sind potenzielle Verge-


waltiger.


Nein, das tue ich nicht. Noch einmal: „Die“


Frauen gibt es so wenig wie „die“ Männer.


Und außerdem wurden die Herren Kachel-


mann und Türck freigesprochen, um beim


Beispiel zu bleiben. Ich will nur Situatio-


nen vermeiden, die mich in Schwierig-


keiten bringen können.


So wie viele Frauen nachts nicht allein


durch den Park gehen, fahren Sie nicht


mehr Fahrstuhl?


Man kann beides nicht miteinander ver-


gleichen. Die Angst von Frauen im Park ist


eine ganz andere. Ich würde wahrschein-


lich auch nicht nachts allein durch den


Park gehen – aber aus anderen Gründen.


Haben Sie Verständnis für #MeToo?


Ich habe für die Angst der Frauen großes


Verständnis. Ich habe viele Situationen


erlebt, in denen die Ansprache von Män-


nern nicht angemessen war. Vor allem,


wenn Alkohol im Spiel ist.


ALTER WEISSER


MANN


IST SICHER


NICHT


LIEBEVOLL


GEMEINT“


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