Vor dem Bürofenster docken Lkws
an die Lagerhalle an und laden ihre
Paletten ab. 20 bis 25 Lieferanten
kommen jeden Tag. Der Bedarf der
Zimmermann-Filialen ist immens,
sechs Einkäufer sind im Dauerein-
satz. Am liebsten mögen sie es groß:
Vergangenes Jahr hat Zimmermann
die komplette Konkursmasse eines
großen Aldi-Lieferanten, der baye-
rischen Royalbeach Spielwaren und
Sportartikel Vertriebs GmbH, auf-
gekauft: 9000 Viermannzelte, 4500
Dreimannzelte, 4000 Zweimannzel-
te, Aufblasmatratzen und -pools
und noch vieles mehr. Ware für 3,5
Millionen Euro. Nach vier Monaten
war so gut wie alles weg.
In der Branche gilt er als ein Ur-
vater des Billiggewerbes. Als Posten-
könig. Als er 1982 seine erste Firma
mit 5529,32 Mark Eigenkapital er-
öffnete, war das nicht abzusehen.
Erst drei Jahre später entdeckte er
die bereichernde Kraft des Ramschs:
„1985 bot mir mein Vermieter, ein
Schuhhändler, an, mit nach Kanton
zu fliegen. Da kaufte er immer ein.“
In der chinesischen Hafenstadt läuft
seit 1957 die weltgrößte Messe für
Import- und Exportware. „Ich bin
aus reiner Neugier mitgereist“, sagt
Zimmermann. Auf der Messe ent-
deckte er einen Stapel Ölbilder,
Nachahmungen holländischer
Meister, „das Zeug würde heute kei-
ner in die Hand nehmen“. Er aber
war bezaubert – und bestellte gleich
einen ganzen Container davon. 7000
Stück à 4,99 Mark: „Die Chinesen
haben dann wie verrückt gepinselt
und goldene Rahmen genagelt. Wir
haben die Ölschinken für 9,99 Mark
verkauft.“ Seitdem ist er angefixt.
Mit seinem Krempel stand er zu-
nächst ziemlich allein auf weiter
Flur. Konkurrenz kam nur langsam
auf. Der Resterampe-Zunft haftete
ein anrüchiges Image an. Kunden
huschten in die Läden, als wären es
Sexshops.
37 Jahre später hat sich die Lage
gedreht. Billig ist angesagt wie nie
zuvor. „Bei uns kaufen Putzfrauen
und Professoren“, sagt er, selbst ein
stolzer Rotarier. Statistisch öffnet
bundesweit jeden Tag mindestens
eine Filiale eines Non-Food-Dis-
counters, wie das Genre heißt. Rund
40 Anbieter drängen in die besten
Innenstadtlagen. Neben Zimmer-
mann gibt es Tedi, Action, Thomas
Philipps, Zeeman, Kodi, Hema, Euro-
shop, Pfennigpfeiffer, Rusta, Picks
raus, Jawoll, Centershop und viele
mehr. Rund vier Milliarden Euro
setzen sie im Jahr um – prozentual
wachsen sie momentan schneller
als der Onlinehandel. In einer Zeit,
da Traditionsgeschäfte reihenweise
dichtmachen müssen, breiten sich
die Billigheimer wie Unkraut aus.
„Kommen Sie“, winkt Zimmer-
mann, „gehen wir in die Rumpel-
kammer.“ Nach ein paar Türen tut
sich das gewaltige Lager auf – ein
Wimmelbild aus Menschen, Regalen,
Paletten und umhersausenden Ga-
belstaplern. Zwischen Bergen aus
Blumenerde, eingeschweißten Lei-
tern, Küchenpapierrollen und Do-
senwürstchen steht Zimmermanns
Sohn Sven, 33. Er soll mit seinem
Bruder Marc-Philip, 32, später einmal
das Geschäft übernehmen. Gerade
prüft er, ob der Versand der weißen
Wäschekörbe in die Zimmermann-
Filialen klappt. Die Behälter be-
stehen aus dünnem Plastik, das
nicht den Eindruck macht, als wür-
de es acht Kilo tropfnasse Wäsche
überstehen. Sie stammen von ir-
gendwo aus Italien, Sven weiß es
nicht genau. Spottbillig auf jeden
Fall. Ideale Zimmermann-Produkte.
„Einen Wä schekorb“, sagt Sven,
„brauche ich ja immer.“
Was man sonst noch alles so
braucht, zeigt sich an einem ande-
ren Tag in Köln. Dort sitzt Ulrich
Zimmermann in der Cafeteria der
Messehalle 10. Er trägt Jeans und
offenes Hemd und plaudert über
die Usancen seiner Zunft. Norma-
lerweise sind Billigheimer wie er
lichtscheu, aber der Postenkönig
kann sich Offenheit leisten. „Ich
habe 37 Jahre – Grüß dich! – in die-
sem Haifischbecken überlebt, 4
JEDEN TAG
ÖFFNET IRGEND-
WO EIN NEUER
BILLIGHEIMER
Eindrücke aus
Zimmermanns
Reich: Maggi aus
Polen und Schuhe in
den Filialen, Grill-
ausstellung und
Lager in der Olden-
burger Zentrale