Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1

holz zu gewinnen, in Indonesien und Ma-
laysia wird Regenwald massenhaft durch
Plantagen für Palmöl ersetzt.
Das ist das offensichtliche Drama. Aber
der Wald stirbt auch in Deutschland, wo
jahrhundertelang ebenfalls Urwälder ab -
geholzt und durch ökologisch wertlose
Holzplantagen ersetzt wurden. Mindestens
110 000 Hektar Wald sind in den vergange-
nen beiden Sommern vertrocknet, vom Bor-
kenkäfer befallen worden oder verbrannt.
Das Sterben des Waldes, es findet nicht
nur am Amazonas statt.
Aber der Walduntergang ist nicht un-
vermeidbar, das ist die gute Nachricht.
Es ist noch Zeit, und es gibt viele Strate-
gien, das Waldschwinden aufzuhalten –
und damit vielleicht auch den Klimawan-
del. Es braucht nur mutige Politiker, die
sie umsetzen. Forscher der ETH in Zürich
haben kürzlich berechnet, dass groß -
flächiges Aufforsten derzeit das wirksams-
te Mittel gegen die globale Erwärmung
sein könnte.
Es soll daher hier nicht nur um den bren-
nenden Amazonaswald gehen. Sondern
auch um Humbo, eine Region im Süden
Äthiopiens, wo aus der Ödnis plötzlich wie-
der Bäume sprießen. Und um das Waldgut
Jungenwald bei Merzig, einem Städtchen
nahe der Saarschleife, wo der Forstwirt
Klaus Borger ein Ökosystem geschaffen hat,
das dem Klimawandel trotzen kann.


Nur noch etwa 32 Prozent der deut-
schen Landfläche sind bewaldet, in Brasi-
lien sind es immerhin noch annähernd
60 Prozent. Anstatt den Schwellenländern
nun die Schuld am globalen Waldschwund
zuzuweisen, müssten Länder wie Deutsch-
land deshalb mit gutem Beispiel vorange-
hen: Mit einer mutigen Forstpolitik könnte
Deutschland eine vorbildliche Waldwende
hin zu einem naturnahen, zukunftsfähigen
Klimawald einleiten, der Klimaschutz,
Ökologie und Wirtschaftlichkeit vereint.
Die Realität sieht vorerst anders aus.
Denn was in Indonesien die Ölpalmen-
plantage ist, heißt hierzulande Fichten -
monokultur. Die Rodung seiner Urwälder
hat Deutschland schon vor 200 Jahren mit
preußischer Gründlichkeit erledigt. Ohne
den Kahlschlag wäre Deutschland fast voll-
ständig von robustem Mischwald bedeckt.
Und die vorherrschende Baumart wäre die
Buche.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bedienten
sich die Siegermächte dann mit sogenann-
ten Reparationshieben am deutschen
Wald. Danach wurde schnell aufgeforstet,
galt es doch den Holzbedarf der Nach-
kriegsnation zu decken. Kiefern und Fich-
ten sind schnell wachsend und mit ihren
geraden Stämmen leicht zu verarbeiten.
Wirtschaftlich ergab das anfangs durchaus
Sinn – ökologisch jedoch führten die Stan-
genwälder in eine Sackgasse.

Der Staatswald bei Merzigist ein typi-
scher Wirtschaftswald, ein abschreckendes
Beispiel fehlgeleiteter öffentlicher Forst-
wirtschaft. Dieses Beispiel möchte Klaus
Borger erst zeigen, und so fährt er mit sei-
nem Geländewagen auf einer Straße durch
den Wald, rechts und links stehen vorwie-
gend Fichten und Douglasien, eine Nadel-
baumart, die an der Pazifikküste Nordame-
rikas heimisch ist.
»Die derzeitige Waldkrise in Deutsch-
land ist nicht allein eine Folge des Kli -
mawandels – auch die Art der Wald -
bewirtschaftung trägt eine erhebliche
Mitverantwortung«, sagt Borger. »Die
meisten unserer Wälder sind entmischt.«
Maximal zwei Baumarten und höchstens
zwei Baumgenerationen stehen in Reih
und Glied wie überdimensionale Streich-
hölzer. »Plantagen« nennt er diese Forste,
»Produktionsflächen«.
Das Problem solcher Wälder: Sie trock-
nen aus und werden anfällig für Krank-
heiten. »Die Waldform ist entscheidend,
ob Bäume widerstandsfähig sind«, sagt
der Forstwirt.
Borger ist stellvertretender Vorsitzen-
der der Grünen im Saarland, in der
Jamaika koalition war er bis 2012 Staats-
sekretär im Umweltministerium des Bun-
deslands. Heute ist er Vorsitzender der
Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald,
eines Zusammenschlusses von 350 Forst-

DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019 13


VICTOR MORIYAMA / DER SPIEGEL
Rinderherde im Amazonasbundesstaat Rondônia: Nur noch importieren, wenn die Produkte nicht dem Regenwald schaden?
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