Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1

betrieben, der insgesamt rund 5000 Hek-
tar Privatwald betreut.
Als Staatssekretär brachte Borger fort-
während die Forstlobby gegen sich auf. So
sympathisierte er mit dem inzwischen ver-
storbenen slowenischen Forstwissenschaft-
ler Dušan Mlinšek, der die industrielle Ab-
holzung schon mal mit »Massenmord« ver-
glich und Holzfäller mit Bomberpiloten.
Inzwischen ist Borger etwas milder gewor-
den – »dass es manchmal im Wald aussieht
wie auf einem Truppenübungsplatz, auf
dem ein ›Leopard 2‹ herumgeprescht ist,
sage ich aber immer noch«.
Der Wald lichtet sich. Knapp zwei Hek-
tar sind auf einer Anhöhe kahl geschlagen.
Nur noch bemooste Baumstümpfe ragen
aus der Fläche, knochentrockene, rotbrau-
ne Fichtennadeln und tote Äste bedecken
den Boden. »Das ist ein Borkenkäferscha-
den«, sagt Borger, springt aus dem Wagen
und eilt die Böschung empor, um den Kahl-
schlag aus der Nähe zu begutachten. Im
Frühjahr sind die Fichten abgesägt worden.
Am Weg liegt noch ein Teil des »Schad-
holzes«. Die typischen Fraßspuren des
Borkenkäfers sind erkennbar.
Die wenige Millimeter großen Insekten
befallen bevorzugt geschwächte Nadelbäu-
me, bohren sich in die saftige Rinden-
schicht und legen dort ihre Brutgänge an.
Die Fraßschäden unterbrechen den Nähr-
stofftransport von der Krone in die Wur-


zeln und lassen die Bäume bei starkem Be-
fall schließlich absterben.
In einem anderen Waldstück zeigt Bor-
ger die »Rückegassen«, durch die gewalti-
ge Großmaschinen in den Wald fahren, um
das Holz zu »ernten«. An manchen Stellen
haben die mehrere Tonnen schweren Ge-
fährte tiefe Spuren in den Waldboden ge-
graben, den sie mit ihrem Gewicht extrem
verdichten. Zudem wird der Wald durch
das Einschlagen der bis zu sechs Meter
breiten Gassen und die systematische
Holz ernte immer lichter. »Da wird immer
wieder Holz weggeholt und nicht mehr in
neue Bäume investiert«, klagt Borger. In
der Folge gehe »die ganze Waldstruktur
kaputt«.
Ist das Kronendach erst einmal geöffnet,
fällt immer mehr Sonnenlicht auf den Bo-
den. Der Wald wird heiß und anfälliger
für Windbruch und Krankheiten. In den
Fichten stockt durch die Trockenheit der
Harzfluss, der normalerweise die Borken-
käfer abwehrt. »Der Borkenkäfer ist ein
Folgeschädling«, sagt Borger, »der hat erst
eine Chance, wenn der Wald ohnehin
schon geschwächt ist.«
Selbst das Fällen der Fichten hilft oft-
mals nicht gegen den Schädling – und
kann dem Wald sogar noch schaden. Denn
auch tote Fichten brächten Schatten und
damit Kühlung, berichtet Borger. Sind die
Bäume bereits abgestorben, habe der Bor-

kenkäfer sie ohnehin längst verlassen.
»Man läuft dem Käfer nur hinterher«, sagt
der Forstmann.
»Die Wälder trocknen so sehr aus, das
hat nichts mehr mit Wald zu tun«,
schimpft Borger. Um zu retten, was noch
zu retten ist, ernten die Waldbesitzer seit
Herbst 2018 bundesweit mehr Holz als ge-
braucht wird. Die Preise für Fichtenholz
sind mancherorts massiv gesunken.
Die Nadelholzmonokulturen haben al -
so vor allem zwei Nachteile: Sie sind an-
fällig für Schädlingsbefall. Und sie trock-
nen den Wald aus. Solche Holzacker
waren es auch, die im Sommer 2018 und
im Juli dieses Jahres in Bandenburg brann-
ten. Dort leiden vor allem die großflächi-
gen Kiefernwälder unter der Trockenheit.
72 Prozent des Waldes in Brandenburg
sind Kiefernforst.
Spätestens seit dem zweiten regen -
armen Sommer in Folge bezweifelt kaum
jemand mehr, dass Kiefern und Fichten in
Deutschland an den meisten Standorten
keine Zukunft haben.
»Der Klimawandel ist bei uns angekom-
men«, sagt Carsten Leßner, Leiter der
Obersten Jagd- und Forstbehörde des Lan-
des Brandenburg, »die Niederschläge ha-
ben sich dramatisch reduziert, und wenn
es regnet, dann in extremen Mengen.«
Leßners Behörde versucht, den Kiefern-
forst in einen stabileren Laubmischwald

14 DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019


SWEN PFÖRTNER / DPA
Fichten mit Borkenkäferschaden im Harz: »Der Schädling hat nur eine Chance, wenn der Wald ohnehin schon geschwächt ist«
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