»im Grundwasserstrom der Gleisanlagen
messbar«, obwohl das Mittel seit 1996
nicht mehr eingesetzt wird. Auch Gly -
phosat wurde bei »Messungen im Grund-
wasserstrom der DB-Anlagen« festge -
stellt, heißt es in einer Stellungnahme der
Stadt an das Eisenbahnbundesamt vom
Feb ruar 2019.
Außerdem, schreibt die Stadt, sei dem
»Einsatz von Herbiziden mit dem Wirk-
stoff Glyphosat« auf nicht landwirtschaft-
lich genutzten Flächen in NRW generell
keine Genehmigung zu erteilen. Aus Grün-
den des »vorsorgenden Gesundheitsschut-
zes« erließ die Landesregierung eine ent-
sprechende Vorschrift.
Das Eisenbahnbundesamt kümmerte
das wenig. Wie seit 1998 üblich, wich die
Behörde keinen Millimeter von ihrer Linie
ab. Der Wunsch der Düsseldorfer, den jähr-
lichen Spritzturnus wegen der »aktuellen
Diskussion über Glyphosat« wenigstens
auf zwei Jahre zu verlängern,
wurde ignoriert. Auch bei der
Forderung, die Bahn wenigs-
tens dazu zu verpflichten, das
Grundwasser entlang ihrer
Gleise regelmäßig zu kontrol-
lieren, gab es kein Entgegen-
kommen. Für eine solche
Überprüfung bestehe »keine
Rechtsgrundlage«, teilte das
EBA in einem Schreiben am
- März mit. Gleichzeitig ge-
nehmigte es den Einsatz der
glyphosathaltigen Chemika-
lien »Tender GB Ultra« und
»Glyfos Supreme« zur Un-
krautbeseitigung in 16 NRW-
Städten und Kreisen.
Welche der möglichen Pes-
tizide in welcher Dosierung
verwendet werden, entschei-
det allein der Dienstleister. Vorgabe des
EBA: So viel wie nötig, so wenig wie mög-
lich. Kommt es zu Fehlern, reagiert die
Aufsicht nachsichtig. So ließ sich das EBA
am 6. Dezember 2005 die Spritzprotokol-
le für die Strecke »2970« zwischen War-
burg und Altenbeken vorlegen. Mitarbei-
ter hatten auf Unregelmäßigkeiten hinge-
wiesen. Die Prüfung ergab, dass die aus-
führende Firma ein Glyphosatprodukt ein-
gesetzt hatte, das von der Behörde nicht
genehmigt war. Ohne Ankündigung oder
Begründung. Ein Versehen sei das gewe-
sen, sagte die Bahn. Dem EBA reichte die-
se Erklärung: »formaler Fehler« ohne »Si-
cherheitsrelevanz«, notierte der Beamte auf
der Akte und schloss die Untersuchung.
Seit nunmehr 20 Jahren sagt die Bahn,
sie bemühe sich um alternative Methoden
zur Unkrautbekämpfung, fände aber ein-
fach keine. Woran das liegen mag, zeigt
die Herbie-Studie des Internationalen
Bahnverbands UIC: am Geld. Der UIC
analysierte alle Alternativen und fand he-
raus, dass sämtliche Methoden vor allem
teurer sind und deutlich langsamer anzu-
wenden als die Spritzzüge.
Die hohen Kosten kämen auch daher,
dass die Methoden immer noch in An-
fangsstadien seien, weil zu wenig Geld
investiert werde, so der Verband. Das
müsse sich schnellstens ändern, da Gly-
phosat bald wegfallen könne. Die Lösung
wäre eine Kombination verschiedener
Verfahren, die dringend entwickelt wer -
den müssten.
Die Deutsche Bahn beteuert, mit Hoch-
druck daran zu arbeiten. Doch viel mehr
als ein gemeinsames Forschungsprojekt
mit dem Umweltbundesministerium hat
sie nicht vorzuweisen – und selbst das
steckt noch in der Findungsphase. Das
EBA verweist auf Forschungsprojekte die
sich derzeit in Ausschreibung befänden.
Wie die Bahn mit Firmen umgeht, die
Alternativen anbieten, zeigt das BeispielZasso. Die Schweizer Firma hat ein Strom-
verfahren entwickelt. Ein Generator jagt
über einen Applikator Strom mit hoher
Spannung in die Pflanzen, die dann in kur-
zer Zeit bis an die Wurzel welken und ab-
sterben. »Es gibt keinen Einsatz von Che-
mie, keine Belastung der Böden und eine
schnelle und gezielte Unkrautvernichtung
auch auf großen Flächen«, heißt es bei
dem Schweizer Start-up. In der Landwirt-
schaft ist das System bereits im Einsatz.
Zasso wollte zusammen mit der Deut-
schen Bahn testen, ob seine Technik auch
auf Gleiskörpern funktioniert. Die DB ver-
wies die Schweizer ausgerechnet an das
Unternehmen, dem sie Konkurrenz ma-
chen wollten: an die Bayer CropScience.
Die führt seit 1983 auf eigenen Spritzzügen
einen großen Teil der Vegetationskontrolle
für die Bahn durch. Auf deren Zügen sollte
das System erprobt werden.
Der Chemiekonzern machte erwar-
tungsgemäß kurzen Prozess mit der Neu-
heit. Zasso müsse sicherstellen, dass seinVerfahren die Fahrgeschwindigkeit der
Spritzzüge von 50 Stundenkilometern
nicht gefährde. Ansonsten könne man die
Apparatur nicht mitnehmen.
Dass es gerade darum ging herauszu -
finden, bei welchem Tempo das System
funktionieren könnte, kümmerte Bayer
wenig. Eine Geschwindigkeit zwischen 40
und 50 Stundenkilometern sei nötig, um
die »präzise Behandlung des Pflanzenaus-
wuchses zu gewährleisten«, so der Kon-
zern gegenüber dem SPIEGEL. Zasso zog
sich zurück und verhandelt nun mit ande-
ren europäischen Bahnen. Eine vertane
Chance für die DB, zumal sie bei dieser
Technik auch noch CO 2 -freien Grünstrom
nutzen könnte, den sie nach eigenem Be-
kunden in großen Mengen einsetzt.
Seit jeher ist die Bahn einer der größten
Stromverbraucher der Republik. Wenn
fünf moderne ICE im Münchner Haupt-
bahnhof gleichzeitig anfahren, muss ir-
gendwo in Bayern ein Pump-
speicherkraftwerk anspringen.
Das Strommanagement der
Bahn ist komplex. Weil für den
Schienenbetrieb eine spezielle
Spannung – 15 Kilovolt – be-
nötigt wird, musste die Bahn
langfristige Verträge mit der
Stromwirtschaft abschließen.
Unternehmen wie E.on oder
RWE bauten in Abstimmung
mit dem Unternehmen mil -
liardenteure Kraftwerke. Die
Bahn verpflichtete sich im Ge-
genzug, deren Strom oft über
Jahrzehnte abzunehmen.
Daran hat sich bis heute
wenig geändert. Die Bahn be-
zieht zwar auch Strom aus
Wasserkraftwerken in Süd-
deutschland, der Großteil aber
kommt aus konventionellen Quellen. Gas-
und Atomkraft sind darunter. Aber auch
Kohlekraftwerke wie in Mannheim oder
das über 20 Jahre alte im ostdeutschen
Schkopau. Schkopau wird mit Braunkohle
betrieben, bläst – je nach Auslastung jähr-
lich rund 5,5 Millionen Tonnen CO 2 , 340
Kilogramm Quecksilber und 3300 Tonnen
Stickoxide in die Umgebung und zählt zu
den dreckigsten Kraftwerken des Landes.
Kohlestrom könnte noch viele Jahrzehn-
te die Bahn antreiben. Vor mehr als zehn
Jahren band sich das Unternehmen ver-
traglich an das Kohlekraftwerk Datteln 4,
das nach derzeitiger Planung 2020 als letz-
tes und modernstes ans Netz gehen soll.
Beginnt der Betrieb, muss die Bahn über
Jahrzehnte bis zu 413 Megawatt Strom aus
Datteln abnehmen. Das sind nach Schät-
zungen von Experten rund 25 Prozent der
Strommenge, die für den gesamten Fahr-
betrieb der Bahn notwendig sind.
Wie verträgt sich das alles mit den Aus-
sagen der Bahn, schon heute 57 Prozent58 DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019WirtschaftGORDON WELTERS / DER SPIEGEL
Toxikologe Vogel in Zernsdorf, Brandenburg: Jäten gegen Gift