Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1

Fichte geführt und keine gravierende Fehl-
entscheidung getroffen.
SPIEGEL:Waren Sie befreundet?
Schröder:Das wird gelegentlich gesagt.
Aber das ist zu viel. Wir haben einander
respektiert. Zu mehr hatten wir auch keine
Zeit. Er sagte: Sie verstehen die Politik.
Ich sagte: Sie verstehen das Auto. Das de-
finierte unsere Zusammenarbeit.
SPIEGEL:Immerhin ließen Sie sich von
Ferdinand Piëch 1996 zum Wiener Opern-
ball einladen. Die Reise brachte Ihnen viel
Kritik ein.
Schröder: (lacht)Das kann man sagen.
Das war ja auch ein Fehler. Ich hatte als
Ministerpräsident in einem Interview ge-
sagt, wir werden tiefe Einschnitte in den


Sozialstaat machen müssen. Kurz danach
flogen wir mit dem VW-Firmenflugzeug
nach Wien. Piëch hatte eingeladen. In den
Tagen darauf veröffentlichten die Zeitun-
gen dann ein Foto mit Herrn und Frau
Piëch, mit mir und meiner damaligen Ehe-
frau auf dem Opernball. In Frack und lan-
gem Abendkleid natürlich. Die Überschrift
lautete: »Schröder: Tiefe Einschnitte erfor-
derlich.«
SPIEGEL:Wie stünde VW heute ohne die
Arbeit von Piëch da?
Schröder:Ohne die Arbeit von Ferdinand
Piëch in den Neunzigerjahren wäre VW
heute noch ein Übernahmekandidat. Das
war das Unternehmen ja lange Zeit. Als
ich Bundeskanzler war, besuchte mich der
damalige Ford-Chef Jacques Nasser und
sagte: Wir würden gern Volkswagen
übernehmen. Ich habe gesagt: Das wer-
den Sie nicht. Das VW-Gesetz, das dem
Land Niedersachsen ein Vetorecht ein-
räumt bei wichtigen Entscheidungen,
schützt das Unternehmen. Und von mir
als Bundeskanzler können Sie nur Wider-
stand erwarten. Nach fünf Minuten sagte

ich: »So, ich habe jetzt noch wichtige Ter-
mine« und wünschte ihm einen fröhlichen
Abend.
SPIEGEL:Haben Sie Piëch manchmal um
seine Machtfülle beneidet?
Schröder:Ich habe als Bundeskanzler ja
auch gern mal basta gesagt.
SPIEGEL:Der Abgang von Piëch als Auf-
sichtsratschef bei Volkswagen im Jahr 2015
war dramatisch. Er wollte VW-Chef Mar-
tin Winterkorn rauswerfen. Andere Auf-
sichtsräte, auch SPD-Ministerpräsident
Stephan Weil, drängten stattdessen Piëch
zum Abgang.
Schröder:Das war falsch, was da passiert
ist. Man hätte sagen müssen: Es gibt einen
Konflikt zwischen dem Aufsichtsrats- und
dem Konzernchef. Da muss der angestellte
Konzernchef gehen. Einen solchen Ab-
schied hatte Piëch nicht verdient, denn er
hatte immer an die Zukunft des Unter -
nehmens gedacht. Ferdinand Piëchs Tod
jetzt bedauere ich nicht nur, er schmerzt
mich auch.
Interview: Dietmar Hawranek, Marc Hujer

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PEER GRIMM / DPA
Kanzler Schröder, Konzernchef Piëch in Berlin 1999: »Sollten Sie nicht lieber eine Tischlerei kaufen?«

»Er sagte: Sie verstehen
die Politik. Ich sagte:
Sie verstehen das Auto.
Das definierte unsere
Zusammenarbeit.«
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