Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1

tete sich der Qaida- Ableger Ansar al-
Scharia in der Region um Bengasi aus,
schickte Kämpfer in den Krieg gegen die
Franzosen nach Mali und nach Syrien.
Immer öfter kam es zu Anschlägen. Als
sich die internationale Gemeinschaft nach
dem Mord an US-Botschafter Christopher
Stevens im September 2012 aus Bengasi
zurückzog, übernahmen die Dschiha -
disten endgültig die Kontrolle in großen
Teilen der Stadt.
Es war ein Zustand der Gesetzlosigkeit,
den Haftar für sich nutzte. Gekleidet in
Militäruniform, rief er 2014 die Libyer im
Fernsehen zur Rebellion gegen die Mili-
zenregierung in Tripolis auf. Die Men-
schen verweigerten ihm zunächst die Ge-


folgschaft. Wie soll das gehen, ein Putsch
ohne Armee, fragten sich viele. Haftar je-
doch begann, mit den Stämmen im Osten
des Landes Allianzen zu schmieden. In
einem dreijährigen blutigen Häuserkampf,
gelang es ihm 2017, die Islamisten aus Ben-
gasi zu vertreiben. 
Libyen ist zweigeteilt: Im Westen, in
Tripolis, hat die Uno im März 2016 Fayez
Sarraj, einen ehemaligen Architekten, als
Regierungschef installiert. In Wahrheit
wird die Region jedoch von verschiede-
nen Milizen beherrscht. Im Osten, um
Bengasi, hat General Haftar das Sagen.
2018 eroberte seine LNA den Süden des
Landes, um im Frühjahr auf Tripolis vor-
zurücken.

Haftar hat seinen Anhängern einen Blitz-
krieg gegen die Milizen von Tripolis ver-
sprochen. Inzwischen haben die Gefechte
mehr als 1000 Menschen das Leben gekos-
tet, mehr als 100 000 mussten fliehen. Der
Konflikt entwickelt sich zu einem Stellver-
treterkrieg: Die Türkei und Katar unterstüt-
zen Sarraj, Ankara liefert unter anderem
Drohnen. Saudi-Arabien, die Vereinigten
Arabischen Emirate und Ägypten stehen
hinter Haftar. Auch Frankreich hat sich mitt-
lerweile mehr oder weniger offen auf die
Seite des Warlords geschlagen. Und doch
bewegen sich die Fronten kaum noch.
Marhab ist in Bengasi geboren, er hat
hier immer gewohnt, außer wenn er auf
einer Ölplattform arbeitete. Er hat sein

DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019 79


SERGIO RAMAZZOTTI / DER SPIEGEL
Zerstörtes Zentrum von Bengasi: Die Wunden verheilen nicht
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