Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1

8 DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019


Meinung


SPD-Generalsekretär Lars
Klingbeil hätte sich gern
als Parteichef beworben.
Das klappt nicht, wegen
der Parität. Klingbeil
fand keine Frau, die
mit ihm im Doppelpack
antritt. Die chancenreichen
Spitzen genossinnen sagten alle ab.
Klingbeil lief durch die Partei wie der
Jungbauer übers Schützenfest mor-
gens um halb vier.
Manuela Schwesig, Ministerpräsi-
dentin von Mecklenburg-Vorpommern,
will nicht, weil sie noch keine wichtige
Wahl gewonnen hat und offenbar
fürchtet, dass ihr das SPD-Amt bei den
Bürgern mehr schadet als nutzt.
Franziska Giffey, Bundesfamilien -
ministerin, will nicht, weil sie
nicht weiß, wann und wie der Streit
um ihren Doktortitel ausgeht.
Katarina Barley, Vizepräsidentin des
EU-Parlaments, will nicht, weil sie
gerade erst ihren Job in Brüssel und
Straßburg angefangen hat, zumal
ihr neuer Lebensgefährte in Amster-
dam lebt.
Nun liegt es mir grundsätzlich fern,
die Lebensführung anderer Leute zu
kritisieren. Mag jeder auf seine Art
glücklich werden, meinetwegen sogar
in der SPD.

Ich stelle es mir allerdings schwierig
vor, wenn Barley beim nächsten
Girls’ Day auftritt und zu den jungen
Frauen sagt: Ich hätte Chefin meiner
Partei werden können, aber was wäre
dann aus meiner Work-Life-Balance
geworden?
Oder wenn Franziska Giffey
beim Weltfrauentag fordert: Wir wol-
len die Hälfte des Himmels und
der Erde, aber bitte keinen Stress.
Oder Manuela Schwesig demnächst
bei der Arbeitsgemeinschaft Sozial -
demokratischer Frauen: Liebe Genos-
sinnen, Hurra auf 100 Jahre Frauen-
wahlrecht – aber stimmt jetzt bloß
nicht für mich!
Hat die große, alte Gerechtigkeits-
partei SPD nicht stets für die Gleich-
stellung von Mann und Frau gekämpft?
Für mehr Frauen in Führungspositio-
nen, mehr Geld, mehr Macht, gegen
die gläserne Decke?
Jetzt drücken sich die drei SPD-
Frauen vor der Verantwortung nach
dem Motto: Schwestern, zur Sonne,
zur Freiheit. Die Arbeit sollen derweil
die anderen machen.
Ich fürchte: Das Patriarchat wird
sich so nicht besiegen lassen.

An dieser Stelle schreiben Alexander Neubacher
und Markus Feldenkirchen im Wechsel.

Alexander NeubacherDie Gegendarstellung

Schwestern, zur Sonne, zur Freiheit


So gesehen

Wenn er kommt


Merkels Strategie für den
Trump-Besuch

Seitdem Donald Trump bei einem
Pressegespräch mit Angela Merkel in
Biarritz überraschend einen Besuch
in Deutschland angekündigt hat,
herrscht in der hiesigen Regierung
Verunsicherung: Was könnte der irre
Ami-Anführer von uns wollen?
In der jüngsten Vergangenheit wollte
er den Dänen Grönland abkaufen,
sodann sprach er von sich selbst als
dem »Auserwählten«. Zudem soll
Trump in Erwägung gezogen haben,
Wirbelstürme mit dem Abwurf
von Atombomben zu bekämpfen.
In Berlin wird nun hektisch an
diplomatischen Reaktionen auf mög-
liche Anfragen des mächtigen Ver-

bündeten gefeilt. Als wahrscheinlich
gilt, dass Trump am Erwerb einer
deutschen Insel interessiert ist,
womöglich Sylt. Merkel soll dann
versuchen, ihn Richtung Mallorca
abzulenken (»It’s very german«),
was das Problem zu den Spaniern
verlagern würde.
Für möglich gehalten wird auch,
dass Trump Festland in Besitz neh-
men möchte, etwa die bayerischen
Alpen, um sich dort eine »Mountain
Ranch« zu errichten, oder Mecklen-
burg-Vorpommern für Atombomben-
tests. Merkel soll ihm dann den
Erwerb Sachsens und/oder Branden-
burgs schmackhaft machen, was
die AfD-Quote in der verbliebenen
Bundesrepublik signifikant drücken
könnte.
In jedem Fall ist die Regierung
bereit, dem US-Auserwählten ein
nützliches Gastgeschenk mitzugeben,
um ihn gnädig zu stimmen. Hans-
Georg Maaßen soll Trump künftig
als unbezahlter Sonderberater in
Migrations- und Grenzfragen dienen.
Die Kanzlerin geht davon aus, dass
sich ihr treuer Parteifreund gern zur
Verfügung stellt.
Stefan Kuzmany
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