Süddeutsche Zeitung - 30.08.2019

(Romina) #1
Dresden/Lommatzsch –Hinter Jörg Ur-
bans Schreibtisch rammt ein blonder Jüng-
ling in schwarz glänzender Rüstung eine
Lanze in das aufgerissene Maul eines Dra-
chen. Eigentlich wollte Urban das Bild des
Heiligen St. Georg ja zu Hause aufhängen.
„Meine Frau war dagegen“, sagt er. Das
Blut, die Skelette im Staub. Jetzt ist das
Bild Blickfang für jeden, der das Büro des
Fraktionsvorsitzenden der AfD im sächsi-
schen Landtag betritt. Der Legende nach tö-
tete St. Georg einen Drachen, rettete da-
durch eine Königstochter und befreite de-
ren Heimatstadt von der Tyrannei der Bes-
tie. Urban ist kein Christ. Aber dem Chef
der AfD in Sachsen gefällt die Geschichte
vom Kampf zwischen Gut und Böse.
Das merkt man auch dem Wahlkampf
an, den der 55-jährige Spitzenkandidat
führt. Den Gegnern werden da gerne mal –
ähnlich wie in der Georgslegende – gerade-
zu monströse Züge angedichtet. Als etwa
der Landeswahlausschuss die Landesliste
der AfD wegen Verfahrensfehlern bei der
Aufstellung von 61 zunächst auf 18 Kandi-
daten zusammenkürzte, suchte Urban
nicht nach parteiinternen Fehlern. Er gei-
ßelte den Vorgang als „politischen Skan-
dal“, unterstellte den „Altparteien“, den
Wählerwillen behindern zu wollen. Ein Ur-
teil des Verfassungsgerichtshofs gestand
der Partei schließlich 30 Listenplätze zu.
Auch sonst liebt Urban die Attacke. Er
wettert im Wahlkampf gegen den öffent-
lich-rechtlichen Rundfunk: „Jede Diktatur
würde vor Neid erblassen.“ Schimpft über
eine „Klima-Hysterie“. Schürt die Angst
vor einer schwarz-rot-grünen-Koalition
angeführt vom CDU-Ministerpräsidenten
Michael Kretschmer. Und Urban ver-
spricht Rettung. Durch seine Partei: „Wer
will uns aufhalten?“
Die AfD hofft, bei der Landtagswahl am


  1. September stärkste Kraft zu werden. In
    früheren Umfragen lag sie zuweilen gleich-
    auf mit der CDU. Aktuellen Prognosen zu-
    folge erreicht sie 25 Prozent, die CDU
    31 Prozent. Eine schwarz-blaue Koalition
    wäre möglich. Doch Kretschmer hat einem
    solchen Bündnis schon sehr früh eine Absa-
    ge erteilt. Urban entgegnete: „Wer hat ihn
    überhaupt gefragt?“
    Als er im Februar 2018 in Hoyerswerda
    zum Landeschef der AfD in Sachsen ge-
    wählt wurde, versprach er, die AfD werde
    nach den Landtagswahlen selbst den Mi-
    nisterpräsidenten stellen. Beim Gespräch
    in seinem Büro wirkt Urban nun weniger
    kämpferisch. Zwar will er mit seiner Partei


stärkste Kraft werden. Ob er Ministerpräsi-
dent werden möchte? „Nicht dringend.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass die AfD bald
mitregiert? „Sieht nicht so aus.“
Auch inhaltlich verschwimmen bei Ur-
ban zuweilen die klaren Linien. Der AfD-
Chef, dessen Wahlkreis in der Lausitz liegt,
setzt sich für den Fortbestand des Braun-
kohletagebaus und gegen den Ausbau er-
neuerbarer Energien ein. Es gibt eine Foto-
montage, die ihn vor Solarmodulen zeigt.

„Experiment Energiewende sofort been-
den“, steht darüber. Recherchen des ZDF-
Magazins „Frontal 21“ zufolge betreibt Ur-
ban aber selbst eine Photovoltaik-Anlage,
profitiert also von genau jenen staatlichen
Förderungen, die seine Partei abschaffen
will. Urban war früher Geschäftsführer
beim Umweltverband Grüne Liga in Sach-
sen. Er klagte gegen den Bau der Wald-
schlößchenbrücke in Dresden, kämpfte
für den Artenschutz. Er engagierte sich
kurz bei der Piratenpartei – bevor er 2013
in die AfD eintrat und wenig später in den
Landtag gewählt wurde. Als Frauke Petry

die Partei nach der Bundestagswahl 2017
verließ, wurde Urban ihr Nachfolger. Unter
seiner Führung näherte sich die AfD rechts-
radikalen Gruppen wie Pegida an. Bei Par-
teiveranstaltungen tauchte plötzlich Pegi-
da-Chef Lutz Bachmann auf. Urban selbst
trat bei einer Pegida-Kundgebung auf. „Pe-
gida und die AfD sind dieselbe Bewegung“,
sagte er vor 1500 Demonstranten.
Er sei „beliebig“, hat Petry hat mal über
Urban gesagt. „Er wird sich immer den
Strömungen der Basis hingeben.“ Tatsäch-
lich hält sich Urban alle Optionen offen.
Auch beim Umgang mit dem völkischen
Flügel um den Thüringer AfD-Landesvor-
sitzenden Björn Höcke. Urban hat das
Gründungsmanifest unterschrieben, ist zu
Gast bei regelmäßigen Treffen. Nachdem
in Chemnitz mutmaßlich zwei Flüchtlinge
einen jungen Mann getötet hatten, de-
monstrierten Urban und Höcke gemein-
sam mit Rechtsextremen.
Die programmatische Bedeutung der
völkischen Strömung in der Partei spielt
Urban herunter. „Man trifft sich, um den
Patriotismus als Klammer für die Partei
herauszustellen, um sich selbst zu bestär-
ken“, sagt er. Höcke sei lediglich ein Politi-
ker mit eigenem Stil. Ein Stil, der bei der Ba-
sis im Osten gut ankommt. Urban weiß
das. Deswegen lässt er sich von Höcke im

Wahlkampf unterstützen. Wie Mitte Juli in
der Kleinstadt Lommatzsch: 400 Men-
schen sind an einem Sonntagabend zur
AfD ins Schützenhaus gekommen. Als Hö-
cke mit langen Schritten zur Bühne läuft,
erhebt sich das Publikum klatschend und
skandiert seinen Namen. Lächelnd reckt
Höcke die Arme in die Höhe, tritt an das
mit der Deutschlandfahne umhüllte Red-
nerpult und sagt: „Wir werden den Osten
blau machen, wir werden die politische
Sonne hier aufgehen lassen, um sie dann
über ganz Deutschland scheinen zu las-
sen.“ 40 Minuten dauert Höckes Auftritt.
Urbans Rede ist an diesem Abend halb so
lang, halb so mitreißend. Er umklammert
das Pult. Höcke lehnt lässig darauf. Urban
schaut aufs Blatt, Höcke ins Publikum. Ur-
ban macht bei Applaus Pause. Höcke brüllt
darüber hinweg.
Auch Urbans Name steht mehrfach im
AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes.
Er bezeichnete junge Mädchen als
„Schlachtvieh“, warnte vor Liebesbezie-
hungen mit „jungen Männern aus der Mes-
serkultur“. Wegen seiner Aussagen darf
der Politiker als Neonazi bezeichnet wer-
den. Das hat das Landgericht Dresden ent-
schieden. Urban sagt über sich selbst: „Ich
bin ein sachlicher Mensch.“
antonie rietzschel

von constanze von bullion

Berlin –Schönen gutenTag und wumms
und schon steuert sie auf zwei ältere Her-
ren zu. Die beiden sind mit dem Rad in der
Lausitz unterwegs. Erst schauen sie auf die-
ses Riesenloch, das der Braunkohletage-
bau gerissen hat. Und dann auf dieses
Kraftwerk in roten Schuhen, das sich vor ih-
nen aufbaut. „Und was machenSiehier?“,
fragt einer und blinzelt Annalena Baer-
bock ungläubig an. So, als sei sie doch ei-
gentlich im Fernsehen daheim, in einer die-
ser Talkshows.
Braunkohletagebau Welzow-Süd an ei-
nem Tag im August, die Grünenvorsitzen-
de Annalena Baerbock ist auf Wahlkampf-
tour durch die Lausitz. Am 1. September
wird in Brandenburg und Sachsen ge-
wählt, und hier, an der Welzower Tagebau-
kante, lassen sich grüne Anliegen aufs An-
schaulichste vorführen. Bis zum Horizont
reicht die wüste Landschaft, die Böden
sind aufgerissen, Bagger wühlen sich vor-
an, in der Ferne steigt Dampf aus den Kühl-
türmen eines Kraftwerks. Bis 2030, sagt
Baerbock, soll Schluss sein hier. „Da verfeu-
ert sowieso keiner mehr Kohle.“

Die Braunkohle ist, wenn man so will,
ein Dauerbrenner im Leben von Annalena
Baerbock. Seit Jahren legt die gebürtige
Niedersächsin sich mit Energiekonzernen
und Kohlekumpeln in Brandenburg an.
Hier lebt sie, hier hat sie von 2009 an einen
winzigen grünen Landesverband aufge-
baut. Inzwischen sind Brandenburgs Grü-
ne auf dem Sprung in die Landesregie-
rung, ähnlich wie in Sachsen. Die Parteivor-
sitzende reist also über die Dörfer, ermun-
tert Alte, lobt Erfinderische, fordert schnel-
leres Internet, Bahntrassen, Zuversicht.
Meist wirkt sie dabei, als sei da Energie für
viel mehr. Nur, wo soll die eigentlich hin?
14 Prozent haben die Wahlforscher den
Grünen in Brandenburg vorhergesagt und
elf Prozent in Sachsen. Für eine Partei, die
in Ostdeutschland lange in der Diaspora ge-
lebt hat, ist das ein mittleres Wunder. Ganz
sicher aber sind die Grünen nicht, ob am
Wahlsonntag noch ein paar Prozent verlo-
ren gehen. Im Wettlauf der großen Volks-
parteien mit der AfD könnten kleinere Par-
teien am Ende das Nachsehen haben.
Es wird also gekämpft, auch am Tage-
bau in Welzow, wo Annalena Baerbock vor
eine Kamera tritt. Über ihr brummt eine
Drohne, über die 38-Jährige wird eine
Langzeitdokumentation gedreht. Mal se-
hen, was aus der Frau noch wird. Was hier
in 20 Jahren sein solle, fragt der Reporter.
Baerbock antwortet nicht: ein See. Auch
nicht: ein Wald. Sie bleibt im Ungefähren.
„Wir stehen hier so’n bisschen zwischen
Vergangenheit und Zukunft“, sagt sie und

zeigt auf eine Fabrik, die abgebaggert wer-
den soll. „Viele in der Region wollen, dass
ihr Dorf am Leben bleibt.“ Die Leute
bräuchten Planungssicherheit.
2038 soll in Deutschland Schluss sein
mit der Kohle, die Grünen fordern den Aus-
stieg sogar schon für 2030. Ein Ausstiegs-
gesetz aber fehlt in der Lausitz, diese Unge-
wissheit nährt die AfD. Gut 8000 Jobs hän-
gen hier an der Kohle, auch die Grünen mei-
den deshalb scharfe Töne. „Es ist so tief ge-
spalten hier, dass schon Freundschaften
zu Bruch gehen“, sagt der grüne Kreisvor-
sitzende in Spree-Neiße, Robert Richter.
25 Mitglieder hat sein Kreisverband, 2018
waren es noch fünf. Zu Hochmut aber gebe
es wenig Grund. Gut jeder Vierte hat bei
der letzten Kommunalwahl AfD gewählt,
die Grünen kamen auf 4,6 Prozent.
Annalena Baerbock spricht jetzt oft von
„Pragmatismus“ und von den Leuten von
Bündnis 90, der Abteilung Ost der Grünen.
„Sie hatten eine friedliche Revolution ge-
schafft. Sie wussten, was es heißt, pragma-
tisch zu sein und mit anderen an runden Ti-
schen eine Verfassung mitzuschreiben.“
Nicht alles habe damals geklappt, aber die
Grünen könnten wieder anknüpfen an die-
sen Geist, „Dinge positiv zu verändern“.
Man könnte es auch nüchterner ausdrü-
cken. Um die AfD von der Macht fernzuhal-
ten, werden die Grünen in Brandenburg
wohl mit der fußlahmen SPD regieren, in

Sachsen mit der rechtsdrehenden CDU.
Vergnüglich wird das nicht, weshalb Spit-
zengrüne ihre neue Gefolgschaft schon
mal auf „pragmatische“, also schmerzhaf-
te Kompromisse einstimmen.
AfD verhindern, das ist jetzt oberstes
Gebot bei den Grünen. Und Lagerdenken
hält Baerbock ohnehin für Fusselbartkram
von gestern. Diese grüne Kampfmentali-
tät, Brokdorf, das sei doch vorbei, sagte sie
mal. Zur guten Sache könnten auch über-
parteiliche Allianzen führen.

Es gibt da aber noch eine andere Annale-
na Baerbock, eine weniger kompromissbe-
reite. Als Kind treibt sie Leistungssport,
hat Ehrgeiz, Sinn für Wettkampf. Mit 16
geht sie in die USA, macht danach ein Ein-
serabitur, studiert Völkerrecht in London.
Ihre jüngere Tochter ist drei Jahre alt, da
wird sie Parteichefin der Grünen. Und
jetzt? Trauen manche den Grünen sogar
die Kanzlerschaft zu, genauer gesagt: Baer-
bocks Mitparteichef Robert Habeck.
Besuch in der Berliner Parteizentrale
der Grünen, Baerbocks Laune ist nur mit-
telgut an diesem Tag. Was macht der Zu-
spruch für die Grünen eigentlich so mit

ihr? „Vor allem ist es ’ne Menge Verantwor-
tung“, sagt sie. Und wie ist es, neben Publi-
kumsliebling Robert Habeck zu stehen?
Der Hype um seine Person ist gewaltig, wie
hält eine ehrgeizige Frau das aus?
Baerbock macht jetzt ein Geräusch, das
klingt wie pfffft. Der Rest wird später aus
dem Protokoll gestrichen. Freigegeben
werden dafür diese Sätze: „Zwischen uns
ist Vertrauen gewachsen, und wir wissen,
was wir aneinander haben. Uns beiden ist
klar, dass wir das alles hier nur zusammen
stemmen, und für uns beide ist die Partei
keine Einzelkämpfershow.“ Sie könne jetzt
manches verstehen, was Claudia Roth im-
mer beschrieben habe, sagt Baerbock spä-
ter noch. „Aber es selbst zu erleben ist halt
noch mal was anderes.“
Anruf bei Bundestagsvizepräsidentin
Claudia Roth, sie legt gleich los: dass grü-
nen Männern schnell Führung zugetraut
wird, grünen Frauen aber bestenfalls Sach-
kompetenz – oder irgendwas Atmosphäri-
sches. Blitzgescheit, integrativ, eine über-
zeugte Europäerin sei die Kollegin Baer-
bock, lobt Roth. Und nein, leicht habe sie es
nicht neben Habeck. „Wir reden von Poli-
tik. Natürlich gibt’s Konkurrenz.“
Aber muss Annalena Baerbock das ei-
gentlich alles wollen? Kanzlerin werden,
Habeck hinter sich lassen? Wer der Partei-
vorsitzenden diese Frage stellt, sieht eine
Miene, die sagt: Sie kann es wollen. Die grü-

ne Bundestagsabgeordnete Katja Keul
sagt: „Man muss sich mal davon frei ma-
chen, dass Männer immer alles wollen und
Frauen immer Bedenken haben sollen.“
Eine Doppelspitze im Kanzleramt aber
wird es nicht geben, im Erstfall müsste ei-
ner im Spitzenduo verzichten. Wie geht
das ohne Gesichtsverlust? Abwarten, sagt
Jürgen Trittin, der grüne Fuchs, und er-
zählt, wie Joschka Fischer 2002 alleiniger
Spitzenkandidat wurde. Eigentlich ging
das nicht, bei den Grünen gilt Doppelspit-
zenpflicht. Beschlossen wurde Fischers So-
lo aber doch, und Führungsfrauen wie Bär-
bel Höhn sei die Aufgabe zugefallen, die
Entscheidung beim Parteitag zu verteidi-
gen. Ohne Unterstützung der Frauen
kommt kein Mann auf Platz eins, so kann
man das verstehen. Und dass es nicht klug
wäre, eben diese Frauen durch Habeck-
sches Primadonnentum aufzubringen.
An einem Sommerabend steht Annale-
na Baerbock vor Wählern in Neuruppin, ei-
nem Brandenburger Bilderbuchort. In der
Zeitung stand an diesem Morgen, der Grü-
nenpolitiker Daniel Cohn-Bendit empfeh-
le ihr den baldigen Verzicht auf die Kanzler-
kandidatur. Baerbock erläutert die Wasser-
rahmenrichtlinie und die Gülleverord-
nung, wird von einem Rechten angekof-
fert, koffert zurück. „Ich find’s super, dass
wir hier so einen Dissens haben“, sagt sie
am Ende. Unglücklich sieht sie nicht aus.

Der Bundestag verlangt von der AfD eine
Strafzahlung wegen nicht deklarierter Ein-
nahmen. Die AfD solle insgesamt 34 169
Euro zahlen, weil sie Einnahmen aus dem
sogenannten Kyffhäusertreffen der
rechtsnationalen Parteigruppierung „Flü-
gel“ vor zwei Jahren nicht ordnungsge-
mäß in ihrem Rechenschaftsbericht er-
fasst habe, erklärte ein Parlamentsspre-
cher. Über den Strafbescheid hatten zu-
nächst das ZDF undSpiegel onlineberich-
tet. Der vom thüringischen Landesvorsit-
zenden Björn Höcke geleitete „Flügel“ hat-
te Parteimitglieder für den 2. September
2017 zu seinem dritten „Kyffhäusertref-
fen“ eingeladen und dabei von jedem er-
wachsenen Teilnehmer eine Gebühr von
20 Euro verlangt. Nach Angaben des Bun-
destagssprechers beliefen sich die Einnah-
men damals auf 17 084,48 Euro. Gemäß
den Vorgaben des Parteiengesetzes wur-
de der Strafbefehl auf das Doppelte dieses
Betrags ausgestellt. SZ

Berlin– Beim Empfang von Bundes-
kanzlerin Angela Merkel dankte der
neue griechische Premier Kyriakos
Mitsotakis „dem deutschen Volk für
seine anhaltende Unterstützung der
letzten Jahre“. Er werde viel weitreichen-
dere Reformen umsetzen als von der
Vorgängerregierung geplant. „Da brau-
chen wir Deutschland an unserer Seite.“
Der Premier betonte, er wolle sich nicht
nur über die Tilgung von Schulden un-
terhalten, sondern auch über Wachs-
tum. Mitsotakis sagte, man bereite mit
Deutschland „ein großes Investitions-
programm vor, ein ehrgeiziges“; mit
Klimaschutz und Elektromobilität. Zu
den vielen Flüchtlingen, die die tür-
kisch-griechische Grenze wieder über-
queren, sagte er: „Wir wünschen uns
auch Unterstützung in der Flüchtlings-
frage“. Schließlich sprach der griechi-
sche Premier die Frage der Reparatio-
nen für Kriegsopfer und -schäden an.
Er hoffe, das „schwierige Kapitel“ kön-
ne bald zugeklappt werden.gam


Strafzahlung


BuenosAires– Die argentinische Regie-
rung will die Milliardenkredite des
Internationalen Währungsfonds (IWF)
später zurückzahlen als bislang vorgese-
hen. Er habe mit dem Fonds Verhand-
lungen über die Fälligkeit der Kredite
aufgenommen, sagte Finanzminister
Hernán Lacunza am Mittwoch. Zuletzt
war ein Team des IWF in Buenos Aires,
um die geforderten Sparmaßnahmen
und Reformen zu überprüfen. Nach der
Ankündigung Lacunzas sagte IWF-Spre-
cher Gerry Rice: „Wir verstehen, dass
die Regierung diesen Schritt gemacht
hat, um für Liquidität zu sorgen und die
Reserven zu schützen. Wir stehen in
diesen herausfordernden Zeiten an der
Seite von Argentinien.“ Als der Peso
2018 stark abwertete, gewährte der IWF
einen Bereitschaftskredit von 57 Milliar-
den Dollar. Zuletzt war die Währung
aber erneut heftig unter Druck geraten,
nachdem bei Vorwahlen der wirtschafts-
liberale Präsident Mauricio Macri dem
linken Oppositionskandidaten Alberto
Fernández unterlag. dpa


Berlin– Kinder und Enkel von NS-Verfolg-
ten sollen leichter die deutsche Staatsange-
hörigkeit erhalten können als bisher. Wie
das Bundesinnenministerium mitteilte,
treten ab Freitag zwei Erlasse in Kraft, die
eine unübersichtliche Rechtslage beenden
sollen. So soll die Wiedereinbürgerung von
Menschen vereinfacht werden, deren Vor-
fahren in der Zeit des Nationalsozialismus
aus Deutschland geflohen sind und die an-
derswo eine neue Staatsangehörigkeit an-
genommen haben. „Deutschland muss sei-
ner historischen Verantwortung gegen-
über denjenigen gerecht werden, die als
Nachfahren deutscher NS-Verfolgter
staatsangehörigkeitsrechtliche Nachteile
erlitten haben“, erklärte Bundesinnenmi-
nister Horst Seehofer (CSU).
Bisher gab es in der Frage der Wiederein-
bürgerung NS-Verfolgter und ihrer Nach-
kommen eine komplizierte und wenig ge-
rechte Rechtslage. So haben Nachkommen
verfolgter Juden zwar grundsätzlich An-
spruch auf Wiedereinbürgerung in
Deutschland. In Artikel 116 des Grundge-
setzes heißt es dazu: „Frühere deutsche
Staatsangehörige, denen zwischen dem


  1. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die
    Staatsangehörigkeit aus politischen, rassi-
    schen oder religiösen Gründen entzogen
    worden ist, und ihre Abkömmlinge sind
    auf Antrag wieder einzubürgern.“
    Allerdings kamen dabei einige Gruppen
    Verfolgter und deren Nachfahren gar nicht
    erst zum Zug. Wer etwa gerade noch recht-
    zeitig aus dem nationalsozialistischen
    Deutschland emigrieren konnte und an-
    derswo eine neue Staatsbürgerschaft an-
    nahm, ohne zuvor die deutsche verloren zu
    haben, konnte nach 1945 nicht in der Bun-
    desrepublik einbürgern. Der Verfolgungs-
    druck, dem solche Menschen ausgesetzt
    waren, sei ebenso groß gewesen wie bei NS-
    Opfern, denen in Deutschland der Pass
    weggenommen worden sei, hieß es im Bun-
    desinnenministerium. An der „Wiedergut-
    machungsregelung“ des Grundgesetzes
    hätten sie jedoch nicht teilhaben können.
    Ähnlich ungerecht wirkte sich die bishe-
    rige Regelung für Nachfahren verfolgter
    Frauen aus. Denn in der Bundesrepublik
    konnten die Staatsbürgerschaft bis zum
    Jahr 1975 nur über die väterliche Linie ver-
    erbt werden. In der Folge blieben beispiels-
    weise Kinder verfolgter und vertriebener
    jüdischer Mütter von der Möglichkeit aus-
    geschlossen, einen deutschen Passes zu be-
    kommen. Im Jahr 2012 wurde hier nachge-
    bessert. Dennoch kam es kam es offenbar
    immer wieder zu Ablehnungen. lion


Er sei „beliebig“, hat die frühere Landeschefin Frauke Petry mal über Urban gesagt,
der über den Umweltschutz und die Piratenpartei zur AfD fand. FOTO: R. MICHAEL/DPA

Mitsotakis bittet um Hilfe


„Wer will uns aufhalten?“


Jörg Urban versucht, für Sachsens AfD einen aggressiven Wahlkampf zu führen – doch Begeisterung entfacht ein anderer


Die Dauerbrennerin


Mehr als zehn Prozent sagen Wahlforscher den Grünen in Brandenburg und Sachsen voraus, aber sicher ist das keineswegs.
Parteichefin Annalena Baerbock wirbt bei ihrer Wahlkampftour durch die Lausitz da, wo es am schwersten ist: im Kohlerevier

Rom –Das italienische Innenministeri-
um hat die Anlandung von Frauen,
Kindern und Kranken auf dem südlich
der Insel Lampedusa blockierten Ret-
tungsschiffMare Joniogenehmigt. Dem
Schiff war die Einfahrt in italienische
Gewässer trotz schwerer See zunächst
verweigert worden war. Nun ordnete
das Ministerium an, die besonders
schutzbedürftig geltenden Flüchtlinge
an Land zu bringen, wie die italienische
Hilfsorganisation Mediterranea Saving
Humans am Donnerstag mitteilte. De-
ren Schiff hatte am Vortag vor der liby-
schen Küste knapp hundert Bootsflücht-
linge gerettet. Unter den Migranten
sind 26 Frauen, darunter acht Schwan-
gere, und 22 Kinder im Alter von unter
zehn Jahren. epd


Berlin– Der Paritätische Gesamtver-
band fordert zur Stärkung des gesell-
schaftlichen Zusammenhalts ein sozia-
les Reformprogramm in Milliardenhö-
he. „Die sozialpolitischen Maßnahmen
der Bundesregierung greifen durchweg
zu kurz und erreichen in vielen Fällen
nur einen Bruchteil der betroffenen
Menschen“, sagte der Vorsitzende Rolf
Rosenbrock am Donnerstag in Berlin.
Zu den Vorschlägen des Verbands gehö-
ren etwa eine Kindergrundsicherung,
ein Mindestlohn von deutlich mehr als
zwölf Euro in der Stunde, eine Grundsi-
cherung von mindestens 571 Euro sowie
eine Grundrente. Weiterhin spricht sich
der Paritätische Gesamtverband für
höhere Leistungen für junge Menschen
in Ausbildung und Studium und ein
Mindestarbeitslosengeld aus. kna


Seoul– Ein Jahr nach der Verurteilung
der früheren südkoreanischen Präsiden-
tin Park Geun-hye (FOTO: AP) zu 25 Jahren
Haft in einem Korruptionsskandal soll
der Fall neu verhandelt werden. Das
Oberste Gericht in Seoul hob am Don-
nerstag das Urteil der Berufungsinstanz
in großen Teilen wegen Verfahrensfeh-
lern auf und verwies den Fall zurück.
Die Gerichte müssten sich mit den


Korruptionsvorwürfen gegen einen
amtierenden oder früheren Staatschef
getrennt von anderen Anklagepunkten
befassen, hieß es. Die 67-jährige konser-
vative Politikerin blieb aber in Haft.
Auch der Erbe des Samsung-Firmenim-
periums, Lee Jae-yong, sowie eine ehe-
mals einflussreiche Freundin von Park
müssen Anordnungen des Obersten
Gerichts zufolge wieder zurück auf die
Anklagebank. Beide waren im Zusam-
menhang mit der Affäre ebenfalls verur-
teilt worden. Park war infolge des Skan-
dals im März 2017 ihres Amts enthoben
worden. dpa


Wiedereinbürgerung


wirderleichtert


Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende der Grünen, blickt über die zerwühlte Landschaft im Braunkohlegebiet Welzow-Süd. FOTO: PATRICK PLEUL/DPA

6 HF3 (^) POLITIK Freitag,30. August 2019, Nr. 200 DEFGH
Urbans Name steht mehrfach
im AfD-Gutachten
des Verfassungsschutzes
Seit Jahren legt sich Baerbock
mit Energiekonzernen und
Kohlekumpeln in Brandenburg an
Manche trauen den Grünen sogar
die Kanzlerschaft zu, aber nicht
Baerbock, sondern Habeck
Frauen und Kinder an Land
Sozialprogramm gefordert
Argentinien will Aufschub
Neuer Prozess in Südkorea
KURZ GEMELDET

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