Landwirtschaft
Keine Dürrehilfen in diesem Jahr
Die deutsche Ernte fällt
unterdurchschnittlich aus.
Finanzielle Unterstützung
lehnt Agrarministerin Julia
Klöckner jedoch ab.
Silke Kersting, Micha Knodt Berlin
D
ie Niederlage vom Vortag
war der Agrarministerin am
Donnerstag in ihrem Ministe-
rium nicht anzumerken. Julia Klöck-
ner (CDU) präsentierte den Erntebe-
richt, beklagte den Zustand der Wäl-
der – aber verlor kaum ein Wort über
das leidige Thema Nitrat, das in vie-
len Regionen Deutschlands zu hoch
ist und die Wasserqualität belastet.
Das, was Klöckner am Mittwoch
zusammen mit Umweltministerin
Svenja Schulze (SPD) in Brüssel vor-
gelegt hat, reicht der Kommission
noch immer nicht aus. Deutschland
muss abermals nachbessern, ansons-
ten drohen millionenschwere Straf-
zahlungen an die EU.
Für Friedrich Ostendorff, den
agrarpolitischen Sprecher der Grü-
nen-Bundestagsfraktion, ist Klöckner
eine Ministerin, „die Krisen beschö-
nigt“. Der Ausnahmezustand werde
zum Alltag, kommentierte er den
Erntebericht der Ministerin. Die Bau-
ern seien in den letzten Jahren ex-
trem stark und wiederkehrend von
den Auswirkungen der Klimakrise ge-
beutelt worden. „Die Böden sind vie-
lerorts nachhaltig ausgetrocknet, und
der gefallene Regen konnte die Dürre
der letzten Jahre nicht annähernd
ausgleichen.“
Regionale Unterschiede
beim Ernteertrag
Klöckner sprach von „erfreulicher-
weise“ besseren Erträgen als im Vor-
jahr, das für viele Höfe ein Katastro-
phenjahr gewesen sei. Insgesamt falle
die diesjährige Ernte bei Getreide und
Raps aber unterdurchschnittlich aus.
In einigen Regionen, etwa in Bran-
denburg und Sachsen-Anhalt, seien
die Niederschläge auch in dieser Ve-
getationsperiode zu gering gewesen,
um das Wasserdefizit von 2018 auszu-
gleichen. „Erneut merken wir, dass es
große regionale Unterschiede gibt“,
sagte die CDU-Politikerin.
Finanzielle Unterstützung für die
Bauern wie im vergangenen Jahr stell-
te Klöckner in diesem Jahr aber nicht
in Aussicht. „Es wird keine Dürrehilfen
geben“, sagte sie. Grund sei, dass die
Schäden kein „nationales Ausmaß“ er-
reicht hätten. Bauernpräsident Joa-
chim Rukwied fordert wegen Ernte-
ausfällen Hilfe von der Politik, etwa ei-
ne steuerliche Förderung sowie
Anschubkapital für den Aufbau einer
Versicherung, damit sich Bauern ge-
gen solche Risiken absichern könnten.
Besorgt äußerte sich die Landwirt-
schaftsministerin über den Zustand
des deutschen Waldes aufgrund von
Dürre und Schädlingen. „Wir haben ei-
ne Zäsur im Wald, und die ist sicht-
bar“, sagte Klöckner, die sich am Vor-
mittag mit mehreren Verbänden ge-
troffen hatte. Die Veränderungen seien
massiv. Über konkrete Hilfen solle am
- September bei einem „Waldgipfel“
von Bund und Ländern entschieden
werden, kündigte Klöckner an.
Es gehe nicht darum, Verluste ein-
zelner Waldbesitzer zu kompensie-
ren. Doch im Sinne des Gemeinwohls
müsse der Wald stärker an den Kli-
mawandel angepasst werden. Zur
Höhe staatlicher Zuschüsse äußerte
sich die Ministerin vorerst nicht. Um-
weltschützer forderten einen stärke-
ren Waldumbau als bisher. So sind
Laubmischwälder klimastabiler und
resistenter als Nadelbaumwälder.
Landwirtschaftsmi-
nisterin Klöckner:
Keine Sonderhilfen
für die
Bauern.
imago images/Jens Jeske
Erntehelferin in Niedersachsen:
Der Ertrag ist in diesem Jahr mäßig, aber besser als 2018.
Julian Stratenschulte/dpa
Parlament aus politischen Motiven
auszuschalten. Die Erfolgschancen
gelten als gering. Denn formal be-
wegt sich die Regierung im Rahmen
der ungeschriebenen Verfassung.
Normalerweise wird das Parlament
einmal im Jahr für zwei Wochen auf-
gelöst, um eine neue Sitzungsphase
einzuleiten. Ungewöhnlich ist dieses
Mal nur die Länge von fünf Wochen –
und das Timing kurz vor Ablauf der
Brexit-Frist.
Opposition uneinig
Die Einzigen, die Johnson stoppen
können, sind die Abgeordneten. Sie
können die Regierung jederzeit per
Misstrauensvotum stürzen. Dafür
müssten sie sich jedoch erst einmal
auf einen Ersatzpremier einigen. Als
Oppositionsführer hat Corbyn den
ersten Zugriff, viele Abgeordnete leh-
nen ihn jedoch ab. Premier Johnson
wettet darauf, dass sich die Oppositi-
on vor der Auflösung des Parlaments
in der zweiten Septemberwoche
nicht rechtzeitig auf einen gemeinsa-
men Kandidaten einigen kann.
Zunächst will die Opposition am
Dienstag ein Gesetz gegen den unge-
ordneten Brexit auf den Weg brin-
gen. Den einflussreichen Speaker des
Unterhauses, John Bercow, haben die
Parlamentarier auf ihrer Seite, er hält
Johnsons Vorstoß für einen „verfas-
sungsrechtlichen Skandal“. Die Zeit
könnte jedoch knapp werden. Ein
Gesetz erfordert mehrere Lesungen
und muss auch durch die zweite
Kammer, das House of Lords. Dort
will die Regierung die Initiative durch
Dauerredner ersticken: Die Brexit-Be-
fürworter wollen so lange reden, bis
keine Redezeit mehr bleibt.
Johnson will um jeden Preis ver-
hindern, dass ihn das Unterhaus da-
zu zwingt, einen weiteren Brexit-Auf-
schub in Brüssel zu beantragen. Zum
einen will er den No-Deal-Brexit wei-
ter als Druckmittel in den Nachver-
handlungen mit den EU-27 einsetzen.
Zum anderen wäre er im nächsten
Wahlkampf ein leichtes Ziel für die
Brexit-Partei, wenn er das Land nicht
wie versprochen am 31. Oktober aus
der EU führte.
Hinter der Strategie, das Parla-
ment auszubremsen, steckt Dominic
Cummings. Johnsons gefürchteter
Stabschef in der Downing Street hat-
te bereits die Brexit-Kampagne 2016
zum Erfolg geführt. Nun bereitet der
Stratege die Regierung auf Neuwah-
len vor. In den vergangenen Wochen
besuchte Johnson Bürger und Betrie-
be, um seine Wahlkampfverspre-
chen unter die Leute zu bringen.
Kommende Woche will Finanzminis-
ter Sajid Javid diese in einer Haus-
haltsrede mit Milliardensummen un-
termauern.
Die Tory-Kampagne musste jedoch
einen Rückschlag verkraften. Die
Chefin der schottischen Konservati-
ven, Ruth Davidson, erklärte ihren
Rücktritt, weil sie mehr Zeit mit ih-
rem kleinen Sohn verbringen will.
Der beliebten Politikerin wird das
Comeback der Tories in Schottland
zugeschrieben. Die Pro-Europäerin
war in den vergangenen Jahren eine
der schärfsten Kritikerinnen von
Johnsons Brexit-Kurs. Am Donners-
tag jedoch stellte sie sich hinter den
Premier. Sie gehe davon aus, dass er
einen Brexit-Deal liefere, sagte sie
und appellierte an die Abgeordneten,
diesen dann auch zu ratifizieren.
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Wirtschaft & Politik
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WOCHENENDE 30./31. AUGUST / 1. SEPTEMBER 2019, NR. 167^11
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