Handelsblatt - 30.08.2019 - 01.09.2019

(Jeff_L) #1
#thinktank

Was zu schön klingt, ist
meistens nicht wahr –
und das gilt auch im
Fall der Libra. Mit dieser
neuen globalen Währung sollen alle, die ein Facebook-Konto
haben, aber keinen Zugang zum Bankwesen, ein einfach zu be -
dienendes Zahlungsmittel bekommen. Die Libra verspricht also
Freiheit. Doch zeigt ihre rechtliche Gestaltung, dass es Facebook
letztlich nur um Profite geht – nicht für die Kunden, sondern für
die Unternehmen hinter der Währung. Die Libra soll von einem
in Genf ansässigen gemeinnützigen Verein emittiert werden.
Warum in der Schweiz? Üblicherweise sind Vereine und Stiftungen
gemeinnützige Orga nisationen, die sozialen oder kulturellen Zwe-
cken dienen, nicht aber der Gewinnerwirtschaftung. Nach Schwei-
zer Recht ist es allerdings möglich, Gewinne an die Mitglieder
des gemeinnützigen (und steuerbefreiten) Vereins abzuführen –
so auch bei der Libra. Derzeit haben 28 Unternehmen Interesse
bekundet, alle sind von Facebook handverlesen worden. Sie bestel-
len den Vereinsrat, können das Regelwerk der Libra mit Zwei-
Drittel-Mehrheit ändern und auch entscheiden, ob Libra jemals
eine dezentrale Währung wie Bitcoin oder Ethereum wird. Diese
Machtkonzentration ohne jegliche Rechenschaftspflicht ist im
internationalen Finanzsystem beispiellos.
Um Vertrauen in die Stabilität der Libra zu schaffen, soll sie
durch eine Reserve gedeckt werden, in der sich nur sichere Ver -
mögenswerte befinden – etwa deutsche oder amerikanische Staats-
anleihen. Die Käufer*innen der Libra erhalten allerdings keine
Zinsen und sind den Wechselkursschwankungen ausgesetzt. Falls
die Reserve aufgelöst wird, haben sie keinen Anspruch auf die Rest-
werte. Diese stehen – genau wie die Zinsen – den Mitgliedern zu.
Sie werden daher im Zweifel schon bei geringen Stressanzeichen
versuchen, ihre Libra in stabile Währungen
zurückzutauschen. Facebook schließt ein
solches Szenario zwar aus – dabei zeigt die
Geschichte: Jedes Finanzsystem gerät früher
oder später in eine schwere Krise. Warum so
viele Menschen Libra als Fackelträger einer
neuen Ära der Freiheit betrachten, bleibt ein
Mysterium. Regierungen sollten sich davon
nicht beeindrucken lassen. n

Libras falsches


Versprechen


Katharina Pistor
ist Jura-Professorin an der Columbia Law School. Im Juli sagte sie vor
einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses zu Libra aus.

ADA & DAS JETZT

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Illustration Dorothea Pluta Foto privat

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