Paola Antonelli sieht es fatalistisch: „Die
Menschheit wird aussterben, so viel ist
klar“, sagte die Chefkuratorin des New
Yorker Museum of Modern Art kürzlich
dem Wirtschaftsmagazin „Fast Company“.
Daher bleibe nur „die Aufgabe, uns ein
schönes Ende zu schaffen“. Diese Aus -
sagen sind nicht nur eine Aufforderung dazu, unsere letzten Tage
zu genießen. Sie symbolisieren gleichzeitig den Bruch mit dem an-
thropozentrischen Weltbild. Die Idee, den Mensch ins Zentrum wirt-
schaftlichen Handelns zu stellen, hat sich angesichts der rücksichts-
losen Ausbeutung natürlicher Ressourcen als überheblich und
destruktiv erwiesen. Was wir daher mehr denn je brauchen, ist Empa-
thie. Eine Beziehung zum anderen, zum Fremden. Ein weiterreichen-
des, kosmisches Bewusstsein.
Nichtwestliche Kulturen zeigen, wie es gehen kann. Japans
Shinto-Kultur glaubt zum Beispiel, dass allem ein Geist innew ohnt:
jeder Blume, jedem Staubpartikel, jeder Maschine. Lernen können
wir auch von nordamerikanischen Indianerstämmen. Die nämlich
postulieren, dass der Mensch weder Gipfel noch Zentrum der
Schöpfung ist. In einem Aufsatz im „Journal of Design and Science“
schlugen indigene Forscher im vergangenen Jahr vor, künstliche
Intelligenz nicht als bloßes Werkzeug des Menschen zu betrachten,
sondern ihr ein eigenes Wesen zuzusprechen.
Und es gibt auch eine Technologie mit einem ähnlich ganzheit -
lichen Weltbild. Quantencomputing basiert anders als die herkömm-
liche Informatik nicht auf der klassischen Physik, sondern folgt der
Quantenmechanik. Die besagt, dass wir mit allen lebendigen und
nicht lebendigen Dingen verbunden sind – als Teil eines Systems,
das größer ist als wir selbst. Quantencomputing verdeutlicht, dass
wir immer Eins und Null sind, und ebenso alle dazwischenliegenden
Werte. Es überwindet den Dualismus zwischen Mensch und
Umwelt. Und kann uns auf diese Art helfen,
wieder den ganzen Zauber der Welt zu er-
schließen anstatt ihn auf binäre Daten zu
reduzieren. Das klingt spirituell und ist es
auch. Werner Heisenberg, einer der Väter der
Quantenphysik, hat das einmal so formuliert:
„Der erste Trunk aus dem Becher der Natur-
wissenschaft macht atheistisch; aber auf dem
Grund des Bechers wartet Gott.“ n
Heisenbergs
Becher
Tim Leberecht
ist Mitgründer und CEO der Business Romantic Society. Er ist Autor von
„Business Romantiker: Von der Sehnsucht nach einer anderen Wirtschaft“.
ADA & DAS BALD
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Illustration Dorothea Pluta Foto Joãno Nogueira
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