DOSSIER
Und das hier soll Afrika sein? Ein gutmütiger
Beamter im blitzblank geputzten Flughafen von
Kigali beantwortet freundlich Fragen, bevor er das
Kartenlesegerät zur Bezahlung der Einreiseer-
laubnis über den Tresen schiebt; der Geldautomat
in der Ankunftshalle rückt anstandslos ruandi-
sche Francs heraus; auf der mit Palmen begrünten
Allee vor dem Gebäude sind Motorradtaxis unter-
wegs, registriert und mit Nummern versehen; und
auf dem Parkplatz wartet ein neuer VW Passat,
der per App angefordert wird: „Welcome to Rwan-
da“, sagt der Fahrer und öffnet lächelnd die Tür.
Einen solchen Empfang hätte man nicht erwar-
tet im angeblich finsteren Herzen Afrikas, wo vor
25 Jahren der schlimmste Genozid der jüngeren
Geschichte stattfand. Mit Burundi und dem Kongo
werden noch heute zwei Nachbarn Ruandas von
Gewalt erschüttert, während die Anrainerstaaten
Uganda und Tansania politisch und wirtschaftlich
nicht vom Fleck kommen.
Geografisch und demografisch habe für den
Kleinstaat mit elf Millionen Einwohnern wenig ge-
sprochen, räumt Thomas Schäfer ein, Afrikachef
von Volkswagen. Trotzdem hat der zweitgrößte
Automobilhersteller der Welt Ruanda zu seinem
Vorposten auf dem Kontinent erkoren.
Der Staat erhielt vor einem Jahr nicht nur ein
neues Werk, in dem jährlich 5000 Volkswagen-
Modelle entstehen. In der Hauptstadt Kigali expe-
rimentiert der Konzern außerdem mit Mobilitäts-
konzepten, die aus dem Fahrzeugbauer einen
Dienstleister in Sachen Fortbewegung machen
sollen.
▲ Der Kontroll-
raum im VW-
Haus in Kigali
◀ Ein Passat auf
den Straßen der
Hauptstadt
▶ Michaella
Rugwizangoga,
CEO von Volks-
wagen in Ruanda
Abschied von den Rumpelkisten
Pierre-Franck Muhire, der Fahrer des wartenden
Passat, spricht fließend Französisch, ein bisschen
Englisch und natürlich die Sprache der Ruander,
Kinyarwanda. Noch hat er etwas Mühe, den er-
wünschten Zielort in sein Smartphone einzuge-
ben: Der 21-Jährige fährt erst seit wenigen Tagen
im Auftrag von VW durch die Stadt. Doch den
Stolz, in einer neuen Limousine über Kigalis
gepflegten Teer zu rollen, sieht man ihm an.
Die Hauptstadt Ruandas unterscheidet sich
deutlich von anderen afrikanischen Metropolen.
Deren Straßenbild ist fast ausschließlich von ver-
beulten Rumpelkisten geprägt: „Afrika darf nicht
länger eine Müllhalde für alte Blechkarossen
sein“, sagte Ruandas Präsident Paul Kagame im
vergangenen Jahr, „wir haben Besseres verdient.“
Tex t
Johannes Dieterich
Fotos
Mark Lewis
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