Handelsblatt - 30.08.2019 - 01.09.2019

(Jeff_L) #1
Ein Satz, der Thomas Schäfer wie gerufen kam.
Der Manager soll wiederholen, was den Wolfsbur-
gern vor fast 40 Jahren in China gelang: eine stark
bevölkerte, aber völlig untermotorisierte Welt -
region in einen florierenden Fahrzeugmarkt zu
verwandeln.
Deshalb hat der VW-Mann, der quasi nebenbei
auch das Werk in Südafrika leitet, einen panafri-
kanischen Masterplan ausgearbeitet. Den durfte
er im Juli dieses Jahres den 55 Staatschefs bei ei-
nem Gipfeltreffen präsentieren. Demnach soll der
zersplitterte Erdteil zumindest in Sachen Fahr-
zeugproduktion vereinheitlicht werden: Nach
Schäfers Vorstellungen könnten etwa in Ostafrika

Pkws, in Westafrika Lkws und in Südafrika SUVs
hergestellt werden, Nordafrika ist aus histori-
schen Gründen auf Europa ausgerichtet. Nur
wenn Afrika einheitlich behandelt werde, käme
die für die Fahrzeugindustrie nötige Skalierung
zustande, meint der Automanager: Bislang werden
südlich der Sahara und außerhalb Südafrikas
gerade mal 200 000 Neuwagen im Jahr bestellt –
alleine in Baden-Württemberg sind es mehr als
doppelt so viele.

Wenig Geld, aber hoher Bedarf
Unternehmensberatungen sagen dem Kontinent
kontinuierliches Wirtschaftswachstum, eine flo-
rierende Mittelschicht und größere Kaufkraft
voraus. Die Autobauer wollen den Trend zum
Neuwagen beschleunigen, indem sie bei den Re-
gierungen auf ein Verbot der Gebrauchtwagen -
importe drängen. Doch von den fast 1,2 Milliarden
Afrikanern haben höchstens zehn Millionen das
Geld für einen Neuwagen, weniger als ein Prozent
der Bevölkerung.
Gleichzeitig seien 99 Prozent der Afrikaner zu-
mindest gelegentlich auf die Nutzung von Fahr-
zeugen angewiesen: „Meistens haben sie dafür
auch etwas Geld in der Tasche“, sagt Schäfer. Und
diese Kluft zwischen Kaufkraft und Transportbe-
darf lässt sich nach Auffassung des VW-Mana-
gers zumindest mittelfristig nur auf eine Weise
überbrücken: indem außer Neuwagen auch ein fle-
xibles Mobilitätskonzept angeboten wird.
Fehlte nur noch ein Ort, wo derartige Ideen aus-
probiert werden. Kigali bot sich an, weil die Stadt
überschaubar ist, über eine wachsende urbane
Mittelschicht verfügt und Ehrgeiz hat – sie will
„Afrikas Singapur“ werden. Neben dem neuen
Volkswagenwerk ist in einem Industriepark Mara
angesiedelt – die erste und einzige Firma des Kon-
tinents, die Smartphones herstellt. Die Metropole
ist mit Glasfaserkabeln durchzogen, in ihren Ge-
schäften kann man übers Handy bezahlen und in
ihren Bürogebäuden nisten sich immer mehr
Start-ups ein. „Kigali hat alle unsere Erwartungen
erfüllt“, sagt Schäfer, „in manchen Fällen sogar
weit übertroffen.“

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