häufiger von anderen zitiert – ein
kleines, aber dennoch feines Indiz
für ihre Durchschlagskraft.
Die Innovationsforscherin ver-
mutet: Die Erfahrung aus vielen
verschiedenen Bereichen führt zu
einer ganz besonderen Mischung
aus Gelassenheit, Risikobereitschaft, Wis-
sen und Scharfsinn. Eigenschaften also, die beim
Umgang mit traditionell unsicheren Innovationen
durchaus hilfreich sind. Man könnte auch sagen:
Wer viel gesehen hat, lässt sich nicht mehr so
schnell irritieren. Und das macht sich sogar auf
dem Konto bemerkbar. Darauf deutet zumindest
eine weitere Studie von Custódio hin. Dieses Mal
verglich sie die Gehälter von etwa 4500 US-CEOs:
Die Generalisten wurden besser bezahlt als die
Spezialisten.
Anscheinend sind Generalisten völlig zu Un-
recht schlecht beleumundet. Sie sind nicht nur
anpassungsfähig, sondern auch flexibel und lern-
bereit. Und sie vermeiden die typischen Gefahren
der Spezialisierung: Eine Garantie, dass die Nische
lukrativ ist, gibt es nicht. Und wer immer nur
durch den Tunnel fährt, übersieht die schönen
Blumen am Wegesrand. Anscheinend hat es mess-
bare Vorteile, alles ein bisschen zu können, aber
nichts davon richtig – für die Menschen ebenso
wie für ihre Arbeitgeber.
- Leidenschaft führt ins Unglück
Das Ideal der beruflichen Passion wird glorifiziert
Es begann in der Kindheit. Schon im Alter von
sieben Jahren fing Vladimir in seiner russischen
Heimat an, Schmetterlinge zu sammeln. Als Stu-
dent am Trinity College im britischen Cambridge
schrieb er erste Aufsätze, nach seiner Immigration
in die USA arbeitete er als Schmetterlingsexperte
am American Museum of Natural History. Bis zu 14
Stunden täglich soll er damit zugebracht haben, die
Insekten zu zeichnen. Er nahm die Arbeit an zwei
Büchern auf, aber beide blieben unvollendet. Statt
seiner ersten Leidenschaft zu folgen und Schmet-
terlingsforscher zu werden, wurde er Schriftsteller.
Im Nachhinein offensichtlich die richtige Entschei-
dung: Heute gilt Vladimir Nabokov als einer der
bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts.
Seine Leidenschaft zu finden
ist derzeit schwer in Mode. Da-
hinter steckt die Annahme, dass
es für jeden von uns die passende
Passion gibt; dass wir nur lange
genug suchen müssen, um schluss-
endlich unseren Traumjob zu finden;
und dass wir am Ende dieser mal mehr,
mal weniger langen Reise mit einer Art paradiesi-
schem Zustand belohnt werden, der uns sowohl
beruflichen Erfolg als auch seelische Erfüllung
bringt.
Nun ist gegen Freude an der eigenen Tätigkeit
nichts einzuwenden, Pessimismus ist kein Ge-
schäftsmodell. Wer immer nur miesepetrig zur Ar-
beit geht, macht weder sich selbst noch seinen
Kollegen oder Vorgesetzten Freude, und das hält
niemand lange durch. Zumal erfolgreiche Mana-
ger, Künstler und Unternehmer gerne darauf hin-
weisen, dass sie ihre Tätigkeit vor allem voller Lei-
denschaft ausüben.
Aber genau diese Kronzeugen tragen zu einem
Irrtum bei. Denn für beruflichen Erfolg ist es vor
allem wichtig, dass man etwas gut kann; ob man
es auch gerne tut, ist zweitrangig. Eine Arbeit gut
gemacht zu haben, bringt uns Menschen zwar
durchaus Befriedigung. Trotzdem muss beides
nicht unbedingt zusammengehen. Andererseits
ist man nicht zwangsläufig gut in etwas, nur weil
man es mit Leidenschaft tut. Die Annahme, dass
Interessen in uns schlummern, die nur geweckt
werden müssen, ist problematisch.
Vor dem fatalen Dogma der Passion
warnt zum Beispiel Paul O’Keefe von
der Yale University. Für seine Studie teilte er
Studenten in zwei Gruppen. Die eine Hälfte der
Probanden erfuhr, dass jeder Mensch gewisse un-
veränderliche Interessen habe. Die andere Hälfte
lernte, dass sich diese Interessen im Laufe des
Lebens durchaus verändern. Nun sahen alle Teil-
nehmer ein leicht verständliches Video über
schwarze Löcher. Faszinierend!, befanden hinter-
her zunächst alle. Doch nun reichte O’Keefe ihnen
einen schwer konsumierbaren, wissenschaftli-
chen Text zu diesem Phänomen. Wer nun schnel-
ler das Interesse an dem Thema verlor und den
Text nicht lesen wollte? Genau: Jene Gruppe,
denen die feststehenden Interessen suggeriert
worden waren.
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Es ist wichtiger, etwas gut als gerne zu tun
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