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In weiteren Versuchen war es ähnlich: Der
Glaube an gewisse Passionen führte zur Annah-
me, dass damit quasi unendliche Energie einher-
gehe. Kam es doch zu Schwierigkeiten, gaben jene
Probanden viel schneller auf – und zeigten mess-
bar weniger Interesse an neuen Themen. Prinzi-
piell, sagt auch O’Keefe, sei die Botschaft von der
notwendigen Leidenschaft sicher gut gemeint:
„Aber genau dieser Glaube kann die Entwicklung
von Interessen von vornherein verhindern.“
Stattdessen rät er, offen zu bleiben für neue
Erfahrungen – und immer zu berücksichtigen, ob
es für die Interessen und Leidenschaften gerade
Bedarf gibt. Letztendlich ist es ratsamer, gut in
etwas zu sein, was man nicht mag, solange es
nachgefragt wird – als gut in etwas zu sein, das
man liebt, das aber keiner braucht.
- Querdenker haben es schwer
Neue Ideen treffen immer auf Skepsis
Frühchen werden besonders verwöhnt.
Wenn sie schon vor dem eigentlichen
Geburtstermin auf die Welt kommen,
dann wollen ihre Eltern sie erst recht
umsorgen. Bei Ideen, die zu früh kom-
men, verhält es sich anders. Ihre Urhe-
ber ernten keine Fürsorge, sondern Spott,
Hohn und Häme.
Ein eindrückliches Beispiel lieferte die Welt-
ausstellung 1939 in New York. Unter dem Motto
„Building the World of Tomorrow“ sollten die Aus-
steller zeigen, wie sie sich die Zukunft ausmalten.
David Sarnoff, Chef der Radio Corporation of
America (RCA), präsentierte an seinem Stand
etwas ganz Besonderes: den ersten Fernseher der
Welt. Wie diese Innovation ankam? Nun ja. „Die
Leute müssen sitzen bleiben und den Schirm im
Auge behalten“, schrieb die „New York Times“
hinterher, „dafür hat die ameri-
kanische Durchschnittsfami-
lie keine Zeit.“
Wenn es nach dem fran-
zösischen Philosophen
Victor Hugo geht, ist
nichts so mächtig wie eine
Idee, deren Zeit gekommen
ist. Demnach ist ein guter
Einfall unter gewissen Umständen unschlagbar.
Doch bei so viel Optimismus darf man nicht ver-
gessen: Vor allem am Anfang hat es das Neue oft
schwer. Und das, glaubt zumindest die US-ameri-
kanische Psychologin Jennifer Mueller, verdan-
ken wir auch einer natürlichen Aversion: „Die
Welt missbilligt Kreativität im Allgemeinen“, sagt
Mueller, „ihr negatives Image ist in den Menschen
tief verwurzelt.“
Wie mächtig diese Intoleranz ist, bemerkte
Mueller vor einigen Jahren. Sie wusste um den
guten Ruf der Kreativität, deshalb wählte sie für ih-
re Experimente eine besondere Methode. Mit dem
impliziten Assoziationstest versuchen Wissen-
schaftler zu ergründen, wie Menschen wirklich
ticken – und zwar mittels einer cleveren Versuchs-
anordnung. Stark vereinfacht läuft das wie folgt:
Die Probanden sehen auf einem Monitor gewisse
Begriffe, die sie mit einem Klick auf die Tastatur
positiv oder negativ bewerten sollen. Die Idee da-
hinter: Je schneller sie gewisse Begriffe zusam-
menbringen, desto stärker sind ihre unbewussten
Verbindungen zwischen den beiden Ausdrücken.
Bevor es losging, polte Mueller einen Teil der
Probanden gedanklich auf Unsicherheit – indem
sie ihnen mitteilte, dass ein Los hinterher ent-
scheiden werde, ob sie für ihre Teilnahme noch ei-
nen kleinen Geldbetrag erhalten würden. Sicher,
nur eine Kleinigkeit. Aber die wirkte. Im Anschluss
sahen alle Freiwilligen einerseits Begriffe, die im
engeren oder weiteren Sinne mit Kreativität ver-
bunden sind (neu, kreativ, erfinderisch, originell)
und solche, die man eher mit Nützlichkeit verbin-
det (praktisch, funktional, konstruktiv, nützlich).
Und siehe da: Die Probanden der Kontrollgruppe
assoziierten die Kreativitätsbegriffe häufiger mit
den positiv besetzten Ausdrücken. Ganz anders
war die Reaktion in der Unsicherheitsgruppe:
Sie verband Kreativität wesentlich stärker mit
negativen Begriffen.
Das Phänomen dürfte jeder schon
einmal erlebt haben. Kreative
Ideen zeichnen sich nun mal da-
durch aus, dass sie neu sind,
sonst wären sie nicht kreativ.
Aber genau da beginnt das
Problem. Niemand weiß, ob
dieses Neue Kunden finden
und Geld einbringen wird.
ADA & DU
Kreativität verstößt gegen Traditionen und sorgt für Irritationen
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