Handelsblatt - 30.08.2019 - 01.09.2019

(Jeff_L) #1
der Algorithmus seine Entscheidung?
Beispiel Urlaubs planung: Sollte der
Algorithmus Mitarbeiter*innen
mit Kindern bevorzugen? Was ist
mit kinderlosen Partner*innen
von Lehrer*innen? Raschke:
„Deshalb müsste sich das Team
vorher auf gewisse Parameter eini-
gen, anhand derer der Algorithmus
dann entscheidet.“
Doch gleichzeitig zweifelt er daran,
ob sich seine Idee durchsetzt: „Viele
wollen nicht, dass eine Maschine
ihren Urlaub festlegt“, sagt Raschke,
„obwohl ein Algorithmus vielleicht
gerechter entscheiden würde.“ Es reicht
nicht, nur die ethischen Aspekte zu
beachten – die Mitarbeiter müssen
schon auch selbst von der Idee über-
zeugt sein. n

hinweisen, wenn ein notwendiges Do-
kument fehlt oder nicht mehr gültig ist.

3


KI für schwierige
Entscheidungen

Bei Veränderungen treffen häufig ver-
schiedene Ansichten aufeinander. Die
einen wollen gerne möglichst viel mög-
lichst schnell verändern, die anderen
hängen noch am Status quo. Mia
Doskas von Henkel würde gerne
eine moralische digitale Instanz
einsetzen, um entsprechende
Konflikte zu lösen. Eine künst -
liche Intelligenz soll dabei mög -
liche Zukunftsszenarien prognosti-
zieren, entsprechende Risiken bewer-
ten und so die Entscheider beraten:
„Ganz unabhängig von Hierarchien und
Unternehmenspolitik“, sagt Doskas.
Die Kommunikationsmanagerin
könnte sich vorstellen, die digitale
Instanz etwa bei internen
Be sprechungen einzusetzen.
Dort bespricht das Kommunika-
tionsteam unter anderem, wel-
che Themen auf welchen Kanälen
kommuniziert werden. „Wenn Diskus-
sionen voreingenommen sind, kann ein
Algorithmus helfen, eine bessere und
unvoreingenommenere Entscheidung
zu treffen“, sagt Doskas.

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Eine KI für die
Urlaubsplanung

Eine künstliche Intelligenz als Ent -
scheidungsgewalt wünscht sich auch
Christian Raschke von Planet c – wenn
es darum geht, wann welcher Mitarbei-
ter frei nehmen darf. Statt einer un -
übersichtlichen Excel-Liste würde der
Urlaub quasi per Knopfdruck zugeteilt.
Doch so verlockend diese Lösungen
auch klingen – sie bringen neue Proble-
me mit sich. Wie sieht es mit dem Daten-
schutz aus, wenn künstliche Intelligenz
auf die Kalender der Mitarbeiter*innen
zugreift? Werden letztlich nicht nur die
freien Arbeitsplätze, sondern wird auch
die Effizienz ihrer Besitzer*innen über-
wacht? Anhand welcher Kriterien trifft

vierköpfigen Fellow-
Gruppe (von links:
Guy Kellenberger,
Lufthansa; Laura
Überbacher, Henkel;
Anna Busch, Planet c;
Carolin Rudelbach,
Allianz) ins Spiel.
Und die funktioniert so: Zunächst
müsste jede*r Mitarbeiter*in angeben,
wo er/sie gerne sitzen würde, ob er/sie
im Urlaub ist oder von zu Hause aus ar-
beitet. Daraufhin weist ein Algorithmus
den optimalen Arbeitsplatz zu. Und weil
er zusätzlich auf die Kalender der Mit -
arbeiter*innen zugreifen kann, kann er
obendrein interne Besprechungen ko-
ordinieren. Für Carolin Rudelbach sind
die Vorteile eindeutig: „Mitarbeiter*in-
nen wären besser vernetzt, könnten mit
anderen Bereichen besser interagieren
und flexibler ihre Arbeitsplätze wählen“,
sagt sie, „und diese Plätze wären
besser ausgelastet.“

2


Eine KI für den
Kundenservice

Kein Kunde liebt es, Formulare eines
Unternehmens per Hand auszufüllen –
und kein Unternehmen hat gerne unzu-
friedene Kunden. Geht es nach der Idee
von Nadja Kiel, gehört lästiges analoges
Ausfüllen der Vergangenheit an, ebenso
wie unzufriedene Kunden. Denn Kiel
will künstliche Intelligenz dafür nutzen,
die Antragstellung bei der Deutschen
Börse zu digitalisieren.
Bisher müssen die Kunden ihrer Aus-
sage zufolge noch fast alles auf Papier
ausfüllen – zum Teil bis zu 50 verschie-
dene Formulare. Nach Kiels Idee sollen
Formblätter in digitale Eingabemasken
umgewandelt werden, damit sowohl der
Antragsteller als auch der bearbeitende
Mitarbeiter jederzeit online den Status
verfolgen kann.
Dann wäre es laut Kiel egal, ob
der Kunde das Formular von
unterwegs aus einreicht –
oder von wo aus der Mit -
arbeiter es bearbeitet. Außer-
dem soll ein Algorithmus
den Kunden automatisch darauf





Kanzlerin im Gespräch

Was plant die Bundesregierung
in Sachen KI – und wie lässt sich
die Technikskepsis der Bevölkerung
überwinden? Darüber sprachen
Bundeskanzlerin Angela Merkel
und ada-Gründungsverlegerin
Miriam Meckel bei der ada-
Konferenz „Morals & Machines“.
Ein Video des Gesprächs siehst
du hier:

Fotos Stephan Floss

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