Handelsblatt - 30.08.2019 - 01.09.2019

(Jeff_L) #1
Elisabeth Atzler Frankfurt

W


enn Banken oder Sparkassen
sich dazu entschließen, priva-
ten Kunden Minuszinsen in
Rechnung zu stellen, müssen
sie mit deutlicher Ablehnung
rechnen. 68 Prozent der Bankkunden in Deutsch-
land finden es nicht oder gar nicht nachvollzieh-
bar, dass Kreditinstitute Negativzinsen von Privaten
verlangen. Das hat eine Umfrage der Beratungsfir-
ma Investors Marketing ergeben, die dem Handels-
blatt vorliegt. Die Firma hat gut 2 000 Verbraucher
befragt. Viele Kunden würden bei Minuszinsen
auch Geld von der Bank abziehen.
„Das ist eine deutliche Aussage“, sagt Oliver
Mihm, Chef von Investores Marketing. Lediglich
sieben Prozent der Befragten können einen sol-
chen Schritt der Geldhäuser nachvollziehen. 25
Prozent haben keine klare Position. „Die Einfüh-
rung von Minuszinsen für private Kunden ist nicht
so einfach umzusetzen wie Gebührenerhöhun-
gen“, sagt Mihm. Viele Kreditinstitute haben be-
reits die Preise erhöht oder es gerade angekündigt.
Der Experte warnt: „Es gibt beim Thema Negativ-
zins eine große emotionale Komponente. Die Kun-
den haben das Gefühl, dass die Bank ihnen etwas
wegnimmt. Deshalb besteht die große Gefahr, dass
Kunden das Vertrauen in ihre Bank verlieren.“
Viele Kunden werden voraussichtlich reagieren,
wenn es zu Minuszinsen kommt. So geben 52 Pro-
zent der Befragten an, dass sie wahrscheinlich
oder sehr wahrscheinlich zu einer anderen Bank
wechseln würden. 27 Prozent haben dazu keine
klare Meinung. Der Rest bliebe seiner Bank treu –
zöge aber womöglich andere Konsequenzen. So
würden 36 Prozent mehr Bargeld halten. Andere
Kunden würden in Sachwerte oder Wertpapiere
umschichten. Nur zehn Prozent würden auf Nega-
tivzinsen gar nicht reagieren.
Zuletzt haben etliche Vertreter deutscher Kredit-
institute erklärt, sie könnten Minuszinsen für nor-
male Sparer auf Dauer nicht mehr ausschließen.
Unklar war bislang aber, wie die Bankkunden da-
mit umgingen. Die Umfrage zeigt, wie heikel das
Thema für die Banken ist und wie sensibel ihre
Kunden darauf reagieren dürften.

Debatte über Verbote im Gang
Hintergrund der Debatte ist, dass die Geldhäuser
schon länger für ihre Einlagen bei der Europäi-
schen Zentralbank (EZB) Verwahrentgelte zahlen
müssen. Während Kreditinstitute den EZB-Strafzins
von 0,4 Prozent längst an Großkunden – Fonds
oder Unternehmen – weiterreichen, machen sie
um Minuszinsen für Sparer bislang einen Bogen.
Doch angesichts der Vermutung, dass die EZB die
Einlagezinsen für Banken im September sogar auf
minus 0,5 Prozent senkt, ist nun offensichtlich eine
Schmerzgrenze überschritten. Möglicherweise gibt
es aber künftig einen Freibetrag pro Bank, der
nicht vom Minuszins betroffen ist.
Die Geldhäuser fürchten langfristig deutlich sin-
kende Zinserträge – und davon sind die meisten
deutschen Kreditinstitute abhängig. Die EZB setze
mit ihrer Negativzinspolitik die bisherigen wirt-
schaftlichen Spielregeln außer Kraft, sagte Sparkas-
senpräsident Helmut Schleweis diese Woche dem
Handelsblatt. Man müsse sich „vorsichtig vortas-
ten, was möglich und erlaubt ist“.
Diesen Zusammenhang kennen viele Bankkun-
den allerdings gar nicht. So ist laut der Investors-
Marketing-Umfrage gut 30 Prozent der Befragten
nicht bewusst, dass Banken den EZB-Strafzins be-
rappen müssen. Knapp 40 Prozent haben davon
schon einmal gehört, ihnen sind die Details aber
nicht bekannt. Entsprechend ist vielen Bankkun-
den auch nicht klar, dass über die Einführung von
Minuszinsen auf Girokonten seit einiger Zeit speku-
liert und dass in der Politik bereits über Verbote
diskutiert wird.
So hatte CSU-Chef Markus Söder vergangene Wo-
che ein Verbot von Strafzinsen für Guthaben bis
100 000 Euro gefordert. Bundesfinanzminister Olaf
Scholz (SPD) veranlasste danach direkt eine Prü-
fung, „ob es der Bundesregierung rechtlich über-
haupt möglich ist, Kleinsparer vor solchen Negativ-

Minuszins findet


keine Akzeptanz


Wenn Banken ihren Anlegern Strafzinsen berechnen, müssen sie


mit deutlichen Reaktionen rechnen. Eine Umfrage zeigt: Viele


Kunden würden in dem Fall die Kontoverbindung wechseln oder


Bargeld horten.


Private


Geldanlage


(^30) WOCHENENDE 30./31. AUGUST / 1. SEPTEMBER 2019, NR. 167
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