Eine Maus, die im Kreis
läuft: Was banal klingt, ist
für die Wissenschaft eine
Revolution, die das Leben
von Millionen Menschen
verändern könnte. Denn
das Tierchen läuft nicht,
weil es will, sondern weil
Forscher*innen es mithilfe
von Licht dazu bringen –
und damit beweisen, dass
sie einzelne Nervenzellen
im Gehirn gezielt an- und
wieder ausschalten können.
Das hilft bei der Analyse
von Krankheiten – und wo-
möglich bei ihrer Therapie.
Peter Hegemann von der
Humboldt-Universität in
Berlin gilt als einer der Pio-
niere auf dem Gebiet der
Optogenetik, eine Kombina-tion aus Optik und Genetik.
Mitte der Neunzigerjahre
erkannte Hegemann, dass
sich ein kleiner Kanal in der
Zellmembran von Algen bei
Lichteinfall öffnet. Darauf-
hin strömen elektrisch gela-
dene Teilchen hinein und
lösen eine Reaktion aus.
Ähnlich funktionieren Ner-
venzellen im Gehirn. Der
Schluss lag also nah: Schafft
man es, den Kanal in die
Membran einer Gehirnzelle
einzupflanzen, könnte man
diese per Licht steuern. Ge-
nau das gelang Hegemann
im Jahr 2002.
Doch wer Mäuse mit
Licht im Kreis laufen lässt,
der kann womöglich auch
Zellen beim Menschen an-und wieder abschalten, etwa
solche im Auge oder im
Gehörgang. Taube, so die
Hoffnung, könnten dank der
Optogenetik wieder hören,
Blinde wieder sehen – und
die Wissenschaft womög-
lich Krankheiten wie Parkin-
son entschlüsseln. Der Vor-
teil dieser Methode: Licht
ist wesentlich präziser und
gesünder als Medikamente
oder die Steuerung über
elektrische Impulse.
Mehr als 1000 universitä-
re Arbeitsgruppen weltweit
arbeiten derzeit auf dem
Feld der Optogenetik, die
Privatwirtschaft ist eben-
falls aufmerksam geworden.
Start-ups wie OptoGenTech
aus Göttingen, aber auch
große Unternehmen wie
Bayer oder Allergan haben
das Thema auf der Agenda.
Kein Wunder: Die Analyse-
firma Grand View Research
schätzt, dass der Markt für
Optogenetik bereits 2025rund 585 Millionen US-
Dollar groß sein wird.
Momentan konzentriert
sich das meiste Geschehen
noch auf die Grundlagen -
forschung, also die Ent-
schlüsselung von Krank -
heiten. Bis die Optogenetik
zum einträglichen Geschäft
wird, dürften noch ein paar
Jahre vergehen – und
viele Mäuse noch so einige
Runden drehen. nIllustration
Cynthia Kittler#IdeenfürMilliardenSchalter
für Zellen
Tex t
Nils Wischmeyer1
Idee
Zellen im Gehirn mit
Licht steuernPotenzial585
Millionen Dollar
sollen im Jahr 2025
weltweit mit Optogenetik
umgesetzt werdenDas größte Versprechen
Taube zum Hören bringen
und Blinde zum Sehen+DQGHOVEODWW0HGLDURXSPE+ &R.*$OOH5HFKWHYRUEHKDOWHQ=XP(UZHUEZHLWHUJHKHQGHU5HFKWHZHQGHQ6LHVLFKELWWHQXW]XQJVUHFKWH#KDQGHOVEODWWJURXSFRP