scheint er hier auf dem Display, und ich kann se-
hen, wie viel Strom und CO 2 er verbraucht und
was er mich pro Tag, Woche oder Monat kostet“,
sagt er. Die App schickt Nutzer*innen außerdem
Push-Nachrichten, wenn zum Beispiel auffällt,
dass das Glätteisen zu lange eingeschaltet ist.
Die Daten sollen zunächst mal dazu anregen,
Strom zu sparen und energieeffizientere Geräte zu
kaufen. Aber richtig interessant wird es erst da-
durch, dass die verschiedenen Verv-Geräte mitei-
nander kommunizieren können.
Davies schnappt sich einen Stift, geht zu einer
Schreibtafel an der Wand und malt zwei Häuser.
„Sagen wir, hier wohnt Miss Jones, die ihren Strom
von British Gas bezieht“, sagt er und zeichnet ei-
nen Kringel unters Dach. „Hier wohnt Mister
Carter, der einen Stromvertrag bei E.On hat“, sagt
er und kritzelt einen Kringel darunter. Hinzu kom-
men noch weitere Personen in beiden Häusern,
alle haben ein Strommessgerät von Verv. „Außer-
dem gibt es Solarpanels auf dem Dach“, sagt
Davies und malt Rechtecke auf die Hausdächer.
Wenn die Sonne viel scheint und zu viel Strom
erzeugt wird, geht die überschüssige Solarenergie
normalerweise zurück ins öffentliche Stromnetz.
Dank der intelligenten Stromzähler ist bekannt,
wie viel Strom Miss Jones und Mister Carter gera-
de in ihren Wohnungen verbrauchen. Matching-
Algorithmen sorgen dafür, dass eine Person ihre
überschüssige Energie in Echtzeit an eine*n Nach-
bar*in verkaufen kann. Davies malt Pfeile von ei-
nem Haus über eine Batterie zum anderen Haus.
„Das alles passiert automatisch, ohne Zwischen-
händler, direkt über die Blockchain-Technologie.“
Ziel sei es, dass die Bewohner*innen ihren Strom
ausschließlich aus der Solaranlage beziehen.
Dieser Energiehandel zwischen Nachbarn exis-
tiert nicht nur auf Davies’ Whiteboard, sondern
wird im Londoner Stadtteil Hackney tatsächlich
getestet. 13 Sozialwohnungsblöcke nehmen an
dem Pilotprojekt teil, das von der staatlichen Inno-
vationsagentur Innovate UK gefördert wird. Ähn-
liche Experimente laufen in mehreren Orten in
Großbritannien, die dafür regulatorische Sonder-
genehmigungen erhalten haben.
Die kleinen Pilotprojekte zeigen, was mit KI im
großen Stil möglich ist. Priya Donti, Informatike-
rin an der Carnegie-Mellon-Universität, hat in der
Studie des Autorenkollektivs um David Rolnick ei-
ne Übersicht zu KI-Anwendungen im Energiesek-
tor erstellt. Smarte Algorithmen können demnach
besser vorhersagen, wann wie viel Energie ge-
braucht wird, wann die Sonne stark scheint oder
wo besonders viel Wind weht. Um die schwanken-
de Energieproduktion auszugleichen, kann das ge-
samte Stromnetz mithilfe von KI überwacht und
optimiert werden.
Umgesetzt wird das zum Beispiel von Google
und dessen Londoner Tochterunternehmen Deep-
Mind. Der Konzern betreibt Windparks in den
USA, die den Strombedarf einer mittelgroßen
Stadt decken könnten. Die KI-Expert*innen fütter-
ten vor einigen Jahren ein neuronales Netz mit
Wettervorhersage- und Turbinendaten. Dieses
kann 36 Stunden im Voraus prognostizieren, wie
viel Windkraft erzeugt werden kann. Auf dieser
Basis empfiehlt das System einen Tag im Voraus,
wie viel Strom die Anlage ans Netz liefern kann.
Google behauptet, den Wert seiner Windenergie
so um rund 20 Prozent gesteigert zu haben.
Hoher Energieverbrauch
Ist KI also die Wunderwaffe fürs Klima, mit der
sich alle Probleme lösen lassen? Nun ja. Natürlich
sollte sie nur dort eingesetzt werden, wo es sinn-
voll ist. Und keine*r der Expert*innen will den
Maschinen die ganze Verantwortung geben: „Die
Menschen müssen schon auch selbst tätig wer-
den“, sagt Studienautor David
Rolnick.
Denn KI steht selbst als
Energiefresser in der Kritik.
Wer eine entsprechende Soft-
ware trainiert, produziert ei-
nen CO 2 -Fußabdruck, der fünf
Mal so hoch ist wie der eines
durchschnittlichen Autos. Das
hat ein Team um die Informa-
tikerin Emma Strubell von der
Universität von Massachu-
setts berechnet. Allerdings
bezog sie sich explizit auf
selbstlernende Algorithmen
für die Spracherkennung, die
tatsächlich riesige Datenzen-
tren und Tausende Stunden
Training brauchen.
Viele KI-Lösungen für den
Klimaschutz benötigen je-
doch weniger Rechenleistung
und kein aufwendiges Trai-
ning. Und als ein Forscher-
team aus Portugal im vergan-
genen Jahr verschiedene Pro-
grammiersprachen miteinan-
der verglich, stellte es fest:
Manche verbrauchen weniger
Energie, weil sie schneller
arbeiten und weniger Rech-
nerkapazität benötigen.
Insgesamt dürfte das Klima
daher vom Einsatz künstli-
cher Intelligenz profitieren:
„Die Menge an Energie, die
wir mit KI sparen“, sagt Green-
Running-Gründer Peter Da-
vies, „überwiegt die Menge an
erforderlicher Rechenleis-
tung massiv.“ n
Staubsauger in der
Atmosphäre
Eine weitere Technologie, die
derzeit für Diskussionen sorgt, ist
Direct Air Capture, kurz DAC.
Dabei handelt es sich um eine Art
Staubsauger, der das Kohlenstoff-
dioxid (CO 2 ) aus der Atmosphäre
zieht. Mitverantwortlich für den
Hype ist Leonardo di Caprios
aktuelle Dokumentation „Ice on
Fire“. Sie zeigt eine riesige Anlage
des Schweizer Start-ups Clime-
works in Island. Die zieht Luft aus
der Atmosphäre und filtert das
CO 2 heraus. Dieses wird erhitzt
und in Gas umgewandelt. Wäh-
rend die CO 2 -freie Luft nun zu-
rück in die Atmosphäre geschickt
wird, wandert das CO 2 -Gas unter
die Erde und wird in Basaltgestein
gespeichert. Der Klimawandel
wird gewissermaßen umgekehrt,
indem das CO 2 von der Atmo -
sphäre wieder in die Erde ge-
schickt wird. Um einen spürbaren
Effekt auf das Klima zu haben,
müssten einer Studie zufolge
weltweit etwa 30 000 solcher
Filter gebaut werden. Das wäre
nicht nur teuer, sondern vor allem
energieintensiv: Pro Jahr würden
die Anlagen 300 Exajoule ver-
brauchen – das entspricht etwa
dem gemeinsamen Energiebedarf
von den USA, Europa und China.
Foto PIK/Klemens Karkow
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