Berliner Zeitung - 30.08.2019

(Michael S) #1

B e rlin


10 * Berliner Zeitung·Nummer 201·Freitag, 30. August 2019 ·························································································································································································································································································


Jung,wild,biegsam


Geradesaßensienoch


inderSchule,schonbald


erobernsiedie


BühnendieserWelt:


DieAbsolventen


derStaatlichenSchule


fürArtistikstartennach


derAusbildunginein


LebenimVarieté


R


ausausderSchule,raufaufdieBühne,reininsKünstlerleben:Für
acht junge Artisten derStaatlichen Schule fürBallett und Artistik
stehen die kommendenTage,Wochen, Monate ganz imZeichen
diesesMottos.SiehabenihreAusbildunganderBerlinerSchuleer-
folgreichbeendet–undstartenmitihrenDarbietungenschonbaldineine
hoffentlicherfolgreicheKarrier eaufdenBühnenundindenVarietésdieser
Welt.Indenverg angenenWochenlegtensiedafürguteGrundlagen:Traditio-
nell begaben sich die jungen Körperkünstler auf eineReise durch ganz
Deutschland, besuchten mit ihrer „Absolventenshow“ unzählige Bühnen,
darunternamhafteShow-TempelwiedasFriedrichsbauinStuttgartunddie
GOP-Varietés.45S howsan33Spielorten –fürdiejungenKünstlerStresspur.
„Die TouristfürdieNachwuchsartisteneinsehrwichtigerSchritt–sietrai-
nierendadurchihreDarbietungen,lernendieArbeitsabläufeinverschiede-
nenTheaternkennen,präsentierensicherstmalsalsKünstlerundknüpfen
vorallemvieleKontaktefürihreBühnen-Karriere“,sagtTourmanagerMaik
M.Paulsen.EinletztesMalkehrensienunnachBerlinzurück:Am10.und11.
SeptemberwirddieShowabschließendimVarietéWintergarteninderPots-
damerStraßeaufgeführt.DerTitellautet„Spin“.Zumeinen,weilvonachtAr-
tistensechsdieKunstder Jonglagevorführen –zumanderen,weilsichauch
sonstallesdreht:umdengroßenTraumvomLebenaufdenBretterndieser
Welt.Infosund TicketsimNetzunterwww.absolventenshow.de.

J


annis Nau(23) undAdrian
Schulte-Zweckel(22)haben
ihr Leben derJonglage ver-
schrieben–aufderBühnewir-
belnsie DiabolosanSchnüren
durch dieLuft. Ursprünglich
kommen sie ausWitten im
Ruhrgebiet, dortlernten sie
sich vorvielen Jahren kennen.
„WirfingenmitzehnJahrenin
einem Kinderzirkus an“, sagt
Jannis.„Schonsehrfrühhaben
wir überlegt, später beruflich
indieRichtungzugehen.“Von
Anfang an verschrieben sie
sichder Disziplin.„Wennman
mit der Jonglage beginnt, sind
die Fortschritte noch groß,
aber je schwieriger dieKunst-
stückewerden,destoschwerer
wirdes. Anfänglich haben wir
zwischendurch imGarten ge-
übt, später trainierten wir
mehrer eStundenproTag.“Auf
dieNervengehensiesichnicht
–für den Traum, die Bühnen
derWelt zu erobern, wäredas
aucheineschlechteBasis.

Immer zu zweit


M


ichael (24) undFlorian Ca-
naval (24) teilen nicht nur
die Leidenschaft für Jonglage,
sondernsogardiegleichenGene:
Diejungen Männer,die ur-
sprünglichausderNähevonSalz-
burginÖ sterreichkommen,sind
zweieiigeZwillinge,gehenseitder
GeburtzusammendurchsLeben.
UndwollennunauchdenWegin
die Bühnen-Karrieregemeinsam
bestreiten.„Wirlerntendieersten
Tricksmit KeulenundBällenvon
unseremOnkel“, sagtFlorian. Er
war sofortbegeistert–und auch
Michael,derzuerstnichtsoange-
tan war ,wurde kurzerhand von
der Kunstformüberzeugt. „Ich

Jeden TagKeule


dachte erst,Zirkus sei nur etwas
für Clowns“, sagt er und lächelt.
Sieschlossen sich der Gruppe
„Jonglissimo“an,diebereitsWelt-
meistertitel erringen konnte.
„Dortwurden wir quasi aufgezo-
gen, wir besuchten Workshops
undtrainiertenviel.“Heutetreten
sie unter demNamen„Canavalt-
wins“ auf.Unddas ist nicht im-
merleicht.„Wirzoffenunsnatür-
lich auch mal, aber das ist zum
Glückimmerschnellvorbei“,sagt
Florian. DasZielderbeidenistes,
vonihrer Kunstlebenzukönnen.
„Natürlich würden wir aber gern
irgendwannzumCirqueduSoleil
–dieTräumesindebengroß.“

Jung und biegsam: die Absolventen der Staatlichen Artistenschule Berlin sind hoffentlich bald internationale Show-Stars.

JannisNau(23,unten)undAdrian
Schulte-Zweckel (22)jonglieren.

Michael (24) und Florian Canaval (24) sind zweieiige Zwillinge.

V


adim Lukjantschuk (22)
zeigt auf der Bühne eine
eher außergewöhnlicheDiszi-
plin: Er hat seine Artistik auf
dieArbeitmitHula-Hoop-Rin-
gen ausgelegt.Seine Leiden-
schaft für dieKunst entdeckte
er früh.Eigentlich wollte er
jonglieren, doch dann fielen
ihmdieRingeindieHand.„Ich
probierte Hula-Hoop zum
Spaß–undjetztgehtderSpaß
schonmehralselfJahre“,sagt
er und lacht.Dergebürtige
LettemagdieartistischeDiszi-
plin, „weil sie Bewe glichkeit
und Kraftvereint undweil es
nicht viele Männer machen.“
Biszu35Ringe jonglierter
gleichzeitig um seinen Körper
–undschafftesdamithoffent-
lichbaldininternationaleVari-
etés.„Ichwürde gernin
Deutschland bleiben,weil es
hier sehr viele schöneTheater
gibt“, sagt er.„Aber der große
Traum wäreein Engagement
beimCirqueduSoleil!“

Ein Leben im Ring


Vadim Lukjantschuk (22) ist einer
vonwenigen Hula-Hoop-Artisten.

S


ieistdieeinzigeArtistinim
aktuellenJahrgang –und
bringt damit zwischen all den
Herren Abwechslung auf die
Bühne:JennyIsabelGolbs(18)
zeigt im Luftring ihrebeein-
druckendenKunststücke.Zur
Artistenschulekamsieaufeher
ungewöhnlichenWegen: „Ich
wohnedirektnebenderSchule
und konntevonmeinem Kin-
derzimmer aus dieGebäude
sehen.Außerdemhabeichim-
mergeturnt,warsportlichsehr
aktiv“,sagtsie.Oftbesuchtesie
den Tagder offenen Tür,bis
spätermiteinemEignungstest
ihreReise auf die Bühne be-
gann. Am Anfang habe sie
nochRespektdavorgehabt,im
Bühnen-Himmel zu hängen.
„Aber wenn man es immer
wieder macht, trainiertman
sich die Angst ab.“ Aufder
Bühne steht sie leidenschaft-
lich gern. „Denn ich liebe es,
Zuschauernein Lächeln ins
Gesichtzuzaubern“,sagtsie.

In luftiger Höhe


JennyIsabelGolbs(18)zeigtihre
KunststückeimLuftring.

Am 10. und 11. September läuft
die Show im Wintergarten. IMAGO

A


ndreas Jordan (23) kommt
ursprünglich aus Klagen-
furtinÖ sterreich,zogaberfür
dieAusbildungnachBerlin.Er
entdeckteschoninderJugend
seinTalentfür Jonglage.ImG e-
gensatz zu vielen anderen gab
es in seiner Nähe aber keinen
Kinderzirkus zumTrainieren.
„Ich brachte mir alles mit An-
leitungenundVideosim Inter-
net selbst bei“, sagt er.„An ir-
gendeinemPunkthabeichge-
merkt, dass das,was ich ma-
che,gar nicht schlecht ist.So
kamichaufdieIdee,beruflich
Artist zuwerden.“ Heute jon-
glierterh auptsächlichmitRin-
genundDiabolos,trainiertje-
denTagfünfbisachtStunden.
„Meine Stärkeist,dassichviel
Geduld habe,dass ich mich
auch nicht unterkriegen lasse,
wenn mir Dinge herunterfal-
len.“ GenaueWünsche für die
Karrier ehat er nicht, nur ei-
nen:„Ichmöchtegernvonder
Jonglagelebenkönnen.“

Kunst aus dem Netz


Andreas Jordan (23) brachte sich
seineKunst selbst bei.

J


ohannPrinz(21)willaufder
Bühne mit viel Kraft über-
zeugen–ert urntanden„Stra-
paten“inderLuftund zeigtbe-
eindruckendeKunststücke im
Handstand. Seine Laufbahn
begann er im Altervonacht
Jahren alsTurner,später ging
er zum Jugendzirkus.Die Auf-
tritte machten ihmSpaß, so-
dass er entschied, die Artistik
zumBerufzum achen.„Ichbe-
warb mich auf der Schule,
wechselte in der zehnten
Klasse nach Berlin“, sagt er.
Mehrals18Stundentrainierte
er hier proTag, um an seinen
Darbietungen zu feilen. Für
das Leben auf der Bühne
nimmterauchRisikeninkauf–
ernsthafteVerletzungen blie-
ben ihm aber bisher erspart.
„Ich hatte nur mal einen Bän-
deranriss“, sagt er.Wohin er
möchte? „Ich habe kein ge-
nauesZiel.NurdasPariserZir-
kusfestival Cirque deDemain
würdemichsehrreizen.“

Auf starken Armen


Johann Prinz (21) würde gernbei
einemFestival inParis auftreten.

VonFlorianThalmann
und Gerd Engelsmann (Fotos)
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