Berliner Zeitung - 30.08.2019

(Michael S) #1

B e rlin


12 * Berliner Zeitung·Nummer 201·Freitag, 30. August 2019 ·························································································································································································································································································


Rolex-Räuber


schweigtvor


Gericht


AngeklagtersollJuweliere
überfallenhaben

VonKatrin Bischoff

D


erCouphattesichfürdieTäter
erst einmal gelohnt:Im August
2016 raubten zwei Männer aus ei-
nem Juweliergeschäft amKurfürs-
tendamm mehrereLuxusuhren im
Verkaufswer tvon fast einerMillion
Euro.Vier Monate später überfielen
dieselbenTätererneuteinenNobel-
juwelier.Diesmal im nordrhein-
westfälischenDüsseldorf. DieTaten
waren vonÜberwachungskameras
aufgezeichnetworden.
Seit Donnerstag muss sich Dok-
san S. wegen schwerenRaubes und
gefährlicher Körperverletzung vor
demLandgerichtverantworten.Der
27-JährigesolldiebeidenRaubüber-
fälle zusammen mit einem noch
flüchtigenKomplizen begangen ha-
ben.DoksanS.schweigtzudenVor-
würfen.
Laut Anklage wollten Doksan S.
undseinMittäterUhrenausdem Lu-
xussegmentrauben als sie amVor-
mittagdes27.August2016dasJuwe-
liergeschäft am Charlottenburger
Kurfürstendamm betraten.DieAn-
gestellten wurden nicht misstrau-
isch. Trugen die vermeintlichen
KundendochteureOberbekleidung
und sprachen englisch.Erst als sie
sichdie wertvollenUhrenzeigenlie-
ßen,sollDoksanS.eineAxtundsein
Komplizeeine Schusswaffe hervor-
geholtunddieAngestelltenbedroht
haben. Einem Sicherheitsmann
habeDoksanS.dieAxtmehrfachin
denHalsbereichgedrückt,sodieAn-
klage.
DasRäuberduo entkam mit 31
UhrenderMarkeRolexim Verkaufs-
wert von893400 Euro.Bei dem
zweiten Überfall auf einJuwelierge-
schäft in der Königsallee in Düssel-
dorfimD ezember 2016 gingen die

Täter ohneBeute aus .Sie wurden
vonden Angestellten in dieFlucht
geschlagen.
Doksan S. und seinMittäter sol-
len nicht nur inDeutschland, son-
derninv erschiedeneneuropäischen
LändernÜberfälle auf Juwelierge-
schäfteverübtundihrGeldmitdem
VerkaufgeraubterhochwertigerUh-
renverdient haben. Nach ihnen
wurdemitHaftbefehlgefahndet.Of-
fenbar gehören sie zu einerBande
international agierender Juwelier-
räuber,diebeiihrenRaubzügenäu-
ßerstskrupellosvorgehen.DasBun-
deskriminalamt nennt dieGruppie-
rung„PinkPanthers“.
DoksanS.wurdeeherzufälligge-
fasst:BeieinerZugkontrolleimApril
2017 in der Schweiz hatten dieBe-
amtenbeiihmeineSchusswaffege-
sehen. Doksan S. wurde daraufhin
genauer überprüft, schließlich fest-
genommenundzunächstanTsche-
chien ausgeliefert.Er war imJahr
2016 in Prag an einemRaubüberfall
aufeinenJuwelierbeteiligt.DerWert
der Beute: Rund 550000Euro.In
Tschechien wurde Doksan S. zu ei-
ner Haftstrafe vonsechs Jahren ver-
urteilt und dann nachDeutschland
ausgeliefert.DerProze ssgegenDok-
sanS.wirdam5.Septemberfortge-
setzt. Dann sollen ersteZeugen des
Überfalls auf das Charlottenburger
Juweliergeschäftgehörtwerden.

Doksan S. stehtwegen Raubes vor dem
Landgericht. WAGNER

„DieRechtslageistdesaströs“


Whistleblower-AktivistinAnnegretFalterüberdasVorgehenvonVivantesgegeneinenEx-Betriebsrat


D


ass die Situation in der
Krankenhauspflege
nach jahrelanger Spar-
politik prekär ist, ist all-
gemeinbekannt.DetaillierteZahlen
fehlenjedochoft.DerfrühereVivan-
tes-Betriebsrat Volker Gernhardt
wolltesichdamitnichtabgebenund
stelltedetaillierteBerechnungenauf
Grundlage internerDaten an.Die
BerlinerZeitungundderRBBveröf-
fentlichteneinenTeilseiner Recher-
chen–daraufhindrohtederlandes-
eigeneKlinikkonzernGernhardtmit
juristischen Konsequenzen. Wel-
chen Schutz genießen Whistleblo-
wer? Darüber sprachen wir mit der
Vorsitzenden des Whistleblower-
Netzwerks ,Annegret Falter.

FrauFalter,wieschätzenSiedenFall
vonVolkerGernhardtein?
Dasist für mich einBilderbuch-
Whistleblower-Fall, weil hier ein
Mensch ganz offensichtlich nur im
öffentlichenInteressegehandelthat.
Er selbst hatte keinerleiVorteil dar-
aus.UndjetzthatihmVivantesange-
droht, dass sierechtlich gegen ihn
vorg ehen, wenn er dieErgebnisse
seiner Recherche öffentlich noch
einmalwiederholtundwennerden
NamendeseigentlichenWhistleblo-
wers aus dem Krankenhaus nicht
preisgibt. Es ist völlig unverständ-
lich, dassMenschen, die sich auf
dieseWeisefürdasGemeinwohlein-
setzen,derartunterRepressalienlei-
denmüssen.

Welche Rücksicht müssen Whistleb-
lowerdennaufihren–ind iesemFall
ehemaligen–Arbeitgebernehmen?
SiebefindensichineinemLoyali-
tätskonflikt. Whistleblowerwerden
ja oft alsVerräter oderQuerulanten
bezeichnet,weilsie Internapreisge-
ben.EinerseitssindsieihremUnter-
nehmen oder ihrer Behörde ver-
pflichtet.Andererseitsspürensieoft
eine höhereVerpflichtung derGe-
sellschaft gegenüber.Das kommt in
diesemFallzum Ausdruck. DerPfle-

genotstand ist in allerMunde.Nun
ist hier einMann an dieses Thema
rangegangen und hat untersucht,
wie es sich empirisch erfassen und
bewerten lässt.Dashat er mithilfe
derPresseöffentlichgemacht.

WiefindenSiees,dassernunRepres-
salienbefürchtenmuss?
Ichfindedasunerträglich.Wirals
demokratische Öffentlichkeit sind
angewiesen auf solcheInformatio-
nen.Wirwerdendochallemalkrank
–undwirwollendannnichtvonge-
stressten,übermüdeten,überforder-
ten Pflegerinnen und Pflegernbe-
treut werden.Wenn wir gemeinsam
diese Situationverbessernwollen,
dannmüssenwirüberdieSituation
Bescheidwissen.Unddasgehtleider
nur mit Whistleblowern –weil sich
UnternehmenundBehördenhäufig
weigern, wichtige Informationen
herauszugeben.

Handelt es sich denn IhrerMeinung
nach beiDaten wie Dienstplänen
oder Belegungslisten aus einem
Krankenhausüberhaupt um Ge-
schäftsgeheimnisse?
Es kann sich durchaus umGe-
schäftsgeheimnisse handeln.Aber
esgingbeiderRecherche vonHerrn
Gernhardt jaweniger um die kon-

krete Situation beiVivantes als um
die größereFrage,obd ie Pflegeper-
sonal-Untergrenzen tatsächlich die
gewünschteWirkung entfalten.Ich
kann mir nichtvorstellen, dass ein
RichterdasalsVerrat vonGeschäfts-
geheimnissen wertet. Aber man
kann sich bei der aktuellenRechts-
lagevielesnichtvorstellen.

Wiebewerten SiedieRechtslage?
Sieistdesaströs.Esg ibtkaumge-
setzlicheBestimmungen.Nurine in-
zelnen, klar umgrenztenBereichen
genießen Whistleblowereinen ge-
wissen Schutz: bei derKorruption,
im Finanzbereich, bei der Lebens-
mittelsicherheit. Oft handelt es sich
hierumEU-Recht.DiedeutscheGe-
setzgebung ist auf diesemGebiet
schwach, es dominiertRichterrecht
unddasbedeutetfürdieBetroffenen
einegroßeRechtsunsicherheit.

Deutschland muss in den nächsten
zwei Jahren die EU-Richtlinie zum
Schutz vonWhistleblowern umset-
zen. Welche Erwartungen habenSie
andaszukünftigeGesetz?
Vorallem muss es möglichst alle
Rechtsgebiete umfassen.Wichtig ist
derSchutzvorRepressalienjeglicher
Art–arbeitsrechtlich, strafrechtlich,
zivilrechtlich.Whistleblowerkönnen

gegenwärtig mit Schadensersatzfor-
derungen konfrontiertwerden. Oft
droht ihnen Kündigung oder ihnen
wirddie Beförderung verweigert.
Dasgeht alles überhaupt nicht.Die
EU-Richtlinie kann diesenZustand
beenden–wenn derBundestag sie
dennvernünftigumsetzt.

Es gibt bereits dasGeschäftsgeheim-
nisgesetz.Esbesagt,dasseskeineRe-
pressalien geben darf, wenn ein
Whistleblower im öffentlichenInte-
ressehandelt.InwiefernmussdieGe-
setzgebungdarüberhinausgehen?
DieRichtlinie gibtbeispielsweise
vor,dassderWhistleblowernichtge-
zwungen ist, sich mit seinenInfor-
mationenzuerstanseinenArbeitge-
ber zu wenden. Bislang gab es enge
Grenzen dafür,inw elchen Fällen er
überhaupt zur Staatsanwaltschaft
gehen durfte.Esg ing und geht der
Arbeitgeberseite immer um den
Erstzugriff auf dieInformation, um
nachGutdünkendamitverfahrenzu
können. Einanderer wesentlicher
PunktistdieUmkehrderBewe islast.
Kommt es zur Kündigung eines Ar-
beitnehmers,dannmussderArbeit-
geber beweisen, dass dasWhistleb-
lowingnichtdieUrsachewar.

Lässt sich denn definieren, in wel-
chenFälleneinWhistleblowerimöf-
fentlichenInteressehandelt?
Dasöffentliche Interesse wird
häufig gleichgesetzt mit derAufde-
ckung einer Straftat oder eines
Rechtsverstoßes.Aber ich finde,wir
können uns damit nicht begnügen.
DasöffentlicheInteressemussauch
weitereMissständeumfassen.Aller-
dings gibt das denGerichten einen
erheblichen Abwägungsspielraum.
Vollständige Rechtssicherheit für
Whistleblowerwirdesn iemals ge-
ben–abereinganzesStückmehr,als
wirsieheutehaben.

DasGesprächführtenFrederikBom-
boschundTinaFriedrich.InZusam-
menarbeitmitdemRBB.

ZUR PERSON

Annegret FalteristAutorin undVorsitzende desWhistleblower-Netzwerks. DerVerein mit Sitz in
Berlin-Mitte setzt sich dafür ein, die RechtevonHinweisgeberninnerhalbvonUnternehmen,
Behörden oder anderen Institutionen zu stärken. Das Netzwerk berät Medien,Politik und Un-
ternehmen. Es leistet aber auch praktische Hilfe für Whistleblower. PRIVAT

POLIZEIREPORT


Illegales Autorennen.
PolizistenhabenamMittwoch-
abendinNeuköllneinillegalesAuto-
rennengestoppt.Siebeobachteten
gegen20.30UhreinenFerrari,deran
derGrenzalleeeineroteAmpelmiss-
achteteundindieSonnenalleeein-
bog.Dortstandenzweiweitere
Sportwagen,ebenfallsmiteinge-
schalteterWarnblinkanlage.Plötz-
lichließendieFahrerderdreiSport-
wagendieMotorenaufheulenund
beganneneinRennenbisindieJupi-
terstraße.Vondor tfuhrensieweiter
aufder NeuköllnischenAllee.Ind er
NobelstraßeholtendiePolizisten
denPorscheein.Sienahmenden37-
jährigenFahrerfest.Voneinernahe
gelegenenHochzeitsfeiersolidari-
siertensich30bis40Hochzeitsgäste
mitdemFahrerundbedrängtendie
Beamten.WeitereangefordertePoli-
zistenkonntendieLageberuhigen.
Der37-JährigewurdezurFeststel-
lungseinerPersonalienmitgenom-
men.DerPorschewurdebeschlag-
nahmt.DerMercedes-undderFer-
rari-Fahrerentkamen.


Jugendliche schlugen zu.
Nacheiner Attackeaufeinen39-Jäh-
rigenamS-BahnhofGesundbrun-
nensuchtdieBundespolizeiseit
DonnerstagnachZeugen.Dreibis
fünfJugendlichehattendenMann
amDienstagaufdemBahnsteig
mehrfachmitderFaustins Gesicht
geschlagen.Siewarenmitweiteren
Jugendlichenunterwegs.Die
Gruppeflüchteteunerkannt.Der39-
JährigewurdeambulantimKran-
kenhausbehandelt.ErstenErkennt-
nissenzufolgewarereingeschritten,
alsdie Gruppeeinenälterenunbe-
kanntenMannbeleidigthatte.


Angriff im Regionalexpress.
IneinemRegionalexpressistein
Fahrgast verprügeltworden.Laut
Bundespolizeihatteder28-Jährige
den30-JährigenzwischendenBahn-
höfenPotsdamerPlatzundSüd-
kreuzaufgefordert,seineMusiklei-
serzustellen.Der30-Jährigezogei-
nenTeleskopschlagstockundschlug
damitdenJüngeren.


Brände gelegt.
UnbekanntehabenamDonnerstag
inFriedrichshainkurzhintereinan-
dermehrereBrändegelegt.Gegen
3.50UhrbemerkteeinSpaziergän-
geram WriezenerKarreeeinenin
FlammenstehendenIveco-Trans-
porterundalarmiertedieFeuer-
wehr.Polizistenunternahmenerste
Löschversuche,dochkonnteerstdie
Feuerwehrden Brandlöschen.Kurz
daraufbranntenaneinemBaumarkt
inunmittelbarerNäheeineMüll-
tonneundeinTeileines Sichtschutz-
zaunessowieinderStraßeder Pari-
serKommunederSonnenschirmei-
nesCafés.AuchdieseBrändekonn-
tendurchPolizistenund
Feuerwehrleutegelöschtwerden.
ZurAbsuchenachdemoderden
BrandstifternwurdeauchderPoli-
zeihubschraubereingesetzt.DieAb-
sucheverliefohneErfolg. (kop.)


Ein Feuerwehrmann löscht den brennen-
denTransporter. MORRIS PUDWELL


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Aus schrägerPerspektive: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag in seinemAmtssitz vor dem Gemälde „Auf dem Seil“, 1984, des Ost-Berliner MalersTrakWendisch.DPA

EinSeiltänzerinSchlossBellevue


DerersteManndes Staatesfindet,esseianderZeitist,sichvordernach
FreiheitstrebendenKunstausdemdeutschenOsten,vordemFallder
Mauer 1989 entstanden, an seinem Amtssitz„zuverbeugen“.Undso
hängtinderSchloss-Bellevue-Galerie,diefreilichnurfürEingeladene
offen ist, aufWunsch vonBundespräsidentFrank-WalterSteinmeier
seit Donnerstag eines der metaphorischstenBilder für existenzielle
Grundsituationen–geradediederDDR-Bürger.„AufdemSeil“isteine

starke Metapher der deutschenTeilung schlechthin, stellt zudem die
FragenachderZukunftderMenschheit.Seit1985gehörtdasvonTrak
Wendisch imJahr zuvor gemalte und auf der X.Kunstausstellung der
DDRzumMassen-MagnetengewordeneBildder NationalgalerieBer-
lin.Im SchlossBellevuehängenbisHerbst2020ebenfallsausgroßen
MuseenundSammlungenentlieheneHauptwer kvonHaraldMetzkes,
AngelaHampel,HartwigEbersbachundGünterFirit. IngeborgRuthe

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