Berliner Zeitung - 30.08.2019

(Michael S) #1

L o kalsport


18 * Berliner Zeitung·Nummer 201·Freitag, 30. August 2019 ·························································································································································································································································································


WernimmtdieFlamme?


Gründerväter:WiederBFCPreussenvomDustererKellerausmitHilfebritischerKickerHochzeitenerlebte


VonChristian Schlodder

D


ass Norman Metzler die
Tradition seinesVereins,
desBFCPreussen,wich-
tigist,istnichtschwerzu
erahnen.Erkönntevermutlichstun-
denlang darüberreden. Doch die
vielleichtwichtigstenSätzedazu,wie
er darüber denkt, gehen ihm nicht
über die Lippen.Er wirdsie später
per Mail hinterherschicken.Denn
der 73-Jährige muss erst malweit
ausholen. Wieein Vereinslexikon
hantierterm itJahreszahlen,Spieler-
namenundInformationenallerArt.
VorallemzurGeschichtedesPreus-
senstadions in Lankwitz, derHeim-
stätte des Klubs seit 1938, könnte
Metzler –som öchte man meinen –
gardozieren.VonNebenplätzen,die
es nichtmehr gibt, biszu den origi-
nal verlegten Steinplatten auf den
TraversenbishinzumFakt,wiehoch
einst dieGebühren proMeter An-
liegerstraßewaren:Metzlerweißna-
hezualles.
„Wenn man so lange dabei ist,
hattemanfastjedesAmtschonmal
inne“, sagt er.Mit Sepp Herberger
saßeraufTrainerweiterbildungenin
BadHersfeld und viel zu berichten
weiß er über die 70er und 80er,als
diePreußennocheinSpitzenteamin
West-Berlin waren.Heute kümmert
er sich um die Klubhistorie und um
alles,wofür er sich zuständig sieht.
Dassdie125-Jahr-FeierdesKlubsim
Juninichtbesserbesuchtwar,ärgert
ihn. DieVereinshomepage könnte
auchmehrKlicksvertragen.DerSer-
verbrauchenochPHP-Updates,sagt
er mit der gleichenSelbstverständ-
lichkeit, wie er betont, Preussen-
SpieleaufdemSmartphonezustrea-
men, falls er es nicht inStadion
schafft. „Ich bin einer,der auch im
Alter gerne über den Tellerrand
schaut.Manmusssichebenfüralles
interessieren.“

Sportpar kamK urfürstendamm
Mittlerweile interessieren sich auch
Leute für ihn und seinWissen. Ge-
radegabeseineAnfrageausDüssel-
dorf. DieMannschaftsaufstellung
derFortunagegenPreussenausdem
1930ernwargesucht.Metzlerkonnte
helfen.Ihmkommtzugute,dassviel
vonPreussensGeschichteindieGe-
genwartgerettet werden konnte –
und viel dokumentiertwurde.Bis
2002 erschien das vierteljährliche
Vereinsmagazin, die ersteAusgabe
datiertvon 1900.Aufder Geschäfts-
stelleliegendiegesammeltenAusga-
benseit1907.DocheinArchivallein
reicht nicht. Es braucht auch einen,

dereslebt.DastutNormanMetzler.
Vonknapp 1000 Mitgliedernist er
alseinerder wenigenseitmehrals
Jahrenim Verein.
Eingetreten ist er am 13. Juni
1957.„EinDatum,dasichnieverges-
sen werde“, sagt er.„Damals haben
dieganzAltennochvonderZeitauf
dem Tempelhofer Feld erzählt.“
DieseZeit,esistnichtwenigeralsdie
Anfangszeit derPreussen, die maß-
geblich die Anfangsphase desFuß-
balls inBerlin, vielleicht in ganz
Deutsc hlandmitgeprägthaben.

Gegründet wirdderVerein am 1.
Mai1894 vonSchülerndes damali-
genKöniglichenFriedrich-Wilhelm-
Gymnasium in Kreuzberg.DerNa-
mensgeber der Schule wirdzud em
des Klubs.Noch im gleichenJahr
wurde der Klub aufgelöst und neu-
formiert, da die Schulleitung auf-
grund der noch starkenVorurt eile
gegen denFußballsportgegen die
Gründer vorg ehen wollte.Gekickt
wurdeamGründungsort:demTem-
pelhofer Feld. DasVereinslokal
„DustererKeller“ lag in derBerg-
mannstraße.Dortwurde 1897 zu-
sammenmitfünfweiteren Vereinen
derVerbandDeutscherBallspielver-
eine(VDB)gegründet,dessenNach-
folgeorganisation heute alsBerliner
Fußball-Verbandbesteht.
Preussenwuchs,auchdankbriti-
scher Kicker,die das Kurzpassspiel
mitbrachten.ZurZeitder Gründung
desDFBwarderKlubeinerderfüh-
renden BerlinerVereine.ImG egen-
satz zu den meisten anderen Klubs
der Stadt, die auf demTempelhofer
Feld kickten, bekamPreussen bald

seinen eigenenSportpar kamK ur-
fürstendamm. 1901 gelang dortmit
dem Erfolg über dieSurrey Wande-
rers der ersteSieg eines deutschen
Teams gegen eine englischeMann-
schaft. Im selben Jahr verteidigte
man auch den drittenTitel in Folge
alsBerlinerMeisterimVDB.Weitere
Titel folgten 1910 und 1912, die zur
Teilnahme an derDeutschenMeis-
terschaftqualifizierten.Dortwaral-
lerdings jeweils nach einemSpiel
Schluss.Der Gegner in beidenPar-
tien: Holstein Kiel. Damit endet die

NeuerTrainer beim BFC Preussen in der Landesliga:Weltmeister Thomas „Icke“ Häßler. BERLINER ZEITUNG/GERD ENGELSMANN

Preussen gegen Britannia 92 im SportparkKurfürstendamm 1903. BFC PREUSSEN

Christian Schlodder
porträtiertBerliner Klubs,
die den DFB mitgründeten.

erste Hochphase derPreußen als
Spitzenteam. Im Ersten Weltkrieg
fielenknapp30Proz entder Vereins-
mitglieder.
DasistdiealteGeschichte,and ie
sichniemandmehrpersönlicherin-
nert.Dochselbstdieerfolgreicheren
Jahreder 70er und 80er,als im
Schnitt noch 400, 500Zuschauer zu
Preussen-Spielen kamen, wieMetz-
lersagt,drohenzuverblassen.Muss
Traditionvielleichtzwangsläufigver-
blassen?„Wir wollenDinge ja nicht
in Sack und Asche hauen, nurweil
siealtsind“,sagtMetzler.„Tradition
heißt auch, dieFlamme zu überge-
ben. Nurmuss dann jemand sagen:
Hier!Ichnehmesie!“
Doch da ist niemand.So bleiben
diealtenGeschichtenalteGeschich-
ten, vondenen Metzler nichtweiß,
wersie in Zukunft erzählen soll.Er
träumt voneiner Möglichkeit, die
lange Historie imPreussenstadion
sichtbarzumachen,vielleichteinVi-
deo darüber erstellen zu lassen,
dochzweifeltermittlerweile,obd as
jemanden interessieren würde,

selbstimVerein.„Darankannichlei-
derauchnichtsändern“,sagter.
Ach, als alle beim SFB diePreus-
senkannten,schwärmter.AlsPreus-
sen eine großeNummer war.Viele
Namen. Viele Daten. Aufstiege.Ab-
stiege.Titel.Tränen.Prämienzahlun-
gen. „I mFußball“, sagtMetzler ir-
gendwann,„istGeldnichtalles.Man
muss auch ein bisschen was in der
Birnehaben.Strukturen.“

„WashabtihrfürVorstellungen?“
DannstecktersicheineZigarettean.
AufdemRasenplatzmachtsichdie1.
Männermannschaftwarm.Diewird
nach demAbstiegindie Landesliga
vonThomas„Icke“ Häßler trainiert,
dem ehemaligenWelt- und Europa-
meister.Sein Gehalt übernimmt zu
Teilen einSponsor.Die ersten zwei
Spiele konnten souverän gewonnen
werden. Eigentlich könnteNorman
Metzler zufrieden sein. Einneues
Konzept. Vielleicht?DochbeimWort
Konzept lächelt er schnaubend und
winkt ab.Die Augustsonne scheint.
Aufdem Platz posierenSpieler und
Betreuerstab für einMannschafts-
foto.Wahrscheinlichbedeutetfürje-
demaufdiesemFotoderBFCPreus-
sen nicht einmal im Ansatz so viel
wie Norman Metzler,der sich nach
seinemExkursindieAnekdotenwie
zurBelohnungdienächsteZigarette
ansteckt.IstTraditionvielleichtdoch
nur die sehr selektiveErinnerungen
voneinem, der einfach lange genug
da ist, um nochGeschichten erzäh-
lenzukönnen?
Wenige Stunde später schreibt
Metzler noch eineMail. „T radition
heißtjaauchübergebenund(!)ver-
ändern“,stehtda.„Deshalbistmein
Ziel, keineWehklage,sonderndie
Jüngeren fragen:Washabt ihr für
Vorstellungen und was können wir
im Verein für Eure Alters gruppen
verbessernund anbieten.Steigt ein
in das Boot und ’rudert’ kräftig mit!
Daswirdausme iner Sichtoftverges-
sen. So stel le ich mir eine Annähe-
rungund Verbesserungvor!Punkt.“
Er lässt zweiAbsätz efolgen ...
„Ob’s hilft?“, fragt er sich amEnde,
um die Antwortgleich selbst zu ge-
ben.„Schaunmermal.“

In der Reihe„Gründerväter“ erschienen:
BerlinerSV92(9.August), SG Nordring(16.Au-
gust), ConcordiaWilhelmsruh(23.Augus t)

UM DIE ECKE


Zugriff derWoche
beim BFC Dynamo

FUSSBALL.AmMontagist Torhüter
MichaelWittein Berlineingetrudelt,
aufdem TrainingsplatzdesBFCDy-
namo.DerRegionalliga-Klubhatte
schnellsichtenundzugreifenmüs-
sen,dennSchlussmannDamian
Schobertkanndasindenkommen-
denWochenicht:ErhatsichamKnie
verletztundwirdamMeniskusope-
riert.SchonamMittwochstand
Witte,20Jahre alt,1,93 Metergroß,
dannbeim1:1gegenLichtenberg
imDynamo-Tor–undgriffnurein-
malnichtzu.NachseinerAusbil-
dungbeimKarlsruherSCwarerbei
denAmateurendesVfBStuttgartein
JahrlangnichtzumZugegekom-
men.„Ichwollteunbedingtwieder
spielen“,sagteer,weshalberbeiDy-
namosAngebotsofortzugriff.Zumal
BerlinsoetwaswieHeimatfürihn
ist.„IchbinjaerstmitdreiJahrenvon
BerlinnachKarlsruheumgezogen.
IchhabehiernochüberallVer-
wandtschaft“,sagtWitte.Nunmuss
esihmvorkommen,alsseiBerlin
auchnureinDorf.DennamSonntag
stehtfürihnunddenBFCgleichdas
nächsteStadtderbyan:Um13.
UhrempfängtderTabellenvierteim
JahnsportparkTabellenführerHer-
thaBSCII.

Spontaneinfall derWoche
beim Berliner AK

FUSSBALL.ErsanParlatanhingegen
musssichjetzterstmalkeineGedan-
kenmehrübereinStadtderbyind er
RegionalligaNordostmachen.Denn
seinenJobalsTrainerdesBerlinerAK
isterseitder2:4-NiederlageamMitt-
wochabendspontanlos.Nachdrei
Siegenhintereinanderfolgtenbeim
BAKdreiNiederlagenhintereinan-
der,alleindenStadtduellen:0:1ge-
genLichtenberg47,0:1gegenHertha
BSCIIunddannebendieKlatsche
daheimgegenAltglienicke.VonTa-
bellenplatzeinsrassel tederVerein
mitAufstiegsambitionenaufRang
acht–daswaroffenbarzuvielfürdie
NervenvonKlubbossAliHan.Der
galtinSachenTrainerentlassungen
nochniealszögerlich.Ganzegal,ob
einerwieParlatan,42,geradedieA-
LizenzdesDFBabgelegtundbei
FreiburgsCoachChristianStreich
hospitierthat.„WirhabenimVor-
stan dberatenundihnfreigestellt.
ErsanParla tanisteinsehrguterTrai-
ner,deshalbwarerauch15Monate
beiuns .AberwirhabenklareZiele“,
sagtAli Han.„Wirwollennichtum
Platz13spielen,sondernobenmit-
spielen.“FürdasnächsteHeimspiel
desBAKamSonntagum13.30Uhr
imPoststad iong egenRot-Weiß Er-
furtwirdParlatansbisherigerAssis-
tentMounierRaychouni,32,die
Mannschaftzusammenstellen.„Wir
habeneineMengeBewerbungen
hier“,sagtAliHan.„Die werdenwir
anschauenunddannentscheiden,
obwireinenneuenTrainerholen
odermitRaychouniweitermachen.“

Wennder


Anspornzur


Ehrungkommt


AKTIVES ABSEITS


B


etty Heidler hat versprochen,
wiedervorbeizuschauenaufdem
WurfplatzanderAlleederKosmo-
nauten.DortfindetamSonnabend
ab 10 Uhrdas5.Hammerwurfmee-
tingdes1.VfLFortunaMarzahnstatt.
Heidler,35,hatvordreiJahrenmitei-
nerWeitevon75,46MeterndenMee-
tingrekordaufgestellt–undkurzdar-
aufihreSportkarrierebeendet.Inzwi-
schenbereitetsichdiefrühereWeltre-
kordhalterinaufsersteStaatsexamen
inJuravor.AbersiehatAbteilungslei-
terinDorisNabrowskyzugesagt,Sie-
gerzuehren.DennindiesemJahrist
Berlin-MarzahnnachBraunschweig,
Leverkusen,Halle/ Saale,Fränkisch-
Crumbach und Dischingen die
sechste und letzteStation imDeut-
schenJuniorencup.
Diesen Cuphatte Betty Heidler
einst mitinitiiert, zur Förderung der
Nachwuchsarbeit.Denn die Diszi-
plin hat es schwer.„Hammerwerfer
brauchen sehr vielPlatz. Wenn ein
Gerät60,70,80Meterweitfliegt,hin-
terlässt es Einschläge“, sagt Na-
browsky.„Weil die Sicherheitsanfor-
derungenimmerhöherwurden,gibt
es immer weniger Hammerwurf-
Wettbewerbe,gerade imNordosten
vonDeutschland.“
DasImage derSportar tist nicht
berauschend.„Hammerwerferinnen
sindmeistensdie,dienichtsogeeig-
net für Diskus,Sprint oderSprung
sind“, meintNabrowsky,die aller-
dings seit demJahr 2000, als das
Hammerwerfen der Frauen olym-
pisch wurde,festgestellt hat, dass
sich dieNachfrage gedreht hat und
nunbeidenMädchengrößeralsbei
den Jungs ist.Nabrowsky glaubt,
dassdiesympathischeBettyHeidler
einGrunddafürist.„Siewarjalange
Kapitänin derNationalmannschaft.
DazugabesnochKathrinKlaas.Das
hatjungeMädchenangespornt.“


Gerade erlebt derHammerwurf
nochdieLückedanach.FürdieWM
EndeSeptemberinDohahatbisher
niemand dieNorm des Deutschen
Leichtathletik-Verbandes geschafft.
WobeidiedeutscheMeisterinChar-
leneWoithavomSCC harlottenburg
sowie CarolinPaesler,Meisterin von
2017 aus Leverkusen, inMarzahn
den Versuch wagen, denHammer
über die zur WM geforderten 71,
Meterfliegenzulassen–ebensowie
ValeriaChiliquingaausEkuador,die
DrittederSüdamerikaspiele2018.
Beiden Mädchen seien dieJahr-
gänge inBerlin oft noch mit fünf,
sechsSportlerinnenbesetzt,beiden
Jungen oft gar nicht mehr,sagt Na-
browsky.Tja,unddannistdadieDo-
pinghistorie imHammerwurf.Die
langeReihegedopterOlympiasieger,
Weltmeister,Topathleten. Betty
Heidler durfte imMaiinF rankfurt
ihreolympischeBronzemedailleaus
Londongegendiesilbernetauschen.
DieRussinTatjanaLyssenkowarbei
NachuntersuchungenmitdemMus-
kelmastmittel Turinabol aufgeflo-
gen, eine Wiederholungstäterin.
„Dasistleiderso,wieesist“,sagtDo-
risNabrowsky. (kah.)


Betty Heidler erhielt nachträglich die
Silbermedaille für Olympia 2012. IMAGO


ZAHL DER WOCHE


6,


MeterhochlagdieStangebeimStab-
hochsprung-WeltrekorddesFranzo-
sen Renaud Lavillenie.Noch etwas
höher liegt sie an diesemWochen-
ende (F reitag undSonnabend je-
weilsab10Uhr)beim Internationa-
len Stabhochsprung Meeting in
Potsdam, was allerdings damit zu
tunhat,dassderWettkampfaufdem


  1. Parkdeck desSternCenters abge-
    halten wird. Sechs-Meter-Sprünge
    sind –trotz internationalerTopbe-
    setzung–kaumzuerwarten.

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