WELT AM SONNTAG NR.34 25.AUGUST2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 11
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ten wir in Mecklenburg-Vorpommern
seit 2015. Die Arbeitslosenquote in Ost-
deutschland liegt mittlerweile deutlich
unter sieben Prozent. Gemessen daran,
wo wir herkommen, ging der wirtschaft-
liche Aufholprozess in Ostdeutschland
beachtlich schnell.
Trotzdem kämpfen viele Regionen im
Osten mit der demografischen Ent-
wicklung: Großstädte boomen, aber
auf dem Landdroht Überalterung,
wicklung: Großstädte
droht Überalterung,
wicklung: Großstädte
und es fehlen Fachkräfte. Wie wollen
Sie Leute aufs Land locken?
KRETSCHMER:Der Befund ist ja nicht
neu. In diesem Jahr gehen beispielswei-
se doppelt so viele Menschen in Sach-
sen in Rente wie ins Erwerbsleben ein-
steigen. Es mag Regionen geben, die
sind schicksalsergeben und lassen das
einfach passieren, aber das ist keine Lö-
sung. Und es tut sich was. Rings um die
großen Metropolen ziehen junge Leute
raus aufs Land, weil die Grundstücke
dort bezahlbar sind und junge Familien
sich da noch ein Eigenheim leisten kön-
nen. Und ich erlebe, wie Zeitarbeitsfir-
men ausländische Arbeitskräfte in die
Regionen bringen, Fachkräfte aus Polen
oder der Ukraine beispielsweise. Ges-
tern war ich in einer Firma, die beschäf-
tigt viele junge Leute aus Bosnien. Das
ist für Ostdeutsche gewöhnungsbedürf-
tig, schließlich haben wir lange Zeit die
Erfahrung mit hoher Arbeitslosigkeit
und Abwanderung gemacht.
Können sich Problemregionen über-
haupt ohne qualifizierte Zuwande-
rung weiterentwickeln?
HÜTHER:Nein, nur mit den eigenen
Leuten geht es nicht. Das sieht jeder,
der die Grundrechenarten beherrscht.
Dafür sind einfach nicht genügend Men-
schen da.
KRETSCHMER: Deshalb ist es jetzt
wichtig, dass wir in Ostdeutschland und
Sachsen ein positives offenes Klima ha-
ben. In Ostdeutschland dürfen keine
Extremisten das Kommando überneh-
men und auch keine Politiker, die sagen,
wir bräuchten keine Fachkräfte-Zuwan-
derung. Als Staat können wir auch eini-
ges tun, damit es leichter für Fachkräfte
aus dem Ausland wird, etwa die Aner-
kennung von Berufsabschlüssen verein-
fachen oder mehr Unterstützung bei
Deutschkursen geben. Bisher machen
wir all das komplizierter als nötig.
Aber warum sollten ausländische
Fachkräfte, warum sollten Pfleger,
Ärzte oder Handwerker ausgerechnet
Fachkräfte, warum sollten Pfleger,
Ärzte oder Handwerker ausgerechnet
Fachkräfte, warum sollten Pfleger,
in die Hochburgen der AfD ziehen?
KRETSCHMER:In Sachsen gibt es in al-
len Regionen ausländische Fachkräfte:
Rechtsextremisten sind eine kleine bös-
artige Minderheit, der wir uns mit Poli-
zei und Justiz massiv entgegenstem-
men. Sachsen ist ein fröhliches, weltof-
fenes Land, aber das muss es auch blei-
ben. Dafür muss man auch auf die Fra-
gen, die wir hier diskutieren, ehrliche
und zutreffende Antworten geben.
Brauchen wir den Soli noch?
KRETSCHMER: Der Solidaritätszu-
schlag sollte jetzt abgeschafft werden
und zwar für alle Steuerzahler. Dass
sich die große Koalition in Berlin nur
auf die Abschaffung für 90 Prozent der
Steuerzahler einigen konnte, ist als ers-
ter Schritt aber schon viel wert.
Was von den Soli-Einnahmen wird
tatsächlich im Osten ausgegeben?
KRETSCHMER:Der Soli ist ja gar nicht
mehr dezidiert für die neuen Länder,
sondern für den Bundeshaushalt. Davon
kommt nur noch der kleinste Teil in den
neuen Ländern an.
Das weiß allerdings kaum einer.
KRETSCHMER:Es weiß auch kaum ei-
ner, dass der Soli von Ost und West ge-
meinsam bezahlt wird. Ich finde, der
AAAufbau Ost ist eine unglaubliche patrio-ufbau Ost ist eine unglaubliche patrio-
tische Leistung der Menschen in Ost
und West. Deshalb macht mich auch die-
se Diskussion wütend über die armen,
benachteiligten Ostdeutschen, denen in
der Wendezeit so viel Unrecht widerfah-
ren ist. Viele sind auf ihre friedliche Re-
volution stolz. Die Wende ist 30 Jahre
her. Hätten wir diese Diskussion 15 Jahre
nach der deutschen Einheit geführt, wä-
re sie verständlich gewesen, denn da-
mals haben die Menschen die Folgen
noch deutlich gespürt. Aber jetzt läuft
die Industrie in Ostdeutschland wieder,
die Löhne steigen, die Arbeitslosigkeit
ist niedrig und die ganzen Umweltschä-
den, die wir 1990 hatten, sind beseitigt.
WWWer diese Diskussion jetzt führt, nimmter diese Diskussion jetzt führt, nimmt
den Menschen ein Stück weit die Würde
und entwertet das, was sie durchlebt,
aaaber auch geleistet haben.ber auch geleistet haben.
Gemeinsame Ost-AnalyseIW-Direktor Hüther im Doppelinterview mit
dem per Video zugeschalteten Ministerpräsidenten Kretschmer (l.)
AMIN AKHTAR
WIE ELTERNGELD
Ein fester Obolus für
pflegende Angehörige?
Familienministerin Franziska Giffey
(SPD) schlägt angesichts fehlender
Pflegestellen eine staatliche Unterstüt-
zung für pflegende Angehörige vor. In
ihrem Ministerium gäbe es Pläne für
„eine Art Lohnersatzleistung, analog
zum Elterngeld, das über einen gewis-
sen Zeitraum gezahlt wird“, sagte Gif-
fey in einem Zeitungsinterview. Bis
2050 werde es Prognosen zufolge 4,
Millionen Pflegebedürftige geben.
KERNKRAFT IN RUSSLAND
Schwimmendes AKW
auf Kurs nach Sibirien
Russland hat das erste schwimmende
Atomkraftwerk auf eine 5000-Kilo-
meter-Reise durch die Arktis geschickt.
Die „Akademik Lomonossow“ legte
Freitag in Murmansk ab und nahm
Kurs auf das östliche Sibirien. Dort soll
sie eine Stadt mit Strom versorgen.
Kernkraftgegner bekämpfen das Pro-
jekt seit Jahren. Orthodoxe Priester
weihten die Plattform mit zwei 35-
Megawatt-Reaktoren vor dem Start.
BERLIN MELDET ANSTIEG
In der Türkei geraten
mehr Deutsche in Haft
Die Zahl der in der Türkei inhaftierten
Deutschen ist seit Februar von 47 auf
62 gestiegen. Weitere 38 sitzen wegen
einer Ausreisesperre in der Türkei fest.
Das geht aus der Antwort des Außen-
ministeriums auf Fragen der Partei Die
Linke hervor. Unklar sei, wie viele
Deutsche unter Terrorverdacht stün-
den. Das türkische Gesetz erlaubt dann
ein Festhalten bis zu sieben Jahre lang.
DIE WOCHE
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