Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

(nextflipdebug2) #1

22 DEUTSCHLAND & DIE WELT WELT AM SONNTAG NR.34 25.AUGUST2019


rofessor Serge Hercberg ist Ernährungs-
wissenschaftler an der Pariser Universität.
Er entwickelte mit seinem Team das Kenn-
zeichnungs-System Nutri-Score, das in Frank-
reich bereits erprobt ist. Hier erklärt er, warum er
sein System für das beste und effizienteste hält.

WELT AM SONNTAG: Was hat der Nutri-Score
nach Ihren Beobachtungen bisher bei den Ver-
brauchern bewirkt?
SERGE HERCBERG:Er wurde 2017 in Frankreich
eingeführt. Wir beobachten genau, welche Aus-
wirkungen er auf Konsumenten und Produzenten
hat, und hoffen, dass er zu besseren Kaufentschei-
dungen und besseren Produkten führt. Seine Ak-
zeptanz ist hoch: 91 Prozent befürworten ihn, 77
Prozent vertrauen ihm.

Wie bewerten Sie die Diskussion um die Aus-
zeichnung von Lebensmitteln in Deutschland?
Wir hatten die gleiche Debatte damals in Frank-
reich und haben den Druck der Lobbyisten er-
lebt. Letzten Endes haben wissenschaftliche Ar-
gumente gezählt. Ich wünsche mir, dass
Deutschland und auch die anderen EU-Länder
zum selben Schluss kommen. Mehr als 35 wissen-
schaftliche Veröffentlichungen belegen, dass der
Nutri-Score das effizienteste und beste Kenn-
zeichnungssystem für Lebensmittel ist, das es
derzeit gibt.

Wozu braucht es eigentlich überhaupt ein sol-
ches Label?
Verbraucherschutz-Organisationen haben he-
rausgefunden, dass Konsumenten die Nährwert-
Information auf der Produktrückseite nicht nut-
zen. Ernährung hat einen großen Einfluss bei der
Entstehung chronischer Erkrankungen wie Über-
gewicht, Diabetes und Krebs. Der Nutri-Score
könnte das Erkrankungsrisiko senken, insbeson-
dere in einkommensschwachen und gefährdeten
Bevölkerungsschichten.

Früher galt Fett als schlecht, heute ist es vor al-
lem der Zucker. Die Empfehlungen zur gesun-
den Ernährung ändern sich doch laufend.
Mein Forschungsteam hat die aktuellen Daten
und die Erfahrungen anderer Länder mit Lebens-
mittel-Labels berücksichtigt und stützt sich auf
eine robuste wissenschaftliche Basis. Aber es
stimmt, Wissenschaft entwickelt sich weiter, da-
her soll der Nutri-Score alle drei bis vier Jahre an
neueste Daten angepasst werden – nicht von uns,
sondern von Wissenschaftlern und Gesundheits-
behörden in ganz Europa.

Ist Cola light


wirklich gesünder


als Olivenöl?


P


Der Erfinder des Nutri-Score über sein System, die


bisherigen Erfahrungen damit in Frankreich – und


einige Ungenauigkeiten, die man verbessern sollte


Was sind die Stärken und die Schwächen des
Nutri-Score?
Er berücksichtigt nicht, wie ein Lebensmittel pro-
duziert wurde und welche Zusatzstoffe es enthält.
Daher empfehlen wir, Bio-Produkte zu bevorzu-
gen und die Inhaltsstoffliste zu prüfen. Seine Stär-
ke ist die wissenschaftliche Basis und der Rück-
halt von Verbraucherorganisationen.

Der Score ist leicht zu verstehen, aber manche
Ergebnisse verwundern: Warum erhält Cola
light ein B und Olivenöl D?
Es gibt ein paar Schlupflöcher, die aber alle Label
betreffen. Öle sind fett- und kalorienreich, daher
wird ihr Nutri-Score generell nicht A oder B sein.
Rapsöl schneidet mit C besser ab als Oliven-, Son-
nenblumen- und Erdnussöl mit D, Palmöl hat E.
Wir müssen den Algorithmus feiner abstimmen,
Ernährungsexperten empfehlen Oliven- und
Rapsöl. Der Nutri-Score soll Orientierung geben,
wenn man vor einem Regal mit Produkten einer
Kategorie steht. Er ist nicht dafür gedacht, Äpfel
mit Birnen zu vergleichen.

Warum ist Nutri-Score besser als andere La-
bels?
Das Keyhole wurde vor mehr als 30 Jahren in
Schweden eingeführt, die britische Lebensmittel-
Ampel vor 14 Jahren. Als wir Nutri-Score entwi-
ckelten, haben wir die Erfahrungen anderer Län-
der mit einbezogen und uns auch ausgetauscht.
Am Ende haben wir den Nutri-Score internatio-
nal, auch in Deutschland, gegen andere Labels ge-
testet. Er schnitt überall am besten ab.

Verdienen Sie etwas am Nutri-Score?
Nein. Wir brauchen ihn nicht zu pushen. Sollte es
ein besseres Label geben, werden wir das unter-
stützen. INTERVIEW: JENS LUBBADEH

Ein Blick in die Studienlage offenbart allerdings,
dass Nutri-Score durchaus bereits an deutschen
Verbrauchern getestet wurde. Das Ergebnis, im
Mai im Fachmagazin „Ernährungs Umschau“ ver-
öffentlicht: In Deutschland werden Rot und Grün
nicht anders verstanden als in Frankreich. Der Nu-
tri-Score schnitt wie in anderen Untersuchungen
auch bei deutschen Verbrauchern klar besser ab als
die einfarbigen Modelle.
„Frau Klöckner scheint sich davor zu scheuen,
eine Entscheidung auf Basis der wissenschaftli-
chen Faktenlage zu fällen“, kritisiert Luise Molling
vom Verein Foodwatch. „Würde sie das Problem
von Fehlernährung, Übergewicht und Adipositas
ernst nehmen, hätte sie den Nutri-Score längst
einführen müssen. Stattdessen entwickelt sie in ei-
ner Hauruck-Aktion ein eigenes Modell und testet
auch noch das unverständliche System der Indus-
trie.“ Auch Serge Hercberg meldet Zweifel an: „Es
ist fraglich, ob eine solche Entscheidung nicht auf
einer Befragung durch unabhängige Wissenschaft-
ler basieren sollte, die nach einer Begutachtung
durch Fachleute veröffentlicht wird, so wie in der
Wissenschaft üblich.“

MEHRHEIT FÜR DIE AMPEL Nicht nur Food-
watch und Hercberg scheinen der Entscheidungs-
findung der deutschen Ministerin zu misstrauen.
Zusammen mit einer Reihe von Verbänden, darun-
ter die Deutsche Diabetes Gesellschaft, der Berufs-
verband der Kinder- und Jugendärzte und die
Deutsche Adipositas-Gesellschaft, hat Foodwatch
bei Forsa eine eigene Umfrage in Auftrag gegeben
und ist damit der offiziellen Befragung zuvorge-
kommen. Verglichen wurden Nutri-Score und das
MRI-Modell.
Das Ergebnis bei den 1003 Befragten war eindeu-
tig: 69 Prozent sprachen sich für die Ampel aus,
nur 25 Prozent für das Sterne-Label. Die Mehrheit
empfand es im Vergleich eher als „kompliziert“
und „verwirrend“. In Klöckners Ministerium är-
gert man sich über dieses Vorpreschen. Doch auch
vor dem Ergebnis der hauseigenen Befragung, die
Ende September erscheinen soll, scheint die Ein-
führung des Nutri-Score in Deutschland nun im-
mer wahrscheinlicher.
Für eine konsequente Transparenz wird aller-
dings auch das neue Label nicht sorgen. Denn das
Ernährungsministerium kann zwar vorschreiben,
welches System eingesetzt werden darf, es darf die
Hersteller aber nicht zur Teilnahme zwingen – das
verbietet das EU-Recht. In Frankreich haben sich
nach langen Widerständen bereits 140 Marken frei-
willig dem System angeschlossen, darunter auch
Nestlé. Große Konzerne wie Coca-Cola, Mars,
Unilever und Kraft verweigern sich dagegen, die
Mehrheit der Produkte trägt daher noch kein Nu-
tri-Score-Label.
In Deutschland hat sich Danone bereits jetzt da-
für entschieden, den Nutri-Score freiwillig auf sei-
ne Produkte zu drucken. Für das Unternehmen ist
das auch günstig, weil die von ihm herstellten Jo-
ghurts eher gut abschneiden. Auch Iglo würde das
Label bereits jetzt schon gerne für seine Produkte
verwenden, wurde aber daran vorerst durch eine
Klage gehindert, wahrscheinlich steckte ein Mitbe-
werber dahinter. Je mehr Hersteller mitmachen,
desto größer könnte der Druck auf den Rest wer-
den, das Label einzusetzen. Und es dürfte auch
zum Anreiz werden, die Rezepturen für eine güns-
tigere Bewertung zu verändern.
Die spannende Frage wird dann sein, ob eine
aufgedruckte Ampel wirklich zu einer gesünderen
Ernährung führen wird.
Auf jeden Fall wird eines weiterhin unübertrof-
fen bleiben: Essen aus frischen Zutaten selbst zu-
zubereiten.

FORTSETZUNG VON SEITE 21

Der Mediziner, geboren 1951
in Paris, setzt sich schon seit
Jahrzehnten in verschiedenen
französischen Gremien für
eine bessere Ernährung ein.
Mit seinem Team an der
Universität Paris entwickelte er den Algorith-
mus, auf dem der Nutri-Score beruht.

Serge Hercberg
Ernährungsexperte

RELEASED


Ernährung führen wird.

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aufgedruckte Ampel wirklich zu einer gesünderen
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tigere Bewertung zu verändern.
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Ernährung führen wird.

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