er Spiegel - 10. August 2019

(John Hannent) #1
Deutschland

schreckte dann aber davor zurück, sie als
Anti-Trump-Allianz zu bezeichnen. Sicht-
barstes Zeichen von Maas’ Bündnis ist bis-
lang seine Freundschaft zur kanadischen
Außenministerin Chrystia Freeland, das
konkreteste Projekt ein gemeinsames Pa-
pier mit dem französischen Außenminister
Jean-Yves Le Drian, das allerdings bis heu-
te noch nicht einmal veröffentlicht wurde.
»Maas ist immer noch auf der Suche nach
seiner Rolle für dieses Amt«, sagt Jürgen
Trittin. »Unter ihm ist die Außen- zur Aus-
sitzpolitik geworden.« Maas flüchte sich in
Metathemen wie die Rechte der Frauen
weltweit, meint FDP-Fraktions vize Lambs-
dorff. »Das ist nicht falsch, aber ich erwarte
von einem Außenminister, dass er in inter-
nationalen Krisen versucht zu deeskalieren.
Doch die SPD macht ihm das unmöglich.«


Außenminister haben es nie leicht,sich
zu behaupten, ihr Handlungsspielraum
wird begrenzt von einem sehr selbst -
bewussten Haus und dem Kanzleramt, das
die Federführung in allen wichtigen außen-
politischen Fragen beansprucht.
Doch der diplomatische Apparat hat
Maas, anders als seinen unberechenbaren
Vorgänger Gabriel, besonders fest im Griff.
Manche Beamte meinen gar, der machtbe-
wusste Staatssekretär Andreas Michaelis
sei der eigentliche Herrscher im Haus.
Der Karrierediplomat war es, der nach
dem Wahlsieg von Trump ein Papier vor-
legte, mit dem das Verhältnis zu den USA
neu definiert werden sollte. Darin ist eher
verharmlosend von einer »balancierten
Partnerschaft« mit den USA die Rede. Bei
einem Treffen mit Vertrauten soll Maas
vor Kurzem die Frage gestellt haben, ob
man angesichts von Trumps brachialer
America-first-Politik diese Strategie nicht
noch mal überarbeiten müsse, traute sich
dann aber offenbar nicht, das gegen seinen
Staatssekretär durchzusetzen. Geändert
hat sich bislang nichts.
Immer wieder sieht sich Maas vor das
Dilemma gestellt, entweder die eigenen Ge-
nossen oder seine Beamten zu vergrätzen.
Als die USA auf die Kündigung des INF-
Vertrags über die Stationierung nuklearer
Mittelstreckenwaffen zusteuerten, den Mos-
kau vorher gebrochen hatte, schloss Maas
die Option einer nuklearen Nachrüstung
öffentlich aus. In der Partei bekam er dafür
viel Zustimmung, die Diplomaten bis hoch
zum Staatssekretär waren entsetzt.
Auch gegenüber dem Kanzleramt ist der
Außenminister um Folgsamkeit bemüht. Zu
welchen Verrenkungen das führen kann,
zeigte sich beispielsweise zu Beginn des Jah-
res. Maas befand sich im Januar gerade auf
Dienstreise in den USA, als der venezolani-
sche Parlamentspräsident Juan Guaidó ge-
gen den sozialistischen Machthaber Nicolás
Maduro aufbegehrte und die USA Guaidó
als Interimspräsidenten anerkannten.


Der Außenminister hielt sich zunächst
an den Rat seiner Diplomaten, sich nicht
offen auf die Seite Guaidós zu schlagen.
»Man kann zum jetzigen Zeitpunkt eigent-
lich nur dazu aufrufen, besonnen zu sein«,
sagte Maas nach einem Besuch bei seinem
US-Amtskollegen Mike Pompeo. Einen
Tag und einen Anruf aus dem Kanzleramt
später erklärte er plötzlich gegenüber der
Deutschen Welle: »Wir sind nicht neutral,
wir stehen auf der Seite von Guaidó.«
Anders als sein Vorvorgänger Steinmeier
meidet Maas, in internationalen Krisen zu
vermitteln. Sowohl im Irankonflikt wie auch
im Streit um den INF-Vertrag betrieb er
keine ernsthafte Pendeldiplomatie. In Ve-
nezuela wollte er sich der Verantwortung,
die Berlin auch nach Maas’ Bekunden über-
nehmen sollte, lieber nicht stellen.

Auf seiner Lateinamerikareise traf Maas
in Kolumbien Abgesandte der venezola-
nischen Opposition. Sie baten ihn, mit der
kubanischen Regierung zu sprechen, auf
deren Unterstützung Machthaber Maduro
angewiesen ist. Doch Maas erteilte dem
eine Absage.
Die Außenpolitik war für die SPD im-
mer ein schwieriges Feld. Das mag daran
liegen, dass Moral und Wirklichkeit hier
so hart aufeinanderprallen wie vielleicht
in keinem anderen Bereich der Politik.
Maas’ sozialdemokratischen Vorgängern
ist es aber trotzdem meist gelungen, sich
Handlungsspielraum zu erobern.
Das lag auch daran, dass Frank-Walter
Steinmeier und Sigmar Gabriel eine ganz
andere Autorität in der Partei genossen.
Der eine war Kanzleramtschef und Frak-
tionsvorsitzender gewesen, der andere Mi-
nisterpräsident, Vizekanzler, Parteichef.

Maas dagegen war ein eher erfolgloser
Oppositionsführer, dann stellvertretender
Ministerpräsident im Saarland, bevor ihn
Gabriel, auch das überraschend, als Jus-
tizminister nach Berlin holte.
In der SPD war der Landespolitiker
Maas zunächst populär: ein Talent, mo-
dern und jugendlich. Doch der Aufstieg
vom Oppositionsführer im Saarland in
eines der wichtigsten Ministerämter in Ber-
lin hat den Blick auf Maas verändert. Nun
wird er anders vermessen. Da fehle etwas,
heißt es über Maas. Ein Mann ohne Lei-
denschaften, interessiert nur am Aufstieg.
Selbst eine Kandidatur für den SPD-Vor-
sitz hält er sich offen. Vielleicht muss Maas
sogar antreten, wenn er bleiben will, denn:
Gewinnt eine andere Person, könnte diese
Anspruch auf Maas’ Posten erheben.
Sein Engagement in Gleichstellungsfra-
gen hat dem Außenminister zumindest
den Rückhalt einiger Genossinnen einge-
bracht. Sie halten ihm zugute, dass er sich
in der traditionell sehr männlich dominier-
ten Außenpolitik für Frauenförderung ein-
setzt.

Maas’ Pech ist,dass sich für sein Feld be-
sonders viele prominente Sozialdemokra-
ten interessieren: Gabriel und Schulz zum
Beispiel, die ehemaligen Parteivorsitzen-
den. Oder Thomas Oppermann, der Ex-
Fraktionschef. Alle drei haben mehr Er-
fahrung vorzuweisen als der amtierende
Minister – und wissen naturgemäß immer
alles besser. Alle drei halten Maas noch
immer für einen außenpolitischen Rookie,
der sich mehr für Modetrends interessiert
als für globalpolitische Zusammenhänge.
Als »Herrenausstatter« wird Maas unter
Sozialdemokraten bespöttelt.
Aber es sind nicht die Altvorderen, die
Maas das Leben schwer machen. Viel gra-
vierender ist der inhaltliche Gegensatz,
der sich zwischen Maas und seiner Frak -
tion auftut. Angeführt von Chefaußen -
politiker Rolf Mützenich treiben die eige-
nen Leute den Außenminister vor sich her.
Im Gegensatz zu Maas ist Mützenich
ein erfahrener Außenpolitiker, fest veran-
kert in der Tradition sozialdemokratischer
Friedenspolitik. Schon äußerlich ist der
uneitle Mützenich das Gegenteil des ge-
schniegelten Außenministers. Ihm würde
niemand unterstellen, dass er sich für
anderes interessiert als die Sache.
Maas’ Problem: Während er selbst sein
Standing in der eigenen Fraktion seit sei-
nem Amtsantritt nicht nennenswert ver-
bessern konnte, ist Mützenich nach dem
Abgang von Andrea Nahles zum kommis-
sarischen Fraktionsvorsitzenden aufgestie-
gen. Er ist angesehen und beliebt in den
eigenen Reihen. Nicht wenige sehen ihn
als künftigen Fraktionschef.
Dabei dachte Maas ursprünglich, es gehe
eher andersherum. Zu Beginn seiner Amts-

20 DER SPIEGEL Nr. 33 / 10. 8. 2019


GOLEJEWSKI / EVENTPRESS
Politiker Maas, Partnerin Natalia Wörner
»Herrenausstatter«
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