Frankfurter Allgemeine Zeitung - 23.08.2019

(Barré) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Feuilleton FREITAG, 23. AUGUST 2019·NR. 195·SEITE 11


E

ingewissermaßen totales Kunst-
ereignis, ein siebenstündiges Ge-
samtkunstwerk aus Musik und
Film erwartet Berlin am 14. Sep-
tember: Im Rahmen des Musikfests wird
Abel Gance’ Stummfilm „La Roue“ („Das
Rad“) von 1923 gezeigt, live begleitet
vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
unter Frank Strobel. Als ob es so leicht
wäre, wie diese kurze Mitteilung es vor-
gibt! In Wahrheit stecken hinter der bevor-
stehenden Weltpremiere der rekonstruier-
ten und restaurierten Fassung des Filmes
mehrere Jahre cineastischer und musik-
wissenschaftlicher Forschungsarbeit,
eine knappe Hundertschaft musikalisch
Beteiligter und der Zusammenschluss
gleich mehrerer Institutionen.
Anders gesagt, haben sich Arte und
ZDF bereits vor langem mit dem Deutsch-
landfunk und dem RSB darauf geeinigt,
den von der Bologneser Fondation Jé-
rôme Seydoux-Pathé restaurierten
Stummfilm für die Wiederaufführung mit
Live-Musik vorzubereiten. Der Musikwis-
senschaftler Jürg Stenzl hat fast sämtliche
der 117 Stücke identifiziert, die ehedem
Arthur Honegger und der Kinokapell-
meister Paul Fosse als Kinomusik aus-
wählten oder sogar erst schrieben. Der
Komponist Bernd Thewes hat sie sekun-
dengenau für den Film eingerichtet und,
wo nötig, durch eigene Stücke ergänzt.
Dass die Geschichte, die „La Roue“ er-
zählt, eher kraus ist, tut der Vorfreude in
Berlin keinen Abbruch. Im Mittelpunkt
der Handlung steht die junge Norma, die
wie die griechische Helena, um deren
Schönheit einst ein ganzer Krieg aus-
brach, in eine eher passive Rolle gestellt
ist. Früh verwaist, wächst Norma bei dem
Eisenbahningenieur Sisif und dessen
Sohn Elie auf. Beide lieben sie, beide mei-
nen, sie unrechtmäßig zu lieben. Verheira-
tet wird Norma dann an den vermögen-
den Hersan, der sich fürchterliche Ausein-
andersetzungen um ihre Gunst liefern
wird. Bei einem dieser Konflikte kommen

Hersan und Elie in den Bergen zu Tode,
worauf der inzwischen erblindete Sisif sei-
ne Adoptivtochter verstößt. Erst in den
letzten Lebenstagen söhnt er sich wieder
mit ihr aus.
Dieses Geschehen, halb Ödipus-Tragö-
die, halb Vierecksbeziehung, verschränkt
Gance einerseits mit einer weiteren Ehe-
geschichte (die mit einem Gattenmord im
Affekt endet), andererseits mit einem
Übermaß an filmischen Metaphern, das
sich aus dem beständigen Verweis auf Na-
tur und Technik, Schienen und Weichen,
Leben und Tod, Fernweh und Heimelig-
keit ergibt. Auch Schwarz und Weiß habe
er gegenübergestellt, berichtete Gance,
„da der zweite Teil im Schnee als weiße
Sinfonie spielt und der erste Teil in
Schwarz und dem Ruß“.
Die Aufführung im Konzerthaus am
Gendarmenmarkt wird von Frank Strobel
dirigiert, der seit langem als Experte für
die Live-Begleitung von Stummfilmen
gilt. Am Pult wird Strobel in Verlänge-
rung der Partitur mit ihren akribischen
Zeitangaben einen Monitor stehen ha-
ben, über den er das Geschehen im Or-
chester genau auf den laufenden Film ab-
stimmen kann. „Die Kunst ist es“, sagt er,
„nach Verzögerungen wieder so auf den
Punkt zu kommen, dass es musikalisch

noch sinnvoll wirkt. Deswegen sitzen die
Musiker in solcher Habt-Acht-Stellung,
deswegen ist es so anstrengend für alle.“
Nicht nur diese Kunst lohnt den Be-
such, auch die Aussicht auf das eigentüm-
liche Erlebnis einer „viersätzigen Präsen-
tationsform“, wie Winrich Hopp es formu-
liert, der künstlerische Leiter des Musik-
fests. Tatsächlich wird man sich im Kon-
zerthaus auf Bayreuther Verhältnisse mit
gleich drei Pausen und insgesamt neun
Stunden Vorführungszeit einzustellen ha-
ben. Was die üppigen zeitlichen Dimen-
sionen angeht, die mit den historischen
Voraussetzungen durchaus kollidieren
(Gance selbst plante eine Aufteilung im
Wochenrhythmus), so erinnert Hopp an
den Kölner Dom, der „über Jahrhunderte
hochgezogen worden ist. Auch er lässt
sich nicht als Ganzes erfassen, wenn man
hineingeht und nur partiell wahrnimmt.“
Nun könnte man als Zuschauer gewiss
auf die Arte-Ausstrahlungen im Herbst
oder auf die demnächst erscheinende
DVD ausweichen. Doch werden sich die
Farbwechsel vom Kobaltblau ins Usamba-
ralila oder Blaugrau, die aus der kunstvol-
len Zusammenführung der überlieferten
Fassungen resultieren, auf dem Bild-
schirm nicht ähnlich deutlich vermitteln,
ganz so, wie auch die imposanten Panora-
men und Montage-Strategien, mit denen
Abel Gance die Handlung mit dem zentra-
len Leitmotiv von Rad und Eisenbahn eng-
führt, auf der Leinwand stärker wirken
werden.
Noch interessanter, die Musik, die Ho-
negger und Fosse (und in ihrem Wind-
schatten Stenzl und Thewes für „La
Roue“) seinerzeit zusammengestellt ha-
ben, in Echtzeit zu hören. Winrich Hopp
nennt diese Kompilationsmusik eine
„Tour de France durch die Musikgeschich-
te“, die wiederum an den Berlioz-Schwer-
punkt des diesjährigen Festivals anknüp-
fe. Da dampft eine Eisenbahn zu den ele-
gischen Kantilenen von Albéric Ma-
gnards „Chant funèbre“ ihres Weges, und

gleich darauf schlägt ein Arbeiter in einer
Fabrikhalle Eisen über ostinaten Pizzicati
im Violoncello.
Bruneau Messidors „Contr’acte“ mit
pulverschneesanften Streicherklängen
liegt unter dem Bild einer weiten Winter-
landschaft, und auf einmal sind Sisif und
Elie zu sehen, die in einer verschneiten
Hütte in den Bergen über einen Brief in
Streit und gleich schon in Wehmut gera-
ten, zu schmerzlich-schönen Walzerklän-
gen von Riccardo Zandonai.
Mit einem solchen Hybridwerk aus
Aberdutzenden Nummern der französi-
schen Moderne einen seinerseits avant-
gardistischen Film zu begleiten, das zeugt
von aufführungspraktischem Ehrgeiz.
Glücklicherweise gibt gerade der Film, so
Strobel, „eine klare Tempo-Struktur vor,
er ist sehr viel zuverlässiger als ein Opern-
sänger auf der Bühne. Man kann mit dem
Film sehr gut kalkulieren.“ Wenig hat die-
ses Konzept von Stummfilmmusik mit
der Tradition der improvisierten Live-Be-
gleitung zu tun, in allem verweist es statt-
dessen auf den Anspruch einer Tonkunst,
die eben nicht mit dem Arbeitsziel der
klanglichen Untermalung entstanden ist,
sondern erst im Nachhinein, längst exis-
tent, zu intermedialer Verschwisterung
gefunden hat.
Die Verheißungen des musikalischen
und technischen Fortschritts bildet Abel
Gance damit ebenso ab wie die innere
Not seiner Protagonisten, die immer wie-
der erfahren müssen, dass sie nur Räder
im Getriebe sind, Wanderer auf unaus-
weichlichem Wege – und die dennoch, ge-
rade was Norma und Sisif betrifft, unter
dem Vorzeichen von Kunst und Licht zu-
sammenfinden werden.
Gance selbst soll das Filmgenre einmal
als Fortschreibung der symphonischen
Musik mit den Mitteln des Lichts beschrie-
ben haben; an diesen Satz lässt die
Schlussszene denken, in welcher der er-
blindete Sisif der tanzenden Norma zuzu-
sehen scheint und dann seine Augen für
immer schließt. CHRISTIANE TEWINKEL

Die Kurden, mit denen wir seit Jahrhun-
derten in Anatolien zusammenleben, ha-
ben sich im Laufe der Geschichte aus ver-
schiedenen Gründen immer wieder ge-
gen die von Türken dominierte Autorität
aufgelehnt. Am 15. August 1984 startete
die PKK den neunundzwanzigsten kurdi-
schen Aufstand. Unter Führung von Ab-
dullah Öcalan begründete die Organisa-
tion ihren bewaffneten Kampf, bei dem
sie immer wieder auch zu terroristischen
Mitteln greift, mit der Forderung nach
Anerkennung der kurdischen Identität.
Auf bewaffnete Aktionen der PKK rea-
gierte der Staat mit Härte. Der Konflikt
hat bisher rund 40 000 Menschen das Le-
ben gekostet.
Der von Öcalan eingeleitete neunund-
zwanzigste Aufstand zeitigte einige sym-
bolische Folgen. Heute leben wir nicht
mehr in einem Land, in dem die kurdische
Sprache radikal verboten ist. Das Bekennt-
nis „Ich bin Kurde“ ist kein Grund mehr
für Verhaftung. Die Glasdecke dräut aber
nach wie vor über uns. In den Regionen
mit kurdischer Bevölkerungsmehrheit dür-
fen keine zweisprachigen Schilder aufge-
hängt werden. Der Polizei sind Kurden
noch immer automatisch verdächtig.
Kurz, auch der jüngste Aufstand hat zu
nicht viel anderem als Blut, Gewalt und
Tränen geführt. Alle Initiativen, die kurdi-
sche Sache auf friedlichen Wegen zu lö-


sen, gerieten ins Stottern. So wurden etwa
1990 ins Parlament gewählte kurdische
Abgeordnete nach einer Sitzung einge-
sperrt. Später brach Erdogan den in den
2000er Jahren eigenhändig eingeleiteten
Friedensprozess über Nacht ab, um die
Stimmen der türkischen Nationalisten
nicht zu verlieren.
Trotz der Gewaltspirale verstärkte die
kurdische Bewegung ihre Präsenz in der
Politik. Parteien, die sich der kurdischen
Sache annahmen, wurden zwar der Reihe
nach verboten, hörten aber nicht auf, die
Politik zu fordern. Ein Teil der kurdischen
Politiker distanzierte sich dabei nicht wirk-
lich von Terror und Gewalt der PKK. In
letzter Zeit waren aber die demokrati-
schen und friedlichen Stimmen deutlich
lauter. Statt Gewalt zu verherrlichen, stell-
ten sie sich offen gegen Erdogan. Auch
das mussten sie zum Teil teuer bezahlen.
Der ehemalige Ko-Vorsitzende der HDP,
Selahattin Demirtas, zahlte den Preis da-
für seit drei Jahren im Gefängnis.
Statt zu verhandeln, wählte die AKP
den Weg, die Kurden mit repressiven Me-

thoden zu marginalisieren und an die Sei-
te der Befürworter des bewaffneten Kamp-
fes zu stellen. Doch auch angesichts dieser
Manöver steckten die kurdischen Politiker
nicht auf. Vor allem in den letzten fünf,
sechs Jahren bekamen sie eine linksgerich-

tete politische Ader zu fassen. Sie über-
sprangen die Zehnprozenthürde und zo-
gen mit starker Repräsentanz ins Parla-
ment ein. Bei den jüngsten Kommunal-
wahlen unterstützten sie die Anti-AKP-Al-
lianz von außen und sorgten mit dafür,
dass die AKP verlor.
Als Erdogan sich der Gefahr bewusst
wurde, brachte er Öcalan ins Spiel. Kurdi-
sche Politiker bezichtigte er als Terroris-
ten, aber den Chef der Terrororganisati-
on veranlasste er, einen Brief zu schrei-

ben. Der Aufruf Öcalans an die kurdi-
schen Wähler, in den Metropolen neutral
zu bleiben, wurde kurz vor den Kommu-
nalwahlen in diesem Jahr als „Flash
News“ über die Bildschirme gejagt. Nicht
genug damit, Öcalans per Dringlichkeits-
vermerk von Interpol gesuchter Bruder
Osman Öcalan rief die HDP-Wähler-
schaft im staatlichen Fernsehen auf,
nicht gegen die AKP zu stimmen. Im Ge-
gensatz zu den Appellen der Öcalan-Brü-
der bat der inhaftierte HDP-Mann Sela-
hattin Demirtas die Wähler, ihre Stim-
men jeweils den gegen die AKP aufge-
stellten Kandidaten zu geben. Und viel-
leicht zum ersten Mal hörten die Kurden
nicht auf Öcalan, den sie „Führer“ nen-
nen, sondern brachten der AKP eine his-
torische Niederlage bei.
Der Preis dafür war hoch. Als er Istan-
bul verlor, ließ Erdogan die Wahl dort
wiederholen. Am Montag griff er nach
drei großen, haushoch von der kurdi-
schen HDP gewonnenen Kommunen. In
Diyarbakir, Van und Mardin setzte die Re-
gierung die gewählten Bürgermeister ab

und Zwangsverwalter ein. Jahrelang hat-
te die Regierung propagiert: „Waffen
sind keine Lösung, kommt, konkurrieren
wir an der Wahlurne!“ Jetzt verlor sie an
den Urnen und warf die Kurden erneut
aus dem Spiel.
Speziell vor den Präsidentenwahlen
2023 geht es Erdogan darum, die Macht
der Kurden an den Urnen zu schwächen.
Bei der Präsidentenwahl gilt die Regel „
Prozent plus 1“, da ist Erdogan nicht ohne
Grund bereits heute besorgt. Einer Mei-
nungsumfrage zufolge sprechen sich 62,
Prozent der Wähler gegen Erdogans Al-
leinherrschaft aus und befürworten die
Rückkehr zum parlamentarischen System.
54,7 Prozent sagen auf die „Sonntagsfra-
ge“, sie würden nicht für Erdogan stim-
men. Die Vorbereitungen zu Parteineu-
gründungen durch seine ehemaligen Weg-
gefährten Abdullah Gül, Ali Babacan und
Ahmet Davutoglu haben der AKP-Basis
bereits Risse beigebracht. Hinzu kommen
die Verwüstungen durch die Wirtschafts-
krise, die Entwicklungen in Syrien, die Kri-
sen mit den Vereingten Staaten, so dass Er-

dogan jetzt wieder zur bewährten nationa-
listischen Methode griff.
Um zu verhindern, dass im Norden Sy-
riens ein kurdischer Korridor entsteht,
hatte Erdogan einen Militäreinsatz öst-
lich des Euphrats geplant. Auf Druck der
Vereinigten Staaten nahm er für den Au-
genblick Abstand davon. Stattdessen kon-
fiszierte er den Wählerwillen im türki-
schen Osten des Euphrats, um die Natio-
nalisten zu beglücken. Hätte die Beset-
zung der Kommunen vor ein paar Jahren
stattgefunden, wäre es wohl kaum zu ge-
meinsamen Protesten der Opposition ge-
kommen wie heute. Erst der bei den Kom-
munalwahlen gemeinsam errungene Tri-
umph hat das Klima verändert.
Das Gefühl, gemeinsam etwas verän-
dern zu können, hat die Proteste gegen die
Einsetzung der Zwangsverwalter in den
HDP-Kommunen erhöht. So protestierten
jetzt auch Personen, die jahrelang gemein-
sam Politik mit Erdogan gemacht haben,
ebenso wie der CHP-Bürgermeister von Is-
tanbul Ekrem Imamoglu. Für die Opposi-
tion könnte sich die Zeile des islamisti-
schen Dichters Sezai Karakoç „Es gibt ei-
nen Sieg, der von Niederlage zu Niederla-
ge wächst“, bewahrheiten. Erdogans Tak-
tik, mit den Nationalisten gemeinsam zur
Macht zu marschieren, indem er Schläge
gegen die Kurden austeilt, könnte diesmal
ins Leere laufen.
Aus dem Türkischen vonSabine Adatepe.

War ein unauffälliger Tag,
einerder letzten Sommertage im Frieden.
Den Spaziergängern im Tiergarten, Touristen
Unter den Linden wandelnd, zu Besuch in Berlin,
Reichshauptstadt, fest im Griff der Propaganda,
den verliebten Paaren in den Sperlingsbergen
Lieblingsort Mandelstams, hoch über Moskau,
blieb er kaum im Gedächtnis.

Flieg zurück an den Anfang, Seele, zurück
zu den Jahren der Formation, Jahren der Illusion
für Millionen, an die unheimliche Schwelle,
als die Drachen sich beinah küßten wie in Paris
auf der Weltausstellung die turmhohen Pavillons
und der Polyp Cosmocrator, unheilbringend,
als Schatten sich über die Massen legte.
Dreh deine Runden überm Europa der Friedenszeit
bevor die Massaker begannen, die Säuberungen
im Paranoiagelände der neuen Arbeiterparadiese,
in der Weltsekunde des Zitterns, wo alles möglich war
zwischen Faschismus und Kommunismus,

der psychotischen Weltaufteilung in Links und Rechts.
Wie in den Schweizer Alpen der Bartgeier kreist,
denk dir „Die Welt von gestern“, noch unzerstört.

Es war ein unauffälliger Tag, als ein paar
untersetzte Männer, inferiore Typen, Tyrannen,
unter sich ganze Völker verschacherten,
als die Blindenführer des Jahrhunderts beschlossen,
ihre Bevölkerungen als Geiseln zu nehmen,
mit den Grenzen zu spielen, den Landschaften.
Stunde der Kartographen in ihren Büros,
Stunde der Aktenkonzentration (NKWD, Gestapo),
Erfassung der Menschen im eigenen Reich
wie in allen besetzten Gebieten
mit Kenn-Nummern, Photos, Fingerabdrücken,
zur Weiterverwendung (Arbeit oder Tod).

Tauch hinab in die Zeitentiefen, Untiefen der Zeit,
sieh sie dir an, die Völker damals, von Politik
erstickt, betrogen um einen Völkerbund.
Um den Frieden, die Arbeit, den eigenen Tod,
als das Wüten begann.
Sieh sie dir an, die Chancen, die Liebesgeschichten,
aus denen nichts wurde, die Konferenzen
(Rapallo, Locarno, zuletzt Evian),

als die Schwachen verschachert wurden
und niemand sie haben wollte – das Boot war voll.

Denk an den Tag, einen Sommertag,
als in den Städten Europas die Menschen
zum letzten Mal unüberwacht, scheinbar arglos
in ihren Cafés saßen, lachten und diskutierten
mit den hektischen Gesten, den scheuen Blicken
der Leute im Zeitraffer von Archivfilmaufnahmen,
im blauen Dunst ihrer Zigaretten überm Trottoir,
bevor der letzte der Humanisten
an der spanischen Grenze
elend in einem trockenen Flußbett verreckte.

Durs Grünbein


Der 23. August 1939


Eine Licht-Symphonie von sieben Stunden


BRIEF
AUS
ISTANBUL

Stiefkinder der türkischen Demokratie


Warum Erdogan im Konflikt mit den Kurden nationalistische Töne anschlägt.Von Bülent Mumay


Leidenschaft in der Welt der Maschinen: Im Zentrum des Films „La Roue“ steht der Eisenbahningenieur Sisif (Armand Jean Malafayde, Mitte). Foto Fondation Jérôme Seydoux-Pathé


Monumental: Der


Stummfilm „La Roue“


von Abel Gance ist jetzt


rekonstruiert worden.


Beim Musikfest Berlin


wird er gezeigt. Frank


Strobel dirigiert dazu


die Originalmusik.

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