Frankfurter Allgemeine Zeitung - 23.08.2019

(Barré) #1

SEITE 20·FREITAG, 23. AUGUST 2019·NR. 195 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


S

herpas werden sie genannt, wie
die Helfer der Bergsteiger im Hi-
malaja. Vor dem Aufstieg auf den
Gipfel schnüren sie das Gepäck,
sie laufen den Weg schon mal ab, sichten
Hindernisse und Schutzräume. Dann
schultern sie für ihre Chefs die Last und
führen sie zum Gipfel. Der liegt in diesem
Fall allerdings nur unwesentlich über
dem Meeresspiegel: In der Fünf-Sterne-
Herberge Hôtel du Palais in Biarritz an
der französischen Atlantikküste findet
von Samstag bis Montag der diesjährige
G-7-Gipfel statt.
Immer an der Seite von Bundeskanzle-
rin Angela Merkel (CDU) werden dann
zwei Männer sein, die in der Öffentlich-
keit wenig bekannt sind. Der eine ist
Lars-Hendrik Röller, Merkels wirtschafts-
politischer Berater und ihr offizieller Gip-
fel-Sherpa, der andere Jan Hecker, der au-
ßenpolitische Berater. Ihre Aufgabe für
die kommenden Tage: dafür sorgen, dass
der G-7-Gipfel kein Fiasko wird, was frü-
her mal eine Selbstverständlichkeit war,
sich heute aber nicht mehr so einfach ge-
staltet. Schon im vergangenen Jahr in Ka-
nada hatte der amerikanische Präsident
Donald Trump die Nerven aller Beteilig-
ten aufs Äußerste strapaziert und am
Ende seine Zustimmung zum Abschluss-
kommuniqué wieder zurückgezogen. Die
Nachricht erreichte den deutschen Regie-
rungstross auf dem Rückflug. Versteiner-
te Gesichter nach der Landung.
In diesem Jahr kommt mit dem neuen
britischen Premierminister Boris John-
son noch jemand dazu, für den der Ur-
sprungsgedanke der G-7-Treffen – ge-
meinsam die Weltwirtschaft voranbrin-
gen – nur zweitrangig ist, dem es in erster
Linie um sein eigenes Land geht. Aus Ita-
lien reist mit Giuseppe Conte ein Regie-
rungschef an, der bald schon keiner mehr
ist. In dieser komplizierten Gemengelage
müssen Röller und Hecker mit ihren Kol-

legen aus den anderen Ländern versu-
chen, zumindest noch ein paar Gemein-
samkeiten zu finden, die für eine wie
auch immer geartete Botschaft taugen.
Dass es ein Abschlussdokument geben
muss, hat Gastgeber Emmanuel Macron
schon vorsorglich abgeräumt.
Der 61 Jahre alte Röller, Sohn des ehe-
maligen Dresdner-Bank-Chefs Wolfgang
Röller, ist inzwischen der dienstälteste
Sherpa auf dem internationalen Parkett.
2011 hat er sein Amt angetreten, als
Nachfolger von Jens Weidmann, der zur
Bundesbank gewechselt war. Röllers Er-
nennung war damals eine Überraschung.
Er war zu diesem Zeitpunkt Präsident
der privaten Berliner Wirtschaftshoch-

schule ESMT. Zuvor hatte Röller, der in
den Vereinigten Staaten Informatik und
Wirtschaftswissenschaften studiert hat,
an der Pariser Elitehochschule Insead
und der Berliner Humboldt-Universität
gelehrt. Kurzum: Mit Politik hatte Röller
bis dahin nicht viel zu tun, sieht man mal
von einem kurzen Ausflug als Cheföko-
nom in der Generaldirektion Wettbe-
werb der EU-Kommission ab.
Anders als Röller ist Hecker erst seit
2017 in seiner Position. Leiter der außen-
politischen Abteilung des Bundeskanzler-
amtes – das klingt erst einmal nicht beson-
ders aufregend. Doch der Job Heckers
kann genau das sein: aufregend und auf-
reibend. Hecker ist der wichtigste außen-

und sicherheitspolitische Berater der
Kanzlerin. Er ist der Gesprächspartner je-
ner Leute, die in anderen Ländern den
klangvollen Titel „Sicherheitsberater des
Präsidenten“ tragen. In Deutschland
heißt das eben: Leiter Abteilung 2 im Bun-
deskanzleramt.
Als am späten Mittwochnachmittag
Merkel den neuen britischen Premiermi-
nister Boris Johnson in Berlin empfing,
war der groß gewachsene Hecker in der
kleinen Kanzlerinnenentourage schon
von weitem zu sehen. Ganz gleich, ob
Merkel in Berlin mit ausländischen Gäs-
ten spricht oder zu diesen reist: Hecker ist
an ihrer Seite. Auch wenn die Kanzlerin
sich bei ihren Reisen im Flugzeug mit
Journalisten unterhält, steht Hecker da-
bei, falls die Chefin mal ein Detail über
den Nahostkonflikt oder die Beziehungen
zu China nicht sofort zur Hand hat. Dass
er seit knapp zwei Jahren Merkels Mann
für die Außenpolitik ist, macht den Job
spannend, aber auch wieder ein bisschen
weniger aufregend. Denn Merkel hat im
Laufe ihrer 14 Jahre als Kanzlerin enor-
me Detailkenntnisse angehäuft. Es
kommt zumindest in Runden, bei denen
die Presse dabei ist, nicht oft vor, dass sie
auf Hecker zurückgreifen muss.
Jan Hecker ist gleich in zweifacher Hin-
sicht ein Beleg dafür, dass Angela Merkel
sich treu bleibt. In anderen Regierungen –
etwa derjenigen von Donald Trump –
sind die außenpolitischen Berater oft Cha-
raktere, die robust nach außen auftreten,
um es vorsichtig zu formulieren. Auch
Merkels Vorgänger Schröder hatte min-
destens mit seinem ersten außenpoliti-
schen Berater, Michael Steiner, einen
Mann verpflichtet, der sein Selbstbewusst-
sein gelegentlich krachend präsentierte.
Hecker erinnert in seiner ruhigen, zurück-
haltenden Art, die mit inhaltlicher Trittsi-
cherheit verbunden ist, an die anderen
Merkel-Vertrauten im Kanzleramt, auch
an seinen Vorgänger Christoph Heusgen.
Zweitens zeigt seine Ernennung, wie
Merkel Loyalität belohnt. Hecker, ein
1967 in Kiel geborener Jurist, der als
Rechtsanwalt arbeitete, bevor er in die Mi-
nisterialbürokratie wechselte, der an
Hochschulen lehrte und sich habilitierte,
wurde 2015 Leiter des Koordinierungssta-
bes für die Flüchtlingspolitik im Kanzler-
amt. Ihm wird unter anderem zugeschrie-
ben, einen wichtigen Beitrag dazu geleis-
tet zu haben, dass der damalige bayeri-
sche Ministerpräsident Horst Seehofer
doch keine Klage gegen die Asylpolitik
der Kanzlerin anstrengte. Mitarbeiter, die
so etwas können, schätzt Merkel.
JULIA LÖHR / ECKART LOHSE

Merkels Gipfelstürmer


Z


u seiner Zeit war Palaniappan Chi-
dambaram ein anerkannter Architekt
des indischen Aufschwungs. Nun wird er
verfolgt, weil er und seine Familie sich be-
reichert haben sollen. Es gab Zeiten, da
führte in Indien kein Weg an Chidamba-
ram vorbei. Als der geachtete Anwalt der
eloquente Finanzminister der heute dritt-
größten Volkswirtschaft Asiens war,
schien es zeitweise so, dass er allein unter
Ministerpräsident Manmohan Singh das
Land aus seiner Armutsfalle befreien woll-
te. Am Mittwoch aber kletterten Fahnder
über die Mauer seines Anwesens in Neu-
Delhi und ließen den einstigen Harvard-
Absolventen für 27 Stunden verschwin-
den. Am Donnerstag entschieden die Un-
tersuchungsbehörden, dass der 73-Jährige
bis Montag in Untersuchungshaft bleibt.
Kurz vor seiner Festnahme hatte er
noch eine Pressekonferenz gegeben. Nun
verantwortet er sich vor Gericht für Ent-
scheidungen in seiner Ministerrolle, von
denen seine Familie profitiert haben
könnte. Einer der Richter vom Obersten
Gericht in der Hauptstadt erklärte ihn
zum „Chef-Verschwörer“ in einem Fall, in
dem es zunächst um das Medienunterneh-
men INX Media geht.
Abgesehen von einer möglichen
Schuld Chidabarams ist der Fall ein Politi-
kum: Die mit großer Mehrheit im Früh-
jahr wiedergewählte Bharatiya Janata Par-
ty (BJP) unter Ministerpräsident Naren-
dra Modi hat sich von Beginn an auf ihre

Fahnen geschrieben, mit der grassieren-
den Korruption in der größten Demokra-
tie der Welt aufzuräumen. Dabei bemüht
sie sich bislang weitgehend vergeblich, ge-
flohene Milliardäre und Unternehmens-
führer wie den Gründer der einstigen
Fluggesellschaft Kingfisher, Vijay Mallya,
von ihren Fluchtorten zurück ins Land zu
holen, greift nun aber auch nach Füh-
rungsfiguren ihres politischen Rivalen.
Im BJP-Wahlmanifest hieß es: „Die Zen-
tralregierung hat einen entschlossenen
Kreuzzug gegen die Plagen Korruption
und Schwarzgeld begonnen.“ Für viele In-
der, die noch vor Jahren frei erzählten, ein
gutes Drittel ihrer Einkommen für die Be-
stechung von Gas- und Milchmännern,
Lehrern, Ärzten und – falls nötig – Rich-
tern und Rechtsanwälten ausgeben zu müs-
sen, klingt das verheißungsvoll. Die Ver-
sprechen halfen der BJP in diesem Früh-
jahr, die Macht ein zweites Mal zu gewin-
nen. Schon zu seiner Amtszeit kursierten
in Indien Gerüchte, Chidambaram habe
sich bereichert. Die gibt es aber zu fast al-
len Politikern und Geschäftsleuten, und
oft werden sie von ihren Widersachern ge-
streut. Gegen viele Mitglieder der indi-
schen Parlamente liegen Klagen vor, die
bis zu Vergewaltigung oder Mord reichen.
Der Fall um INX Media dreht sich um ir-
reguläres Verhalten im Amt für Auslands-
investitionen, während Chidambaram Mi-
nister war. Das Unternehmen soll gut
3 Milliarden Rupien (38,3 Millionen

Euro) aus dem Ausland erhalten haben.
Sie kamen aus Mauritius, formal einem
der Großinvestoren in Indien – denn dort
waschen wohlhabende Inder oft ihr
Schwarzgeld, um es dann gewinnbrin-
gend auf dem Subkontinent zu reinvestie-
ren. Die Summe soll Teil größerer Finanz-
transaktionen gewesen sein, mit denen
INX sein Wachstum sichern wollte. 2010
eröffneten die Behörden eine Untersu-

chung wegen Devisenvergehen gegen Pe-
ter und Indrani Mukerjea, denen INX ge-
hörte. Sechs Jahre später prüften sie ein
Unternehmen von Karti Chidambaram,
dem Sohn des Finanzministers. Dabei stie-
ßen die Beamten auf Akten, die eine Zah-
lung von INX an ihn belegten, kurz bevor
die untergeordnete Behörde die Investiti-
on in INX freigegeben hatte. In ihrem Be-
richt hieß es, der Sohn des Finanzminis-
ters habe den Auftrag erhalten, den Kon-
flikt mit den Behörden für INX „dank sei-
ner Beziehung zum damaligen Finanzmi-
nister Chidambaram freundschaftlich
über das Beeinflussen der Beamten der
Untersuchungsbehörden im Finanzminis-
terium“ aus der Welt zu schaffen. Das
Ehepaar Mukerjea wurde daraufhin der
Bestechung angeklagt. Indrani Mukerjea
gab vor gut einem Jahr zu, mit dem Sohn
des Ministers ein Abkommen mit dem
Ziel der Genehmigung des Transfers von
Devisen geschlossen zu haben. Eine Milli-
on Dollar seien dafür an ihn geflossen.
Manche indische Medien berichteten am
Donnerstag, es seien sogar 5 Millionen
Dollar gezahlt worden. Für ihre Aussage
wurde ihr die Strafe erlassen, aber Karti
Chidambaram verhaftet. Später wurde er
auf Kaution auf freien Fuß gesetzt. Unge-
klärt aber blieb die Frage, ob und welche
Rolle sein Ministervater damals spielte.
Die Bitte des bekannten Vaters um vor-
auseilende Zusicherung einer Kaution
wurde von den Richtern in jenen Tagen
abgelehnt. CHRISTOPH HEIN

Jan Hecker (l) und Lars-Hendrik Röller Foto imago/Jens Jeske


DÜSSELDORF, 22. August (Reuters/
dpa).Thyssen-Kruppwill die Entschei-
dung der EU-Kommission gegen die Fusi-
on seiner Stahlgeschäfte mitTata Steel
Europe nicht auf sich sitzenlassen. Der
Essener Konzern reichte nach eigenen
Angaben am Donnerstag Klage beim Ge-
richt der Europäischen Union ein. Vor-
standschef Guido Kerkhoff hatte dies
schon angekündigt. Die Pläne seien zwar
trotzdem gescheitert, aber die Entschei-
dung der EU-Kommission sei falsch ge-
wesen, und die Begründung wolle man
nicht so stehenlassen.
Thyssen-Krupp und Tata hatten nach
rund drei Jahren die Pläne im Mai aufge-
geben, da der Widerstand der Brüsseler
Wettbewerbshüter zu groß gewesen war.
„Die Konsolidierung der europäischen
Stahlindustrie ist nach wie vor richtig
und notwendig, das zeigt auch die aktu-
ell für die Stahlhersteller kritische Markt-
situation“, sagte Vorstandsmitglied Do-
natus Kaufmann. Die Überkapazitäten

und der hohe Importdruck aus Asien
schafften ein Umfeld, in dem das geplan-
te Joint Venture mit Tata Steel den Wett-
bewerb nicht beeinträchtigt hätte. „Wir
bedauern die Entscheidung der Europäi-
schen Kommission und halten diese für
zu weitgehend und falsch. Deshalb rei-
chen wir Klage ein.“
Am Abend wurden Gerüchte einer
Übernahme des Duisburger Stahl- und
Metallhändlers Klöckner & Co bekannt.
Erst jüngst hatte Klöckner verkündet,
man könne sich im Werkstoffhandel
eine Partnerschaft mit Thyssen-Krupp
vorstellen. Beide Unternehmen führten
konkrete Gespräche über eine Übernah-
me von Klöckner durch Thyssen-Krupp,
berichtete das „Handelsblatt“ unter Beru-
fung auf Konzernkreise. Die Unterneh-
men lehnten dem Bericht zufolge einen
Kommentar ab. Die Übernahmehoffnun-
gen haben die Aktien von Klöckner auf
das höchste Niveau seit Ende Juni. Die
Papiere zogen um gut 15 Prozent an.

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isherreichte die Zustimmung eines
Fachvorstandes, doch künftig müs-
sen in der Deutschen Bank die Organisati-
onsleiter der Geschäftsbereiche (COOs)
die Genehmigung des Vorstandsvorsitzen-
den Christian Sewing, des Finanzvorstan-
des James von Moltke und des Personal-
vorstandes Karl von Rohr einholen, bevor
sie einen neuen Mitarbeiter einstellen
können. Auf die Frage, ob das nicht zu auf-
wendig ist, antwortet die verantwortliche
Personalmanagerin Karen Meyer im Intra-
net der Deutschen Bank: „Wir gehen da-
von aus, dass die COOs alle Neueinstel-
lungen sorgfältig prüfen und nur diejeni-
gen zur Genehmigung vorschlagen wer-
den, die im Kontext unser Strategie und
langfristigem Wachstum von entscheiden-
der Bedeutung sind.“ Die zunächst bis
Ende 2019 geltenden Änderungen im Ein-
stellungsprozess sollen sicherstellen, dass
auch ohne kompletten Einstellungsstopp
das Ziel erreicht wird, 18 000 Stellen und
damit jede fünfte Stelle im Konzern bis
2022 zu streichen. ham.

lerb.FRANKFURT, 22. August. Um
den Klimawandel einzudämmen, for-
dern immer mehr Menschen von der Poli-
tik und Wirtschaft ein, weniger dienstli-
che Reisen vorzunehmen. Die Unterneh-
men der Informationswirtschaft schei-
nen Vorreiter zu sein. So berichten
57 Prozent dieser Unternehmen, dass sie
in den vergangenen drei Jahren Ge-
schäftsreisen verstärkt durch Telefon-
und Videokonferenzen ersetzt haben. Al-
lerdings dürfte der Umweltschutz nicht
der entscheidende Grund dafür sein.
Wie eine Sonderauswertung des ZEW-
Leibniz-Zentrums für Europäische Wirt-
schaftsforschung ergeben hat, verzichten
Unternehmen vielmehr aufgrund von
Kosten- und Nutzen-Abwägungen auf
Geschäftsreisen. Das Institut befragte
rund 1000 Unternehmen der Informa-
tionswirtschaft.
Fast alle Unternehmen geben an, dass
sie verstärkt Telefon- und Videokonferen-
zen nutzen, um Zeit und Geld zu sparen.
„Unsere Analyse zeigt, dass hauptsäch-
lich wirtschaftliche Überlegungen die
Unternehmen zum Umdenken bewegen.
Umweltschutzaspekte spielen bei der
Entscheidung nur bei rund 44 Prozent
der Unternehmen eine entscheidende
Rolle“, sagt Jörg Ohnemus, stellvertre-
tender Leiter des ZEW-Forschungsbe-
reichs Digitale Ökonomie. Von den Un-
ternehmen, die zunehmend auf Telefon-
und Videokonferenzen setzen, haben 84
Prozent mehr als 100 Mitarbeiter, knapp
80 Prozent kommen aus der Informati-
ons- und Kommunikationsbranche. Wis-
sensintensive Dienstleister, wie Unter-
nehmens- und Steuerberater oder Archi-
tekturbüros, hinken der Entwicklung
noch hinterher. Diese Dienstleister erset-
zen Geschäftsreisen am seltensten durch
Telefon- und Videokonferenzen.
Egal welche Branche, für alle Unter-
nehmen gibt es indes einen weiteren

Grund, ihre Mitarbeiter nicht ständig
um die ganze Welt zu schicken: Sie wol-
len für potentielle Bewerber attraktiv
sein – und die wollen offenbar nicht zu
viel reisen. Nach Angaben des Verbands
Deutsches Reisemanagement (VDR), in
dem Reiseverantwortliche von Betrie-
ben und Konzernen organisiert sind, ar-
beitet fast jedes zweite größere Unter-
nehmen daran, durch Maßnahmen im
Reisemanagement attraktiver zu erschei-
nen. An vorderster Stelle steht, unnötige
Reisen der Mitarbeiter einzuschränken.
Trotzdem hat die Anzahl der Reisen
in den letzten Jahren zugenommen.
2014 gab es in Deutschland 176 Millio-
nen Geschäftsreisen, 2018 waren es fast
190 Millionen in Unternehmen mit
mehr als zehn Mitarbeitern. Das ist das
Ergebnis der VDR-Geschäftsreiseanaly-
se. Die Zunahme der Reisen hängt eng
mit der starken wirtschaftlichen Ent-
wicklung zusammen.
Innerhalb der Unternehmen wird zwi-
schen internen Reiseanlässen wie Team-
meetings und externen Anlässen wie
Kundenbesuchen unterschieden. Nach
wie vor sind interne Anlässe für knapp
40 Prozent der Geschäftsreisen verant-
wortlich. Doch hier wird noch Potential
gesehen, auf Fahrten zu verzichten. Der
VDR stellt ein Umdenken vieler Unter-
nehmen fest. Es gebe einen Trend zu hin-
terfragen, ob beispielsweise Fahrten zwi-
schen Standorten durch Telefon- oder
Videokonferenzen ersetzt werden kön-
nen, sagte ein Sprecher. Für externe An-
lässe seien Reisen schwieriger zu vermei-
den, da der Kundenkontakt vor Ort für
die Unternehmen nach wie vor eine
wichtige Rolle spielt. LautZEW sehen
mehr als 90 Prozent der Unternehmen
der Informationswirtschaft den persönli-
chen Austausch als notwendig an, was
dagegen spreche, noch stärker auf Dienst-
reisen zu verzichten.

Douglas schließt Filialen
Die Parfümeriekette Douglas will sich
von rund 70 ihrer europaweit 2400 Filia-
len trennen. Dabei handele es sich über-
wiegend um Filialen außerhalb Deutsch-
lands, sagte eine Unternehmensspreche-
rin am Donnerstag. Douglas habe das Fi-
lialnetz in den vergangenen Monaten ei-
ner umfassenden Analyse unterzogen.
Dabei habe sich ergeben, dass die 70 Fi-
lialen keine langfristige Entwicklungs-
perspektive mehr hätten, auch wenn sie
derzeit noch fast alle profitabel seien.
Douglas wolle sich bis Ende 2020 von
den Filialen über Zusammenlegungen,
Nichtverlängerung auslaufender Mietver-
träge oder Verkäufe trennen. dpa-AFX

Keine Entwarnung für NordLB
Die Rettung der angeschlagenen Nord-
deutschen Landesbank (NordLB) mit ei-
ner vereinbarten Milliarden-Finanzsprit-
ze verzögert sich. Wie das Institut am
Donnerstagabend in Hannover mitteilte,
kann die bisher für das 3. Quartal geplan-
te Umsetzung der Kapitalmaßnahmen
erst im 4. Quartal dieses Jahres erfolgen.
Das Institut begründete die Verzögerun-
gen unter anderem mit der noch ausste-
henden Zustimmung der EU-Kommissi-
on. Auch müssten die Landesparlamente
von NordLB-Haupteigentümer Nieder-
sachsen und Miteigner Sachsen-Anhalt
die Pläne noch billigen. Auch war von
der „Komplexität des Verfahrens und
wechselseitigen Abhängigkeiten“ die
Rede. Einen Großteil will Niedersachsen
zahlen. Sachsen-Anhalt will für seinen
Anteil von 198 Millionen Euro einen Kre-
dit aufnehmen. Die Sparkassengruppe
soll den Rest schultern. dpa

Asklepios-Kliniken schwächeln
Für den privaten KlinikbetreiberAskle-
piosist das erste Halbjahr nicht zufrie-
denstellend verlaufen. Zwar habe man
mit mehr als 1,2 Millionen behandelten
Patienten mehr versorgt als noch im Vor-
jahreszeitraum. „Das schlägt sich auch in
unserem stabilen Umsatzwachstum nie-
der“, sagte Asklepios-Vorstandschef Kai
Hankeln über die Einnahmen von insge-

samt rund 1,75 Milliarden Euro, einem
Plus von 3,2 Prozent. Gleichwohl könne
man mit dem operativen Verlauf und der
Entwicklung der Gewinnmarge nicht zu-
frieden sein. Nach Steuern erwirtschafte-
te das Unternehmen knapp 42 Millionen
Euro, nach knapp 61 Millionen Euro im
Vorjahreszeitraum. Das habe nicht den
Erwartungen entsprochen. ikop.

BMW im Visier der Bafin
Die Finanzaufsicht Bafin prüft, ob der
Autohersteller die Öffentlichkeit recht-
zeitig über den Wechsel des Vorstands-
vorsitzenden informiert hat. Das teilte
die Behörde am Donnerstag mit. Es geht
um dieBMW-Mitteilung vom 18. Juli.
Darin hatte der Autohersteller verkün-
det, dass Oliver Zipse „am 16. August
2019 das Amt des Vorsitzenden des Vor-
stands der BMW AG übernehmen“ wer-
de. Börsennotierte Unternehmen sind
verpflichtet, die Öffentlichkeit und ihre
Aktionäre rechtzeitig über Entwicklun-
gen zu informieren, die den Aktienkurs
beeinflussen können. Ein Chefwechsel
ist so eine kursrelevante Entwicklung.
Verschiedene Medien – auch die F.A.Z. –
hatten bereits deutlich vor dem 18. Juli
darüber berichtet, dass Zipse zu den Fa-
voriten für die Nachfolge zähle. Ob diese
Berichte tatsächlich der Grund für die
Prüfung sind, wollte die Behörde nicht
kommentieren. dpa-AFX

Société Générale prüft Verkauf
Die französische GroßbankSociété Gé-
néraleprüft unterrichteten Kreisen zufol-
ge verschiedene Optionen für ihre Invest-
mentsparteLyxor. Wie die Nachrichten-
agentur Bloomberg am Donnerstag mit
Bezug auf mit der Prüfung vertraute Per-
sonen berichtet, werden derzeit verschie-
dene Möglichkeiten durchgespielt. Dazu
sollen der Verkauf oder die Verschmel-
zung mit einem anderen Institut gehö-
ren. Es sei aber noch keine Entscheidung
gefallen. Letztlich könnte man sich auch
dafür entscheiden, Lyxor zu behalten,
hieß es. Lyxor ist mit einem verwalteten
Vermögen von rund 150 Milliarden Euro
einer der größeren Vermögensverwalter
in Europa. dpa-AFX

Thyssen klagt gegen die EU


Konzern hält Votum gegen Tata-Deal für falsch


Jede Neueinstellung


auf Sewings Tisch


Früherer indischer Finanzminister in Untersuchungshaft


Informationswirtschaft ersetzt


Reisen durch Videokonferenzen


Klimadebatte spielt dabei aber nur eine geringe Rolle


Kurze Meldungen


Palaniappan Chidambaram (Mitte) Foto AFP


Wenn am Samstag der


G-7-Gipfel beginnt,


haben sie die meiste


Arbeit schon hinter


sich: Jan Hecker und


Lars-Hendrik Röller


bereiten die Kanzlerin


auf Biarritz vor.


MENSCHEN& WIRTSCHAFT

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